Banken in Deutschland verlangen von immer mehr Unternehmen Strafzinsen auf ihre Einlagen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Nach einer Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts ist mittlerweile fast jede fünfte Firma davon betroffen. Vor allem große und mittlere Gesellschaften treffe es, kleinere Unternehmen dagegen weniger. Bei rund acht Prozent der befragten Firmen hätten sich die Strafzinsen stark auf die Ertragslage ausgewirkt. Bei 39 Prozent sei der Einfluss auf die Gewinne weniger groß gewesen, 53 Prozent hätten gar keine oder nur unwesentliche Auswirkungen gespürt.
Für die Studie wurden 4000 Unternehmen aus Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungsbranche befragt. Die Europäische Zentralbank verlangt von Geschäftsbanken im Euro-Raum seit Sommer 2014 Strafzinsen, wenn diese überschüssige Liquidität über Nacht bei ihr horten. Seit Frühjahr 2016 liegt der sogenannte Einlagensatz bei minus 0,4 Prozent. Laut der Beratungsfirma Barkow Consulting summierten sich die Aufwendungen deutscher Banken für die Strafzinsen 2016 auf rund eine Milliarde Euro. Da die Lage vieler Institute nicht rosig ist, haben manche Banken damit begonnen, die Kosten auf ihre Kunden in Form höherer Gebühren abzuwälzen.
Der Studie zufolge versuchen die Unternehmen mehrheitlich, die Negativzinsen zu umgehen. Die häufigste Reaktion: Rund 49 Prozent der Firmen hätten mit ihren Geldhäusern Verhandlungen begonnen. Die Bank gewechselt hätten rund 36 Prozent, etwa 30 Prozent der Firmen hätten Gelder in andere Finanzanlagen umgeschichtet oder Kredite zurückgezahlt. Rund elf Prozent hätten ihre Investitionen erhöht oder vorgezogen. Nur acht Prozent der Firmen hätten die Negativzinsen akzeptiert.
Die Kreditinstitute in Deutschland bunkern nach Angaben von Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele zunehmend Bargeld, um die Strafzinsen zu vermeiden. „Innerhalb der letzten zwei Jahre haben die deutschen Kreditinstitute zehn Milliarden Euro in ihren Tresoren zusätzlich gelagert, um Negativzinsen zu entgehen“, sagte Thiele. „Ich erwarte, dass diese Entwicklung weitergehen wird.“ Der Kassenbestand der Institute ist einer Bundesbank-Statistik zufolge in den vergangenen Monaten gestiegen.
Die Aufbewahrung von Bargeld im Tresor ist allerdings nicht umsonst. Für die Lagerung im größeren Stil müssen im Zweifelsfall extra Räume gemietet werden. Hinzu kommen Kosten für den Transport des Geldes und für Versicherungsprämien.
Die zunehmenden Beschränkungen, denen Bargeld ausgesetzt ist, haben aus Sicht von Beobachtern deshalb auch den Zweck, die Kontrolle der Zentralbank EZB auf die Banken und Bürger zu verstärken.