Politik

Söldner und IS wollen sich in Syrien nicht geschlagen geben

Unmittelbar vor der nächsten Runde der UN-Gespräche in Genf haben Söldner und IS-Kämpfer neue Offensiven gegen die von Russland unterstützte syrische Armee gestartet.
28.11.2017 01:17
Lesezeit: 3 min

Sechs russische Tu-22M3-Langstreckenbomber haben am Sonntag nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass einen Luftangriff gegen die Terror-Miliz ISIS in der syrischen Provinz Deir Ezzor ausgeführt. Das russische Verteidigungsministerium meldete, dass dabei Kommandozentrale und ISIS-Kämpfer getroffen wurden. „Alle genannten Ziele wurden getroffen”, so das Ministerium. Drohnen sollen die Ergebnisse des Bombardements aufgezeichnet haben. Die Operation wurde von Kampfflugzeugen der Klassen Su-30SM und Su-35S unterstützt, die am Hmeimim-Flugplatz stationiert sind.

Das Middle East Eye berichtet, dass am Wochenende auch Luftschläge gegen Stellungen von Söldnern in der Region Ost-Ghouta ausgeführt worden sein sollen. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA führt aus, dass Söldner die vereinbarte Waffenruhe in den De-Eskalationszonen in Aleppo und Hama sowie in Damaskus verletzt haben sollen. Sie sollen Angriffe auf Viertel in Damaskus, auf die Al-Walid-Mühle und auf das Khirbet Ghazaleh-Elektrizitätswerk in der Umgebung von Daraa durchgeführt haben. Dabei kamen zehn Zivilisten ums Leben. Alleine von Freitag auf Samstag soll es nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums in Aleppo, Hama und Damaskus sieben Verletzungen der Waffenruhe gegeben haben.

Der Bruch der Waffenruhe stellt einen Verstoß gegen die Einigung Russlands, der Türkei und des Iran dar, wonach in den syrischen De-Eskalationszonen keinerlei bewaffnete Auseinandersetzungen ausgetragen werden dürfen. Die De-Eskalationszonen befinden sich entweder teilweise oder komplett in den Provinzen Idlib, Homs, Latakia, Aleppo, Hama sowie Ost-Ghouta.

Die Vorwürfe gegen die syrische Regierung kommen einen Tag vor einer neuen Verhandlungsrunde der Friedensgespräche in Genf (28. November), zu der die UN auch die syrische Regierung eingeladen hatte. Syriens Präsident Baschar al-Assad soll nach einem Bericht der Zeitung Al-Watan, die Teilnahme an den Gesprächen verschoben haben, so der englischsprachige Dienst von Reuters.

Alistair Burt, britischer Staatssekretär für die Angelegenheiten des Nahen Ostens, sagte am Donnerstag auf einer Konferenz der Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI), dass ISIS nicht unterschätzt werden dürfe. Die Organisation mag zwar Territorien eingebüßt haben, doch ihr Einfluss sei weiterhin groß.

„Es besteht kein Zweifel daran, dass die Bedrohung für uns alle weiter wächst (...). Selbst wenn wir sehen, dass ISIS auf dem physischen Schlachtfeld zurückgedrängt wird, wissen wir, dass die Organisation weiterhin eine Bedrohung in der Region darstellen wird (...). Daesh ist immer noch in der Lage, Menschen zu inspirieren”, zitiert CNBC Burt.

Der US-Sender führt aus, dass die Aussage des iranischen Präsidenten Hassan Ruhani, wonach ISIS besiegt wurde, viel zu verfrüht getroffen wurde. Schiraz Maher, Vize-Direktor des Internationalen Zentrums für die Erforschung von Radikalisierung und politischer Gewalt (ICSR) am King's College London, sagte auf der Konferenz am RUSI: „ISIS ist noch da. Sie bleibt ein Akteur am Boden. ISIS wird sich in die Wüste zurückziehen, um sich neu zu gruppieren, zurückzukehren und weiter zu kämpfen”.

