Politik

Trumps Idee einer Allianz der Golf-Staaten ist eine Illusion

Lesezeit: 7 min
06.06.2017 00:55
Die Idee von US-Präsident Trump, die Golf-Staaten zu einer Allianz zusammenzuschweißen, könnte sich mit dem Konflikt um Katar erledigt haben.
Trumps Idee einer Allianz der Golf-Staaten ist eine Illusion

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Bei seinem jüngsten Staatsbesuch in Saudi-Arabien trat US-Präsident Donald Trump entschlossen auf. Zum einen plädierte er für die Gründung einer Art "arabischen NATO", um den Extremismus in der Region zu bekämpfen. Zum anderen kritisierte er den Iran scharf und stufte das Land neben der Terror-Miliz ISIS als die größte Bedrohung für die Region ein.

Doch die überraschende Eskalation um Katar macht klar, dass die Gründung einer alle Golf-Staaten umfassenden Allianz vermutlich nicht zu realisieren ist. Zu unterschiedlich sind die Interessen.

Die US-Strategie, wonach weltweit Partner militärisch und finanziell eingebunden werden sollen, um die Belastung der USA im Rahmen der Auslandseinsätze zu reduzieren, ist nach Angaben des US-Informationsdienstes Stratfor im Vergleich zur Obama-Regierung als Neuheit anzusehen. Trump setze eine ganz andere Strategie um, um dasselbe Ziel zu erreichen.

Im Falle des Nahen Ostens plant Trump, eine "arabische NATO" unter der Führung von Saudi-Arabien und mit US-amerikanischer Ausrüstung ins Leben zu rufen, um ISIS zu bekämpfen und den Iran zurückzudrängen. Die Rückkehr der USA in das "sunnitische Lager" im Nahen Osten sei nach wie vor kompatibel mit dem Gleichgewicht der Mächte in der Region, so Stratfor.

Der damalige US-Präsident George W. Bush brachte die Region aus dem Gleichgewicht, als er den irakischen Führer Saddam Hussein absetzte und effektiv ein arabisches Tor für den Iran eröffnete. Dadurch bekam der Iran die Möglichkeit, seinen Einfluss auf die schiitische Mehrheit im Irak zu erweitern. Die Obama-Jahre seien dann mit Bemühungen aufgebraucht worden, um ein überwältigendes Iran-Problem ohne einen destabilisierenden Krieg im Persischen Golf zu lösen. Mit einem tragfähigen, wenn auch unvollkommenen, Atom-Abkommen konnten die USA den Iran aus dem Krisenniveau herabstufen, damit sich die US-Regierung auf andere dringende außenpolitische Prioritäten konzentrieren konnte.

Trump hat nun einen größeren Handlungsspielraum, um die Unterstützung für das sunnitisch-arabische Lager zu stärken. Dadurch wolle er eine stärkere Kontrolle über den Iran erzielen. Der Iran wurde zwar von den Sanktionen befreit, doch es steht mittlerweile einer größeren regionalen Konkurrenz gegenüber.  Saudi-Arabien sei von Trumps Auftritt in Riad besonders begeistert gewesen. Es habe kein besseres Geschenk für die Saudis gegeben als einen US-Präsidenten, der sich einerseits gegen den Iran positioniert, um gleichzeitig die Menschenrechtsdefizite in Saudi-Arabien unter den Teppich zu kehren.

Stratfor führt aus, dass Trumps Idee von einer "arabischen NATO" nichts weiter als eine "Wüsten-Illusion" sei. Obwohl viele sunnitisch-arabische Staaten die Expansionsbestrebungen des Irans bedrohlich finden, werde es nicht möglich sein, ein nahöstliches Verteidigungsbündnis gegen den Iran aufzubauen. Die geopolitischen Spaltungen und Streitigkeiten der sunnitisch-arabischen Staaten seien derart tief, dass es nicht möglich sein werde, eine Einheit zu schaffen.

Das habe ein kürzliches Ereignis der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt: zwei Tage nach dem Gipfel in Riad, also am 23. Mai 2017, veröffentliche der Emir von Katar, Sheikh Tamim bin Hamad al-Thani, einschlägige Aussagen zugunsten des Irans, der Hamas und der Muslimbruderschaft. Die Aussagen wurden von der katarischen Nachrichtenagentur QNA in Umlauf gebracht. Der Emir sagte: "Der Iran repräsentiert eine regionale und islamische Macht, die nicht ignoriert werden kann und es ist unklug, Feindschaft gegen den Iran zu säen (...). Die Hamas ist der Vertreter des palästinensischen Volkes."

Kurz darauf meldete der Außenminister von Katar per Twitter, dass die Botschafter aus Bahrain, Ägypten, Kuwait, Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar zu verlassen haben. Wenige Stunden später begannen die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien damit, katarische Medienplattformen zu verbieten. Die katarische Nachrichtenagentur QNA berichtete anschließend, dass die Nachricht auf dem Twitter-Konto des katarischen Außenministers auf eine Cyber-Attacke zurückzuführen sei. Doch dieses Argument stieß bei den Führungsspitzen in Saudi-Arabien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf taube Ohren.

