Deutschland

Erste Anzeichen für Fachkräftemangel bei deutschen Unternehmen

In der deutschen Wirtschaft zeigen sich erste Fälle von fehlenden qualifizierten Mitarbeitern.
06.01.2018 21:59
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Aufschwung der deutschen Konjunktur stößt inzwischen an erste Grenzen. In einigen Bereichen sprechen die deutschen Wirtschaftsweisen deshalb von gewissen „Anspannungen“, die deutlich werden. Dabei sehen führende Ökonomen das größte Problem im sich abzeichnenden Fachkräftemangel.

Der Fachkräftemangel wird beispielsweise zunehmend in der Baubranche sichtbar. Wie der Chefvolkswirt des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Heiko Stiepelmann, erklärt, könne dies auf längere Sicht das Umsatzwachstum bremsen. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts klagt bereits fast jedes fünfte Unternehmen über den Arbeitskräftemangel, der die Bautätigkeit in ihrer Gesamtheit behindere.

Im November 2017 erreichte die Zahl der erwerbslosen Baufacharbeiter mit 15.600 einen historischen Tiefstand. Als Folge davon zeigt sich ein Phänomen, das in Deutschland lange Zeit nicht zu beobachten war: Die Unternehmen jagen sich gegenseitig geeignete Mitarbeiter ab. Rund 22 Prozent der betroffenen Manager erklärten, im zurückliegenden halben Jahr mit Abwerbungen konfrontiert worden zu sein. „Selbst im Wiedervereinigungsboom war der Anteil mit 13 Prozent deutlich niedriger“, sagt Stiepelmann. Fachkräftesicherung sei für mehr als drei Viertel der Baubetriebe ein Problem.

Auch im Handwerk kommt es immer häufiger zu Engpässen. Wer fachkundige Hilfe benötigt, muss immer öfter wochenlang darauf warten. Die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe sind so gut gefüllt, dass unter Umständen viele Wochen ins Land gehen, bis die Nachfrage befriedigt werden kann. Beim Zentralverband des Deutschen Handwerks lautet die Auskunft: „Es kann zu Wartezeiten kommen.“ Und auch hier sei der Fachkräftemangel die Ursache: 40 Prozent der Unternehmen klagen darüber, offene Stellen seien kaum zu besetzen. Darüber hinaus ist das Angebot an Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt nach dem jahrelangen Aufschwung sehr dünn. Eine immer größere Anzahl von Jugendlichen drängt es nach einem Studium statt einer Lehre. Und findet darin seinen Niederschlag: Ende des Jahres 2016 blieben 14.000 Lehrstellen unbesetzt.

Laut dem jüngsten Gutachten der Wirtschaftsweisen für die Bundesregierung erfordere der Aufbau neuer Kapazitäten Zeit: „In der Zwischenzeit wird die Anspannung in der Wirtschaft zunehmen, es wird schwieriger, Arbeitskräfte zu finden, und im Produktionsablauf werden verstärkt Engpässe auftreten, so dass sich Aufträge stauen und die Lieferzeiten steigen.” Nach dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) bewege sich Deutschland in großen Schritten in Richtung Hochkonjunktur. Eine Hochkonjunktur ist neben einem starken Wachstum durch kräftig steigende Preise und Löhne gekennzeichnet.

Der Anstieg bei Löhnen und Preisen hat die Ursache in der Bedrohung, dass Unternehmen ihre Dienstleistungen oder Produktionen zum Beispiel durch den Fachkräftemangel nicht mehr ausweiten können. Stattdessen versuchten diese ihren Umsatz durch höhere Verkaufspreise anzukurbeln. Die deutsche Industrie hat im November 2017 ihre Preise so kräftig erhöht wie seit sechseinhalb Jahren nicht mehr. Hintergrund seien in erster Linie Lieferengpässe gewesen. Nach Ökonom Phil Smith vom Institut IHS Markit stellten die Lieferengpässe mittlerweile ein ernstes Risiko für den weiteren Aufschwung dar.

Diese Meinung wird auch von anderen Volkswirtschaftlern geteilt. Stefan Kooths, der Leiter des IfW-Prognosezentrums, meint: „Ein Boom mag sich gut anfühlen, er trägt aber den Keim der Krise in sich. Je weiter die ökonomische Aktivität über das Normalmaß hinaus zulegt, desto größer werden die Risiken für eine Anpassungsrezession, durch die Geschäftsmodelle korrigiert werden, die nur im Boom funktionieren.”

Noch werden die Schwierigkeiten von robusten Wachstumsraten überdeckt. Trotz Brexit, Diesel-Krise und Air-Berlin-Pleite wird das deutsche BIP nach einer Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Jahr 2018 wie in 2017 um 2,2 Prozent steigen. Allerdings warnt IfW-Experte Kooths: „Mit zunehmender Überauslastung steigt die Fallhöhe für die deutsche Konjunktur.” Mit Beginn des neuen Jahrzehnts kann es deshalb sein, dass die deutsche Wirtschaft nicht mehr immer weiter steigt, sondern zu ins Stocken gerät.

 

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.