Politik

Türkei kauft russisches Raketenabwehrsystem S-400

Das NATO-Land Türkei hat das russische Raketenabwehrsystem S-400 erworben.
12.09.2017 17:17
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Es ist der größte jemals geschlossene Rüstungsverträge des NATO-Landes Türkei mit Russland: Die Regierung in Ankara kauft das Raketenabwehrsystem S-400. Beide Seiten bestätigten am Dienstag eine entsprechende Vertragsunterzeichnung, berichtet AFP. Während die USA die Pläne bereits im Vorfeld kritisiert hatten, wurde in Deutschland weiter über einen Stopp deutscher Rüstungsexporte in die Türkei diskutiert.

Der Vertrag sei nun unterzeichnet worden, sagte der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan laut türkischen Medienberichten vom Dienstag. Seiner Kenntnis nach sei bereits eine Anzahlung erfolgt. Russlands Präsident Wladimir Putin und er selbst seien bei diesem Thema „entschlossen“, sagte Erdogan vor Journalisten und wies zugleich Kritik an dem Geschäft zurück.

Niemand habe das Recht, die Prinzipien der Unabhängigkeit der Türkei oder unabhängige Entscheidungen zur Verteidigungsindustrie zu hinterfragen, sagte Erdogan den Medienberichten zufolge. „Wir treffen die Entscheidungen über unsere eigene Unabhängigkeit selbst, wir sind verpflichtet, Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um unser Land zu verteidigen.“

Auch Moskau bestätigte den Rüstungsvertrag. Putins Militärberater Wladimir Koschin sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, der Vertrag sei unterzeichnet, die Umsetzung werde nun in die Wege geleitet. Alle Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Vertrag entsprächen den strategischen Interessen Russlands. „Aus diesem Grund verstehen wir die Reaktionen mehrerer westlicher Länder vollkommen, die versuchen, Druck auf die Türkei auszuüben.“

Der Kauf des Raketenabwehrsystems von einem Nicht-NATO-Mitglied dürfte im Westen Sorge hinsichtlich der technischen Kompatibilität mit der Ausrüstung der Militärallianz hervorrufen.

Das US-Verteidigungsministerium hatte bereits vor dem Abschluss des Vertrags zwischen der Türkei und Russland erklärt, es sei „generell eine gute Idee“, wenn NATO-Verbündete vollständig kompatibles Material kauften. Womöglich gebe es bei der Verwendung russischer Technologie Schwierigkeiten bei der militärischen Zusammenarbeit innerhalb der westlichen Allianz.

Die Türkei ist seit 1952 Mitglied der NATO. Die Beziehungen zwischen Ankara und Washington sind derzeit angespannt, unter anderem wegen der US-Unterstützung für die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien, welche die Türkei als Terrororganisation einstuft.

Angesichts der ebenfalls äußerst angespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland wurde am Dienstag weiter über einen Stopp deutscher Rüstungsexporte an Ankara diskutiert. Unions-Außenexperte Jürgen Hardt (CDU) wandte sich in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Dienstag gegen einen solchen Stopp. Die Solidarität innerhalb der NATO gebiete es, „dass wir Wünsche der Türkei nach Rüstungslieferungen grundsätzlich wohlwollend prüfen und umsetzen“, sagte Hardt. Alles andere wäre eine Schwächung der NATO und „eine substantielle Gefährdung unserer Sicherheitsinteressen“.

Er reagierte damit auf Forderungen der Grünen, die Rüstungsexporte an die Türkei einzustellen. Allerdings hatte auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) am Montagabend in Berlin gesagt, die Rüstungsexporte an die Türkei seien zu einem großen Teil auf Eis gelegt worden.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland hatten sich indes zuletzt wieder verbessert. Nachdem die türkischen Streitkräfte 2015 ein russisches Kampfflugzeug an der syrischen Grenze abgeschossen hatten, waren die Beziehungen auf einem Tiefpunkt, inzwischen haben sich beide Mächte aber wieder angenähert. Ankara hatte sich bei Moskau für den Vorfall entschuldigt und begrüßte zudem die russische Reaktion auf den gescheiterten Militärputsch in der Türkei im vergangenen Jahr.

Die Zeitung Welt sieht in dem Deal ein Wegdriften der Türkei von der NATO. Die Zeitung kommentiert:

"Die Systeme, um die es geht, sind hochentwickelt und durchaus geeignet, westlichen Produkten den Luftraum zu versperren, ob israelisch, europäisch oder amerikanisch. Sie brauchen auch Einweisung, technische Bedienung und Wartung, da kommen russische Militärs zum Zuge. Mehr noch, die Flugabwehr der Türkei muss entweder via NATO mit westlichen Systemen weiterhin verbunden sein – was den Russen Zugang zu den militärischen Intimitäten des westlichen Verteidigungsbündnisses eröffnen würde, oder die NATO muss ihre Verbindungen zur türkischen Luftwaffe auf das absolute Minimum reduzieren. Dann ist die Türkei nur noch im Namen Mitglied des atlantischen Verteidigungssystems. Wie immer man es betrachtet, Putin hat gewonnen, der Westen hat verloren."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...