Die Glückwünsche des Emirs von Katar am 17. Mai 2017 anlässlich der Wiederwahl des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani befeuerte den Streit zwischen Doha mit Riad und Abu Dhabi. In den Leitmedien Saudi-Arabiens erschienen zahlreiche Katar-kritische Artikel.

Als Gerüchte aufkamen, wonach Katar aus dem Golf-Kooperations-Rat (GCC) ausgeschlossen werden soll, stellte Saudi-Arabien auch noch die Legitimität des Emirs von Katar in Frage. "Diese scheinbar gut koordinierte saudisch-emiratische Druckkampagne auf Katar scheint auch eine starke amerikanische Lobby-Komponente zu haben", so Stratfor. Zum Ärger Katars führte die rechte und neokonservative US-Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies (FDD) am 23. Mai 2017 eine vorab vereinbarte Konferenz mit dem Titel "Katar und die Partner der Muslimbruderschaft: Eine neue US-Regierung denkt über eine neue Politik nach."

Auf der Konferenz und in darauffolgenden Artikeln und Op-Eds wurde Katar vorgeworfen, die Muslimbruderschaft zu unterstützen und die gewalttätigen Islamisten in der Region zu stärken. Es wurde eine Isolation Katars gefordert. Darüber hinaus argumentierten die Mitglieder der FDD, dass die Entscheidung er USA im Jahr 2003, wonach die US-Luftwaffe vom US-Luftwaffenstützpunkt Prince Sultan Air Base in Saudi Arabien zum Luftwaffenstützpunkt Al Udeid in Katar wechseln soll, nicht unumkehrbar sei.

Der Dissens innerhalb der GCC ist geopolitisch bedingt. Stratfor führt aus, dass die Emirate und Scheichtümer, die geographisch zwischen dem Iran und der arabischen Halbinsel liegen, immer auf einen Ausgleich zwischen Teheran und Riad bedacht gewesen seien, um ihre Existenz zu wahren. Saudi-Arabien gilt als "sunnitischer Riese" und der Iran als "schiitischer Riese".

So ist der Golf-Staat Kuwait auch das Nachbarland des Irak. An der Grenze zu Kuwait befinden sich mehrheitlich Schiiten, die als pro-iranisch einzustufen sind. Deshalb ist Kuwait sehr vorsichtig in seinem Umgang mit dem Iran. Mehr als ein Drittel seiner Bevölkerung besteht aus Schiiten. Kuwait ist nach Angaben von Stratfor gezwungen einen Ausgleich innerhalb seiner Bevölkerung, die aus schiitischen, sunnitischen, islamistischen und weltlichen Fraktionen besteht, zu schaffen.

Bahrain hat hingegen eine schiitische Mehrheitsbevölkerung, aber ein sunnitisches Königshaus. Die Insel ist geographisch über einen Damm an die arabische Halbinsel angebunden. Über den Damm haben saudische Truppen die Möglichkeit, nach Bahrain überzusetzen. Bahrain liegt an der Front des saudisch-iranischen Stellvertreterkriegs. Das Land ist im Bereich der inneren Sicherheit komplett von Riad abhängig. Ein Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien würde sich verheerend auf die innere Sicherheit des Landes auswirken, da auch in Bahrain die Schiiten teilweise zum Iran tendieren.

Das Sultanat Oman verfolgt eine Politik der Neutralität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien. Bilaterale Beziehungen mit den Iran und Saudi-Arabien sind wichtig für die Sicherheit des Landes. Es verfolgt eine Art der ausgleichenden Außenpolitik zwischen Teheran und Riad. Über die Straße von Hormuz ist der Iran der direkte Nachbar von Oman. Saudi-Arabien ist über den Landweg der direkte Nachbar von Oman.

Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten bisher ebenfalls wie Oman oder Kuwait eine pragmatische Politik gegenüber dem Iran verfolgt. Dies gilt nach Stratfor insbesondere für kommerzielle Angelegenheiten. Als der Iran unter Wirtschaftssanktionen litt, war Dubai zum Beispiel ein wichtiger Ort für iranische Geschäftsleute, um Briefkasten-Firmen zu gründen, so der US-Informationsdienst. Doch das Land sorgt sich um die Bestrebungen der Iraner in der Straße von Hormuz. Im Jahr 1971 hatte der Iran drei Inseln in der Straße von Hormuz beschlagnahmt – nur einen Tag bevor die Briten ihr Golf-Protektorat beendeten, um die Vereinigten Arabischen Emirate zu gründen. Die Vereinigten Arabischen Emirate, ökonomisch und politisch weitaus sicherer als Saudi-Arabien, seien auch nicht daran interessiert, unter einem saudischen Schutzschirm zu leben. Die Saudis werden von Abu Dhabi als wirtschaftspolitisch ungeschickt eingestuft. Auch im Jemen-Konflikt gibt es Differenzen. Während die Saudis im Jemen mit islamistischen Gruppen wie Al-Islah koalieren, bleiben die Vereinigten Arabischen Emirate ihrer anti-islamistischen Politik im Jemen treu, meint Stratfor.

