Politik

Jugend ohne Jobs in Europa: System bevorzugt ältere Arbeitnehmer

Die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist einer der Gründe für den Erfolg von Protest-Parteien wie zuletzt in Italien. Die Kritik der Jugendliche an einem System, welches sich durch Korruption und Nepotismus selbst erhält, ist auch ein Protest gegen die eigene Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.
27.02.2013 15:54
Lesezeit: 2 min

Seit mehr als zehn Jahren ist in der EU die Jugend-Arbeitslosigkeit etwa doppelt so hoch wie die Gesamt-Arbeitslosigkeit. Unbeeindruckt davon, ob die Wirtschaft wächst oder schrumpft, hat sich dieses Verhältnis von 2:1 kaum geändert. Doch bisher war dieses Verhältnis nicht so akut, sagte Stefan Vetter, Ökonom bei der Deutschen Bank, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. Da nun aber die allgemeine Arbeitslosigkeit in der EU so stark angestiegen sei, habe auch die Jugendarbeitslosigkeit „absolut bedrohliche Ausmaße“ angenommen.

Aktuell sind in der EU 7,5 Millionen Jugendliche arbeitslos, 30 Prozent von ihnen länger als ein Jahr. In Spanien und Griechenland liegt die Jugend-Arbeitslosigkeit bei über 50 Prozent. Auch in Frankreich sind inzwischen 25 Prozent der Jugendlichen arbeitslos (mehr hier). Deutschland fällt etwas aus dem Rahmen, da hierzulande die Jugend-Arbeitslosenquote mit 8 Prozent nur etwa 1,5-mal so hoch ist wie die Gesamtquote. Die Ursache sei das im Vergleich bessere Ausbildungssystem, das den Jugendlichen den Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtere, sagte Vetter.

Dass die Jugend-Arbeitslosigkeit etwas höher ist als die Gesamtarbeitslosigkeit, sei an sich noch nicht überraschend, sagt Vetter. Denn junge Menschen seien oft noch nicht in ihrer Berufsentscheidung festgelegt und nähmen eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit in Kauf, um einen besseren Job zu finden. Doch dieses Phänomen erkläre bei weitem nicht, dass die Jugend-Arbeitslosigkeit doppelt so hoch ist wie die Gesamtarbeitslosigkeit, so der Ökonom.

„Die Älteren haben besser abgesicherte Jobs“, sagte Vetter. Sie seien daher weniger von Job-Abbau betroffen als die Jüngeren. Dies hänge auch damit zusammen, dass Jugendliche weniger politischen Einfluss haben als die Älteren. „Die 16- und 17-jährigen dürfen noch nicht einmal wählen“, sagte Vetter. Ältere Arbeitnehmer werden durch viele Elemente des Systems geschützt: Das Sozialsystem macht es wesentlich teurer für Unternehmen, einen langjährigen Mitarbeiter zu entlassen. Wenn ein Abbau ansteht, trifft es zuerst die Jungen, weil sie oft noch keine Familie haben. Die Gewerkschaften setzen sich nur für die Arbeitnehmer ein, die schon einen Job haben. Den Jugendlichen bleibt als einzig wirksame Form der Auflehnung der öffentliche Protest. Weil viele Jugendliche aber ihrer Natur nach keine Randalierer sind, suchen sie Modelle der Zwischenfinanzierung: Diese reichen vom „Hotel Mama“ bis zu Hartz IV.

Den Teufelskreis, in den sie dabei geraten, merken die Jugendlichen of erst, wenn es zu spät ist: Wenn sich ein 35jähriger um einen Job bewirbt und in seinem Lebenslauf nur Stipendien, Auslandaufenthalte und Praktika aufzuweisen hat, sinken seine Chancen auf einen Job rapide - und zwar für immer.

Das Unbehagen über die ungleichen Chancen am Arbeitsmarkt dürfte auch einer der Gründe für die radikalen Veränderungen in der politischen Landschaft sein. In Italien etwa ist die Jugend-Arbeitslosigkeit sogar 3,3-mal so hoch wie die normale Arbeitslosigkeit. Es ist kein Zufall, dass Beppe Grillos Bewegung Movimento 5 Stelle vor allem von jungen Leuten getragen wird. Ihre Kritik am System, welches sich durch Korruption und Nepotismus selbst erhält, ist auch ein Protest gegen die eigene Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.