Gilles de Kerchove d'Ousselghem, Anti-Terror-Koordinator der EU, fügte auf der Konferenz hinzu, dass er mit einer Reihe von Rückkehrern rechne, die nach Europa kommen werden. Diejenigen ISIS-Kämpfer, die nach Europa zurückkehren, müsse die EU an der Grenze stoppen.

ISIS werde nach Angaben des Jane's Terrorism and Insurgency Centre (JTIC) von nun asymmetrische Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten ausführen. Im September führte ISIS 22 Selbstmordattentate, was zu 93 Todesopfern führte. Im Oktober ging die Anzahl der Selbstmordattentate auf 15 und sieben Todesopfer zurück. Bemerkenswerterweise wurden 80 Prozent dieser 15 Angriffe entweder von den Sicherheitskräften vor der Detonation vereitelt oder führten nur zu Todesfällen bei den Angreifern, so das JTIC.

Der Leiter der UN-Mission im Irak, Jan Kubis, hatte einen Tag zuvor im Rahmen eines Briefings des UN-Sicherheitsrats gesagt, dass ISIS noch nicht vollständig „erledigt” sei. „ISIS ist besiegt, aber noch nicht vollständig erledigt. Ich fordere die Koalitionsstreitkräfte, die Länder in der Region und die internationale Gemeinschaft auf, den ISIS zu vernichten und die militärischen und andere Anstrengungen fortzusetzen, um die Stabilität im Irak und in der Region zu gewährleisten”, zitiert die Nachrichtenagentur Anadolu Kubis. Die UN führt in einer Mitteilung aus: „Er (Jan Kubis, Anm. d. Red.) (...) begrüßte die Bemühungen der Russischen Föderation, des Iran und der Türkei und wies darauf hin, dass sie auch an einer Lösung arbeiten würden, die alle terroristischen Banden in Syrien beseitigen würde.”

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben ISIS-Verbände im Norden der Provinz Hama und bei Idlib unerwartet acht Dörfer von der Nachfolgeorganisation der Al-Nusra-Front, Hayat Tahrir al-Scham (HTS), erobert. Zu den eroberten Dörfern gehören Abu Hariq, Ma'sarah, Abu Kusur, Tulayhat, Aliya, Suruj, Abu Marw und Umm Sahnk, berichtet die libanesische Zeitung Al Modon. Dies ist das zweite Mal, dass ISIS in der Lage war, ein bedeutendes Gebiet in der Region zu erobern, ohne dass nennenswerter Widerstand geleistet wurde. Mittlerweile sollen insgesamt 20 Dörfer in der Region unter der Kontrolle von ISIS sein.

Der russische Präsident Wladimir Putin und seine Amtskollegen Erdogan und Ruhani hatten noch am Mittwoch einen Sieg über die internationalen Söldner und ISIS verkündet. Der Pressedienst des Kremls zitiert Putin: „Großangelegte Militäroperationen gegen Terrorgruppen in Syrien gehen dem Ende zu. Ich stelle fest, dass dank der Bemühungen von Russland, Iran und der Türkei der Zusammenbruch Syriens und seine Übernahme durch internationale Terroristen verhindert, und eine humanitäre Katastrophe vermieden werden konnte.”

Erdogan hatte zuvor nach Angaben der Nachrichtenagentur Ihlas gesagt: „Der Erfolg der Operation ,Euphrates Shield’ liegt darin, dass der aufgeblasene ISIS-Ballon zum Platzen gebracht wurde. Über Jahre hinweg wurde uns ISIS als ein unbesiegbares Monster präsentiert. Die Türkei hat der Welt gezeigt, was für eine hohle und leere Organisation ISIS ist. In Dscharabulus, Al-Rai und Al-Bab haben wir eine Fläche von 2.000 Quadratkilometer befreit und dabei 3.000 ISIS-Kämpfer unschädlich gemacht. ISIS wurde aus Syrien und dem Irak so gut wie gesäubert.”

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