US-Präsident Donald Trump hat am Mittwoch verkündet, dass er die jährliche legale Einwanderung in die USA auf 500.000 Personen halbieren möchte. Bei seinem Vorstoß geht es speziell um die Vergabe von Greencards. Künftig sollen die Ausbildung und Kompetenzen und nicht die familiären Beziehungen der Einwanderer für den Erhalt einer Greencard entscheidend sein. Der Vorschlag „wird die Armut verringern, die Löhne erhöhen und die Steuerzahler um Milliarden entlasten“, heißt es auf der Website des Weißen Hauses in einer entsprechenden Pressemitteilung.
Der diesbezügliche Gesetzesentwurf wurde von den US-Senatoren Tom Cotton und David Perdue ausgefertigt. Die neue Einwanderungsgesetzgebung soll sich an den Modellen Kanadas und Australiens orientieren. Nach Angaben der New York Times und der Financial Times gibt es unter den Demokraten im US-Repräsentantenhaus und im US-Senat keine große Zustimmung für Trumps Einwanderungs-Vorstoß. „Es wird schwer werden, den Gesetzesentwurf durch den Kongress zu bringen“, meint der US-Jurist Stephen Yale-Loehr von der Cornell University. In den USA leben derzeit 43,2 Millionen Einwanderer, was 13,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung ausmacht.
Der ausländische geborene Anteil ist mehr als doppelt so hoch wie 1960. Damals lag der prozentuale Anteil an der Gesamtbevölkerung bei nur 5,4 Prozent. Seit seinem Amtsantritt im Januar hat US-Präsident Trump durchgesetzt, dass illegale Einwanderer von den Behörden schneller abgeschoben werden. Als Folge davon soll nach Angaben der Financial Times in Kalifornien ein Arbeitskräftemangel entstanden sein. Die Landwirte seien gezwungen, die Ernte auf den Feldern verrotten zu lassen.
Im neuen Gesetzentwurf wird argumentiert, dass es zu viele ungelernte Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund gebe, die in Konkurrenz mit den ungelernten Amerikanern stehen. Dies führe zwangsläufig zu einem Lohnverfall, weil die Einwanderer bereit sind, für einen geringeren Lohn dieselbe Arbeit zu machen. Mark Krikorian, Direktor des Centers for Migration Studies, sagt, dass in den vergangenen 40 Jahren die inflationsbereinigten Löhne der ungelernten Amerikaner stetig zurückgegangen seien.
Das pauschale Urteil, wonach die ungelernten Einwanderer die Jobs ausüben, die die Amerikaner nicht machen wollen, ist Senator Cotton zufolge falsch. „Die Einwanderung lockert den Arbeitsmarkt und untergräbt die Verhandlungsmacht der amerikanischen Arbeiter, um höhere Löhne zu verlangen“, meint Cotton.
Die Penn Wharton University of Pennsylvania kritisiert diese Ansicht in einer Studie. „Eine populäre Ansicht ist, dass Einwanderer US-Amerikanern ihre Jobs wegnehmen. Allerdings: Während Einwanderer das Angebot an Arbeitskräften erhöhen, investieren sie ihre Löhne in Häuser, Lebensmittel, TVs und andere Waren und Dienstleistungen und erhöhen somit die inländische wirtschaftliche Nachfrage. Diese erhöhte Nachfrage wiederum erzeugt mehr Arbeitsplätze, um diese Häuser zu bauen, zu produzieren und zu verkaufen“, so die Universität in der Studie.
Sowohl illegale als auch legale Einwanderer würden einen Beitrag zum Staatshaushalt leisten. CBS News berichtet, dass derzeit 73,4 Prozent der im Ausland geborenen Einwanderer in den USA einer Beschäftigung nachgehen. Doch bei den in den USA geborenen Menschen liege dieser Anteil bei 71,1 Prozent. Einer Analyse der Small Business Administration zufolge sind 10,5 Prozent der US-Einwanderer selbstständig. Bei den gebürtigen Amerikanern liege dieser Anteil bei 9,3 Prozent, so CBS News. Einwanderer waren an der Gründung eines Viertels der Unternehmen beteiligt, die zwischen 1990 und 2005 gegründet wurden. Ein Drittel der Unternehmen, die zwischen 2006 und 2012 gegründet wurden, hatten mindestens einen Einwanderer als Existenzgründer.
Tom Jawetz vom Center for American Progress sagt, dass das Einwanderungs-System der USA in der Vergangenheit die familiären Bindungen als Faktor für die Einwanderung priorisiert habe. Die familiären Bindungen wurden als wichtiger Faktor für den sozialen Zusammenhalt gesehen. Einer Umfrage der Gallup Organization zufolge sollen 38 Prozent der Amerikaner gegen eine höhere Einwanderung sein. Ein etwa gleich-prozentualer Anteil sagt, dass die jährliche Einwanderung auf dem aktuellen Stand bleiben soll. Nur 21 Prozent der Amerikaner sind für eine höhere Einwanderung.
Yale-Loehr sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: "Erstens spricht das Gesetz inhaltlich nur einen Teil unseres gebrochenen Einwanderungssystems an. Die Festlegung eines Punktesystems zur Auswahl bestimmter Wirtschaftsmigranten könnte ein Element sein, aber wir müssen auch andere Schlüsselelemente ansprechen, wie zum Beispiel die geschätzten zehn Millionen undokumentierten Einwanderer in den USA,und wie man ein Gastarbeiterprogramm schafft, das sowohl fair gegenüber den Unternehmen als auch den US-Arbeitnehmern ist."
Yale-Loehr verweist auf unterschiedliche Notwendigkeiten in einigen Branchen: "Bestimmte Branchen in den USA wie die Landwirtschaft oder der Tourismus beschweren sich bereits darüber, dass es nicht genug US-amerikanische Arbeitskräfte gibt, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Sie sind abhängig von ausländischen Arbeitern. Die Beschneidung der ausländischen Arbeitskraft wird diesen Branchen nicht helfen, sondern schaden."
Das größte Problem für ein vernünftiges Einwanderungsgesetz ist die komplizierte Regierungspraxis in den USA. Yale-Loehr: "Die Rechnung des Gesetzes ist zu einfach. Es geht davon aus, dass wir nur Einwanderer für die Arbeit auswählen. Doch Wirtschafts-Migranten bringen ihre Familien, und andere Menschen, auf der Grundlage ihrer Familienbindungen mit, wenn sie in die USA kommen, um zu arbeiten. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, dass für alle funktioniert. Zweitens gibt es ein prozessuales Problem. Wie die Gesundheitsreform und die Steuerreform, ist auch die Einwanderungsreform komplex und umstritten. Nach vielen Jahren der Debatte und der harten Arbeit verabschiedete der US-Senat 2013 eine zweigliedrige umfassende Einwanderungsreform, aber dieser Gesetzesentwurf, wurde vom US-Repräsentantenhaus nicht gebilligt. Jedes Gesetz braucht einen überparteilichen Konsens. Das Gesetz aus dem Jahr 2013 scheiterte an dieser Anforderung. Ich sage voraus, dass der Kongress im Laufe des Jahres nicht mehr in der Lage sein wird, eine umfassende Einwanderungsreform zu verabschieden."