Politik

Die große Illusion: Griechenland ist noch lange nicht gerettet

Lesezeit: 2 min
26.01.2018 23:19
Im Sommer soll das dritte Kreditprogramm für Griechenland auslaufen. Doch die wirtschaftlichen Daten für Griechenland sind wegen des Austeritätskurses anhaltend schlecht.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die griechische Regierung, die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds (IWF) einigten sich im Juli 2015 auf ein drittes Kreditpaket. Griechenland wurden darin Kredite in Höhe von bis zu 86 Milliarden Euro im Zeitraum von 2015 bis Juni 2018 zugesagt – 25 Milliarden Euro davon wurden zur möglichen Rekapitalisierung oder Abwicklung von angeschlagenen Banken reserviert. Griechenland verpflichtete sich im Gegenzug zu Sparmaßnahmen und umfangreichen Reformen, unter anderem auch des Arbeitsmarktes.

Das Auslaufen des Kreditpakets ist nicht automatisch das Ende der Krise

Die Financial Times (FT) nannte am Dienstag fünf Kriterien, die helfen sollen, den Erfolg des auslaufenden Kreditpakets zu bewerten:

Die Kosten für Zinszahlungen sind gesunken

Die Renditen für zweijährige griechische Anleihen (1,24 Prozent) liegen unter denen der US-Anleihen (2,08 Prozent). Allerdings sei in der Eurozone die deutsche Bundesschatzanweisung (ebenfalls zweijährige Laufzeit) der richtige Vergleichsmaßstab. Diese liegt weiterhin im negativen Bereich (-0,60 Prozent). Das zeige, dass die Märkte positiv auf die Entwicklung in Griechenland reagierten. Die in letzter Zeit steigende Rendite der Bundesschatzanweisung könne sich aber auch auf die griechischen Anleihen auswirken und die Kosten wieder ansteigen lassen.

Der griechische Aktienmarkt bleibt volatil

Zu Jahresbeginn stieg der Athex Composite Index auf 872 Punkte. Im Herbst 2017 sank er aber nach einem Sommerhoch mit 855 Punkten wieder auf unter 705 Punkte ab. Ob die positive Entwicklung jetzt langfristig anhält oder ob die Märkte weiterhin volatil bleiben, lässt sich aktuell noch nicht sagen.

Griechenland muss die kurzfristige Schulden refinanzieren

Griechenlands Finanzierung baut vor allem auf sehr kurzfristigen und sehr langfristigen Anleihen. 2018 werden Rückzahlungen von kurzfristigen Anleihen in Höhe von insgesamt 16 Milliarden Euro fällig. Die Stabilität Griechenlands ist somit abhängig von dem Zugang zu kurzfristigen Refinanzierungsmitteln. Dieser Zugang hängt wiederum von den europäischen Regierungen ab: Eine Forderung des IWF für das Ende des dritten Kreditpakets ist, dass sich die europäischen Regierungen auf eine weitere Schuldenerleichterung für Griechenland einigen. Dies ist bislang noch nicht geschehen.

Finanzmärkte sind noch nicht wieder im Normalzustand

Nur etwas über 20 Prozent der griechischen Schulden werden von privaten Investoren oder nicht europäischen Regierungen gehalten. Fast zwei Drittel entfallen auf die europäischen Nachbarländer, die über weitere Schuldenerleichterungen entscheiden müssen. Der Rest wird von der Europäischen Zentralbank, dem IWF und der griechischen Zentralbank gehalten. Dies erkläre auch Griechenlands gute Konditionen bei der Schuldenaufnahme. Von einem Normalzustand der Situation könne so aber keine Rede sein.

Die Ziellinie ist noch nicht in Sicht

Griechenlands Wirtschaft wächst wieder, wenn auch nur gering und langsamer als in anderen europäischen Ländern. Der IWF sagt zudem eine Staatsverschuldung von 184 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für nächstes Jahr voraus. Dann sind auch wieder Parlamentswahlen, ob sich diese positiv auf die Märkte auswirken bleibt offen: Politische Instabilität oder eine lange Phase der Regierungsbildung könnten die Lage Griechenlands auf den Finanzmärkten wieder verschlechtern.

Das Ende der Schuldenkrise wird nicht allein auf den Finanzmärkten entschieden

Griechenlands Wirtschaft wächst wieder leicht. Das Land kann auch günstig Geld aufnehmen. Doch die Arbeitslosigkeit bleibt weiter auf einem hohen Niveau – dem höchsten in Europa. Im Zeitraum zwischen 2015 und 2017 sank die Arbeitslosenquote dennoch von 24,9 Prozent 2015 auf 20,5 Prozent im November 2017. Auf Platz zwei der höchsten Arbeitslosigkeit in Europa folgt Spanien mit 16,7 Prozent, der Durchschnitt in der EU lag im November 2017 bei 7,3 Prozent. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist im EU-Vergleich in Griechenland am höchsten: Im November 2017 lag sie bei 39,5 Prozent und damit höher als in Spanien mit 37,9 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt bei 16,2 Prozent.

Der Konsum- sowie der Geschäftsklimaindex liegen in Griechenland weiterhin unter den Werten der Eurozone und Deutschlands. Das Geschäftsklima verschlechterte sich vor der Einigung auf das Kreditpaket deutlich. Seit Ende 2015 steigt es wieder kontinuierlich an, liegt aber weiterhin unterhalb des Durchschnitts in der Eurozone. Das Konsumklima verschlechterte sich dagegen mit dem neuen Kreditpaket und den damit verbundenen Sparauflagen. Erst seit der zweiten Jahreshälfte 2017 entwickelt es sich wieder positiv, bleibt aber dennoch niedrig.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...