Zum Schrecken der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens hat Katar über seinen Sender Al Jazeera eine große Rolle im Verlauf des Arabischen Frühlings gespielt. Mit medialer und politischer Unterstützung der Kataris und der Türken kam die Muslimbruderschaft in Ägypten an die Macht. Der Militärputsch gegen die Muslimbrüder wurde später von Riad und Abu Dhabi unterstützt.

Das South-Pars-Gasfeld im Persischen Golf wird gemeinsam vom Iran und von Katar ausgebeutet. Deshalb will Doha eine Arbeitsbeziehung mit Teheran aufrechterhalten.

Doch auch in Libyen gibt es verschiedene Linien der GCC-Staaten. Während Riad und Abu Dhabi den libyschen Warlord General Khalifa Hiftar unterstützen, setzt Katar sich für die Regierung in Tripolis, die auch von der UN gestützt wird, ein.

Stratfors Ausführungen zufolge gab es in der Vergangenheit in nahezu allen Bereichen, wo Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gemeinsam aufgetreten sind, einen Widerspruch von Katar.

Doch ohne Katar sei es nicht möglich, ein Sicherheitsbündnis innerhalb der GCC-Staaten zu gründen. Deshalb müsse Katar eingebunden werden, was wiederum angesichts der gegensätzlichen Interessen innerhalb des GCC schwierig sei. Der jüngste Iran-Streit zwischen Katar und Saudi-Arabien zeige unüberbrückbare Differenzen. Er habe das Potenzial, die "idealistische amerikanische Agenda" zur Schaffung einer "arabischen NATO" zu untergraben.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sehen in der Zusammenarbeit mit Trump eine Möglichkeit, Katars "rebellische Natur" zu entlarven und in die Schranken zu weisen, indem auch die Muslimbruderschaft als terroristische Organisation eingestuft wird. Katars nächste Schritte werden, so Stratfor, davon abhängen, inwieweit sich die USA in das saudisch-emiratische Spiel gegen Katar einlassen. Einerseits wollen die USA eine engere sunnitisch-arabische Koalition sehen und sie können die aktuelle Situation nutzen, ihre militärische Präsenz in Katar zu überdenken. Dadurch bestünde die Möglichkeit, Doha mit der saudischen Agenda in Einklang zu bringen. Doha könne in dieser Nachbarschaft nicht ohne einen externen Sicherheitsgaranten überleben  - obwohl die Türkei dabei ist, einen Militärstützpunkt in Katar zu errichten. Denn die Türken seien kein Ersatz für die USA.

Trotzdem würden es Katar und die Türkei besser als Washington und Riad verstehen, eine langfristige Strategie im Nahen Osten umzusetzen. Beispielsweise sei die Muslimbruderschaft in Ägypten nicht mit dem Militärputsch im Jahr 2013 verschwunden. Sie werde auch weiterbestehen, wenn sie als Terrororganisation eingestuft wird. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit in der gesamten Region werde die Menschen weiterhin in die Hände von islamistischen Parteien und Organisationen treiben. Ankara und Doha wollen diese Entwicklung für ihre Interessen nutzen.

US-Präsident Trump übernehme hingegen die kurzfristige Perspektive von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die eine "arabischen NATO" wollen. Doch ein derartiges Bündnis sei weder umsetzbar noch überlebensfähig, so Stratfor.

Nach dem Zerwürfnis zwischen Katar und führenden arabischen Staaten bemühen sich die Großmächte um eine Entspannung. Das US-Präsidialamt teilte mit, Präsident Donald Trump werde sich bemühen, die Lage zu deeskalieren. Die Vereinigten Staaten wollten keinen "dauerhaften Bruch" zwischen den Golf-Staaten, erklärte ein ranghoher Vertreter der Trump-Regierung. Sollten die Staaten des Golf-Kooperationsrates angesichts der Spannungen einen Sondergipfel anberaumen, werde ein US-Vertreter dazukommen, kündigte er an. "Wir wollen sie in die richtige Richtung bringen." Zugleich bekräftigte die US-Regierung die Kritik an Katar. Viele Handlungen des Emirats seien "einigermaßen besorgniserregend", nicht nur in den Augen der anderen Staaten der Region sondern auch aus US-Sicht.

Auch der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan riefen nach einem Telefonat zu einem Dialog zwischen den Konfliktparteien auf. Es müsse einen Kompromiss geben "im Interesse der Bewahrung von Frieden und Stabilität in der Golf-Region", erklärte das russische Präsidialamt am Montagabend.

Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain hatten am Montag bekanntgegeben, ihre diplomatischen Verbindungen zu Katar abzubrechen. Sie begründeten den beispiellosen Schritt mit dem Vorwurf, das Emirat finanziere den internationalen Terrorismus. Katar wies die Anschuldigungen als Lügen zurück und sprach von einer Kampagne zur Schwächung des Landes. Katar unterhält enge Beziehungen zum Iran, dem regionalen Gegenspieler Saudi-Arabiens.

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