Der deutsche Gasnetzbetreiber Gascade Gastransport GmbH plant, künftig Gas von der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 nach Polen und Tschechien weiterzuleiten, berichtet Bloomberg. Das Unternehmen befindet sich derzeit in Gesprächen mit Investoren, um die dafür nötige Pipeline bauen zu können.
Die geplante Anbindungsleitung nennt sich EUGAL. Sie wird eine jährliche Kapazität von 51 Milliarden Kubikmeter haben und etwa 485 Kilometer lang sein. Die Netzverbindungspunkte von EUGAL befinden sich in Lubmin (Brandenburg) und im Radeland (Brandenburg). Die Exportstation soll in Deutschneudorf (Sachsen, deutsch-tschechische Grenze) gebaut werden. Nach Angaben der EU-Kommission befindet sie sich im Besitz der W&G Beteiligungs-GmbH & Co. KG. Die W&G Beteiligungs-GmbH & Co. KG befindet sich wiederum zu 50,02 Prozent im Besitz von Wintershall und zu 49,98 Prozent im Besitz des russischen Gas-Riesen Gazprom.
Auf der Projektwebseite von EUGAL heißt es: „Das Erdgastransportnetz im Herzen Europas wird robuster und flexibler: Die Europäische Gas-Anbindungsleitung (EUGAL) stärkt verlässlich die deutsche und europäische Erdgasversorgung. Sie wird auf einer Länge von rund 485 Kilometern von der Ostsee durch Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bis in den Süden Sachsens und von dort über die Grenze in die Tschechische Republik verlaufen. Noch steht das Vorhaben am Anfang. Doch bereits Ende 2019 wird Erdgas durch den ersten Leitungsstrang der EUGAL fließen.“
Ein Sprecher von Gascade sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Wir sind überzeugt, dass die Europäische Gas-Anbindungsleitung kommen wird. Mit der Marktabfrage ‚more capacity‘ haben wir vor allem der zuständigen Regulierungsbehörde – der Bundesnetzagentur – einen wichtigen Beweis geliefert, dass der Transportbedarf für das Erdgas existiert. Zudem unterliegt EUGAL komplett der deutschen Regulierung, sodass Drittstaaten keinen Einfluss darauf nehmen können. Unsere Genehmigungsprozesse laufen nach Plan. Wir sehen keinen Anlass, dass wir die notwendigen Genehmigungen nicht erhalten werden."
Ein Sprecher der Bundesnetzagentur sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die EUGAL soll im Wesentlichen dem Transport von Gas aus der Nord Stream 2 nach Tschechien dienen. Zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Netzentwicklungsplans 2016-2026 war es angezeigt, lediglich die für die deutsche Versorgung erforderlichen Gasmengen aus der Nord Stream 2 und den damit zusammenhängenden Bedarf an Gasnetzkapazitäten zu berücksichtigen. Darüber hinausgehende Bedarfe, wie der o.g. Transitbedarf nach Tschechien, standen zu diesem Zeitpunkt noch nicht hinreichend fest. In der Folge dessen ist die EUGAL noch nicht im Netzentwicklungsplan enthalten. Diese Tatsache lässt allerdings keinen Rückschluss auf eine fehlende energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Projekts zu. Aus Sicht der Bundesnetzagentur besteht eine hohe Realisierungswahrscheinlichkeit für die EUGAL, sollte die Nord Stream 2 gebaut werden."
In Polen wird das Projekt mit Argwohn beäugt. Das polnische Center for Eastern Studies (OSW) führt in einer Analyse aus: „Die Umsetzung von EUGAL würde eine maximale Kapazität von 87 Milliarden Kubikmeter erreichen, um Gas von Nord Stream 1 und 2 nach Süden an die tschechisch-deutsche Grenze zu liefern. Ein Teil des Gases könnte nach Süddeutschland geliefert werden. Doch der Großteil würde in die Tschechische Republik, die Slowakei und an die österreichische CEGH-Zentrale bis in die Märkte Mitteleuropas, des Balkans und Italiens sowie in die Ukraine fließen. Es könnten auch elf Milliarden Kubikmeter über die Verbindung Kienbaum-Mallnow nach Polen fließen. Mitteleuropa wäre damit nicht nur ein Exportmarkt, sondern auch ein wichtiges Bindeglied in der weiteren Verteilung des russischen Gases, das über die Ostsee nach Deutschland fließt. Insbesondere würde die Transit-Bedeutung der Tschechischen Republik steigen. Nord Stream 2 und EUGAL würde es ermöglichen, die Transitrolle der Ukraine zu marginalisieren, und deren Infrastruktur nur für den Transit von Gas nach Moldawien und der Türkei zu nutzen.“
Das OSW vertritt die Ansicht, dass Gazprom seine Rolle als Gaslieferant in Europa mit dem Bau von EUGAL ausbauen und eine Diversifizierung der Energieressourcen in Mitteleuropa verhindern könnte. Die Rolle der Gas-Verbindungen nach Deutschland würde wichtiger werden, was zu einer Stärkung Deutschlands im europäischen Gastransit führen würde. Die polnische Regierung hingegen hat eigene Ziele: Sie möchte das Land ebenfalls zu einem Energie-Drehkreuz für Europa ausbauen.