Politik

Erdogan stellt Grenze zwischen Griechenland und der Türkei in Frage

Zwischen der Türkei und der EU könnte es zu einem Konflikt über eine gemeinsame Grenze geben.
26.12.2017 23:27
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat im Dezember bei dem ersten Besuch eines türkischen Staatschefs in Griechenland seit 65 Jahren für Irritationen gesorgt. Wie der Guardian berichtet, habe Erdoğan seine Gastgeber überrascht, indem er eine Revision des Vertrages von Lausanne von 1923 forderte. Für diese Forderung erntet der türkische Präsident in der Türkei scharf Kritik von Seiten der Opposition.

Der Vertrag von Lausanne bildet den Abschluss des vierjährigen griechisch-türkischen Krieges, der vom britischen Premier David Lloyd George entfacht und gefördert wurde, und regelte die Grenzziehung zwischen Griechenland und der Türkei sowie die Rechte der religiösen Minderheit im jeweils anderen Land. Weitere Vertragspartner waren Großbritannien, Frankreich, Rumänien, Japan, Italien und das Königreich Jugoslawien. Der Vertrag bildet die Grundlage des modernen Griechenlands und der modernen Türkei.

Erdoğan warf bei seinem Besuch in Athen der griechischen Regierung vor, der türkischen Minderheit entgegen den Zusagen in dem Vertrag nicht die Wahl von Muftis zu erlauben. Stattdessen würden die religiösen Rechtsgelehrten von der Regierung ernannt.

„Dieser Vertrag ist für uns nicht verhandelbar. Er erfordert weder eine Revision noch eine Aktualisierung“, sagte der griechische Präsident Prokopis Pavlopoulos bei seiner Zusammenkunft mit Erdoğan in Athen. Der türkische Präsident hatte vor seiner Abreise nach Athen in einem Interview mit dem griechischen Sender Skai TV den Vertrag von Lausanne in Frage gestellt. Luftraum und die Seegrenze könnten „verbessert“ werden, sagte Erdoğan.

In dem Vertrag von Lausanne waren Griechenland 1923 praktisch alle Ägäis-Inseln vor der türkischen Küste zugeschlagen worden. Seitdem gibt es Streit um den genauen Verlauf der Grenze. Die Regierung in Athen reagierte verärgert und mahnte, Erdoğans Besuch solle „Brücken bauen, nicht Mauern“.

Seit mehreren Monaten fühlt sich die Türkei in der Ägäis von Griechenland provoziert. Am 16. April 2017 flogen der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos und der Oberkommandierende der griechischen Streitkräfte, Alkiviadis Stefanis, auf die Insel Agathonisi direkt vor der türkischen Küste, berichtet die griechische Tageszeitung Elefteros Typos. Dort führten sie mit mehreren Soldaten eine Aktion durch. Es wurden gemeinsam Lämmer am Spieß gebraten. Diese symbolische Aktion geht auf die griechische Besatzung der Türkei von 1919 bis 1922 zurück. Damals hatten die griechischen Besatzer in den eroberten Gebieten der Türkei demonstrativ Lämmer am Spieß gebraten, um den Türken zu verdeutlichen, dass sie am Ende seien, berichtet die Zeitung Sözcü.

„Gewisse Dinge müssen sich ändern“, forderte Erdoğan. Der Schutz der Rechte der ethnischen Türken habe für ihn „Top-Priorität“. Er will am Freitag die türkische Minderheit in der nordgriechischen Region Thrakien besuchen. Erdoğan war 2004 und 2010 als Regierungschef zwei Mal in Athen. Es ist aber der erste Besuch eines türkischen Staatschefs in Griechenland seit 1952.

Erdoğan kritisierte in Athen auch die Umsetzung des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei. Die EU habe „keines ihrer Versprechen im wirtschaftlichen Bereich erfüllt“, wohingegen sein Land alle Zusagen eingehalten habe, sagte Erdoğan. Er wirft der EU seit langem vor, nicht ihren Teil des Abkommens von März 2016 zu erfüllen, darunter die Zahlung von Hilfsgeldern.

Ministerpräsident Alexis Tsipras lud Erdoğan bei einer gemeinsamen Pressekonferenz ein, „ein neues Kapitel in den griechisch-türkischen Beziehungen aufzuschlagen, das nicht auf Provokationen begründet ist“. Zudem drängte er ihn, Reformen in der Türkei zu beschleunigen. Der Beitrittsprozess der Türkei zur EU ist seit dem Putschversuch von Juli 2016 und der anschließenden massiven Repression gegen Oppositionelle an einem toten Punkt.

Unter Erdoğans Regierung hat sich das historisch schwierige Verhältnis zu Griechenland eigentlich verbessert, und Erdoğan unterhält gute Beziehungen zu Tsipras. Ankara wirft dem Nachbarn aber vor, Beteiligten am gescheiterten Militärputsch Zuflucht zu bieten. Tsipras versicherte vor Erdoğans Besuch, Putsch-Verdächtige seien „nicht willkommen“ in Griechenland.

Besonders brisant ist der Fall von acht Militärangehörigen, die nach dem Putschversuch in einem Hubschrauber nach Griechenland geflohen waren. Erdoğan beklagte in dem Interview am Mittwoch, Tsipras habe deren Auslieferung an die Türkei versprochen, doch sei dies noch immer nicht geschehen. Wenn die Frage in den Händen der Justiz bliebe, werde es kein Ergebnis geben, sagte er.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...