Die deutsche Supermarktkette Lidl wird ab Mitte Juni in die USA expandieren. Besonders für den Branchenführer Wal Mart dürften dies schlechte Nachrichten sein – Beobachter gehen davon aus, dass Lidl den bereits bestehenden Preiskampf zwischen den US-Supermärkten weiter anheizen könnte.
Lidl plant, die ersten 20 Filialen am 15. Juni in den Bundesstaaten North Carolina, South Carolina und Virginia zu eröffnen, wie Reuters in seinem englischsprachigen Dienst unter Berufung auf einen Lidl-Repräsentanten berichtet. Im Laufe des Jahres sollen dann weitere acht Filialen eröffnet werden. Insgesamt sollen im ersten Jahr rund 5.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Expansion der deutschen Lebensmittel-Größe dürfte dazu führen, dass der ohnehin zwischen den Supermärkten in den USA ausgetragene Preiskampf eskaliert. Der Chef des USA-Ablegers, Brendan Proctor, kündigte an, dass Lidl die Preise der Konkurrenz in den ersten Monaten um bis zu 50 Prozent unterbieten werde. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für uns gekommen, den US-Markt zu betreten. Wir vertrauen unserem Geschäftsmodell. Wir können uns gut anpassen, also geht es nicht so sehr darum, ob der amerikanische Markt uns liegt, sondern darum, dass wir in diesem aus eigener Kraft erfolgreich sein können.“
Die Ankündigung massiver Preissenkungen sind verständlich, wenn man bedenkt, dass Lidl auf Wettbewerber trifft, die versuchen, sich gegenseitig zu unterbieten. Aldi beispielsweise geht mit einem milliardenschweren Investitionsprogramm auf Expansionskurs und verschärft den Preiskampf mit Wal-Mart. Um dem Weltmarktführer im Einzelhandel auf seinem Heimatmarkt Kunden abzujagen, nimmt die in den USA bereits mit 1600 Filialen vertretene deutsche Discount-Kette 1,6 Milliarden Dollar in die Hand. US-Chef Jason Hart will damit nach eigenen Angaben bis Ende nächsten Jahres 400 neue Aldi-Märkte vor allem in Florida und Texas sowie an der Ost- und Westküste eröffnen. 1300 bestehende Geschäfte sollen zudem erweitert und modernisiert werden. In die Regale will Hart zugleich mehr günstige Eigenmarken stellen, deren Preise problemlos und schnell weiter gesenkt werden können – wenn beispielsweise Wal-Mart versucht, Aldi zu unterbieten.
Interne Studien zeigen dem US-Aldi-Chef zufolge, dass seine Supermärkte die Preise auch der günstigsten Rivalen – darunter Wal-Mart – bereits jetzt im Schnitt um gut ein Fünftel unterbieten. Mit der neuen Offensive wollen die Deutschen den ebenfalls für Billig-Shopping bekannten Branchenriesen aber noch stärker unter Druck setzen. Schon zuletzt lief es nicht schlecht für Aldi Inc. Zwar hält das Unternehmen am US-Lebensmittelmarkt gerade einmal rund 1,5 Prozent, während Wal-Mart etwa 22 Prozent kontrolliert. Doch der seit mehr als 40 Jahren in den USA vertretene Aldi-Ableger mit Sitz im Großraum Chicago kann eine Wachstumsrate von jährlich 15 Prozent aufweisen, während Wal-Mart seinen Umsatz 2017 nach Analystenschätzungen nur um rund zwei Prozent erhöhen dürfte.
Wal-Mart ist bereits aufgeschreckt. Der Konzern prüft in elf Bundesstaaten systematisch die Preise der Konkurrenz und drängt seine Filialleiter dazu, die Deutschen und andere Konkurrenten zu unterbieten. Experten zufolge könnte der Riese rund sechs Milliarden Dollar für Maßnahmen springen lassen, um seinen Titel als Discount-Primus zurückzuerobern.
Im Lebensmittelmarkt der USA tobt bereits länger ein Preiskrieg, der seit 2014 schon fast 20 Unternehmen in die Insolvenz getrieben hat. Während Aldis jüngste Offensive den Wettbewerb weiter anheizen dürfte, hält auch der deutsche Erzrivale Lidl in Übersee die Füße nicht still. Ebenfalls für Unruhe im Lebensmitteleinzelhandel sorgt Amazon mit der Ausweitung seines Lieferdienstes „Fresh“ und dem Testlauf von eigenen Geschäften.
„Wir haben so etwas im Lebensmittelhandel der USA vorher noch nicht erlebt“, sagt der auf Preispolitik spezialisierte Analyst Scott Mushkin vom Forschungsinstitut Wolfe Research. Burt Flickinger von der Einzelhandels-Unternehmensberatung Strategic Resource sagt einen gewaltigen Umbruch voraus. Angesichts der Expansion von Aldi, dem Start von Lidl, der Reaktion bei Wal-Mart sowie den wachsenden Amazon-Ambitionen sei in den kommenden Jahren eine deutliche Zunahme von Firmenpleiten zu erwarten. „Aldi stellt die Branche so auf den Kopf, wie Wal-Mart es in seinen Anfängen getan hat“, sagt Flickinger.