Finanzen

EZB fürchtet Überschießen beim Wechselkurs des Euro

Lesezeit: 2 min
18.08.2017 01:51
Die EZB fürchtet, dass der Euro zu stark werden könnte und interveniert verbal.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Frank Siebelt von Reuters analysiert die aktuelle Lage des Euro:

Die Euro-Aufwertung bereitet der Europäischen Zentralbank (EZB) Kopfschmerzen. Die Ratsmitglieder werten das deutliche Kursplus seit Jahresbeginn zwar auch als Ausdruck verbesserter Konjunkturperspektiven im Euro-Raum, wie aus den Protokollen der Zinssitzung vom 20. Juli hervorgeht, die am Donnerstag veröffentlicht wurden, dennoch heißt es darin: "Sorgen über das Risiko wurden zum Ausdruck gebracht, dass der Wechselkurs in der Zukunft überschießen könnte." Der Euro hat seit Jahresanfang bis zu der Zinssitzung mehr als elf Prozent zum Dollar zugelegt. Ein starker Euro macht Waren hiesiger Firmen auf dem Weltmarkt teurer und verschlechtert dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Die Finanzmärkte reagierten sofort auf die ungewöhnlich deutlichen Aussagen der EZB. Die Gemeinschaftswährung fiel zeitweise mit 1,1662 Dollar auf ein Drei-Wochen-Tief. "Das war eine klare verbale Intervention der EZB. Damit unterstützt die EZB die exportabhängige Wirtschaft der Euro-Zone," erklärte Thomas Altmann, Fondsmanager vom Brokerhaus QC Partners. Die deutsche Wirtschaft profitiere besonders, wenn der Euro schwächele. Marktanalyst Simon Derrick vom Vermögensverwalter BNY Mellon ergänzte: "Die Wahrheit ist, dass die EZB sich gewiss mehr Sorgen macht, als der Markt das bislang vermutet hat."

Die Wirtschaft der Euro-Zone war im zweiten Quartal um 0,6 Prozent gewachsen. Damit fiel das Plus genauso kräftig aus wie in den USA, die sich konjunkturell wesentlich früher von den Folgen der weltweiten Finanzkrise erholt hatten. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft des Währungsraums, erwies sich allerdings der Außenhandel eher als Wachstumsbremse. Dabei spielte auch der Euro-Höhenflug eine Rolle.

Vor einer Kursänderung schreckt die Euro-Notenbank weiterhin zurück. Die Inflationsdynamik sei nur verhalten und es bestünden immer noch erhebliche Unsicherheiten. Geduld sei angebracht, bis die Teuerung stärker anziehen werde. Sie war im Juli immer noch deutlich hinter dem Ziel der EZB zurückgeblieben. Trotz der ultra-lockeren Geldpolitik nahmen die Verbraucherpreise nur um 1,3 Prozent zu. Damit fiel der Preisanstieg genau so schwach aus wie im Juni. Die EZB strebt als optimalen Wert für die Wirtschaft knapp zwei Prozent an, verfehlt dieses Ziel aber seit langem.

Die Euro-Wächter wollen daher besonders vorsichtig agieren, was auch für ihre Kommunikation mit den Finanzmärkten gilt. "Es wurde generell zu diesem Zeitpunkt als höchst bedeutsam angesehen, Signale zu vermeiden, die überinterpretiert werden und sich als voreilig erweisen könnten", hieß es in den Protokollen weiter. Notenbank-Chef Mario Draghi hatte zuletzt angekündigt, dass der EZB-Rat im Herbst über die Zukunft der billionenschweren Anleihenkäufe diskutieren wird. Experten gehen davon aus, dass die Notenbank – sollten Konjunktur und Inflation mitspielen – ab Januar 2018 die vor allem in Deutschland umstrittenen Transaktionen verringern könnte.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...