Politik

Bundesverfassungsgericht: Regierung darf andere Parteien nicht diffamieren

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Mitglieder der Bundesregierung überliegen gegenüber anderen Parteien einer Neutralitätspflicht.
27.02.2018 22:05
Lesezeit: 1 min

Regierungsmitglieder müssen in parteipolitischen Auseinandersetzungen neutral bleiben und dürfen auf unsachliche Vorwürfe nicht in gleicher Weise reagieren. Mit der über ihr Ministerium verbreiteten Presseerklärung "Rote Karte für die AfD" habe Bundesbildungsministerin Johanna Wanka gegen diese Neutralitätspflicht verstoßen, urteilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag und gab einer Klage der AfD statt.(Az: 2 BvE 1/16) Regierungsmitglieder dürften nicht auf Teilnahme oder Nichtteilnahme an einer Demonstration einer Partei hinwirken. AfD-Chef Alexander Gauland reagierte mit Genugtuung auf das Urteil. "Gott sei Dank gibt es noch Richter in Karlsruhe", teilte er in Berlin mit.

Wanka habe mit der Veröffentlichung ihrer Pressemitteilung auf der Homepage ihres Ministeriums die Rechte der AfD auf Chancengleichheit der Parteien verletzt, heißt es im Urteil. Die CDU-Politikerin hatte im November 2015 mit der Erklärung auf einen Demonstrationsaufruf der AfD "Rote Karte für Merkel – Asyl braucht Grenzen" reagiert. In Wankas Erklärung hieß es: "Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub. Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben wie der Pegida-Chef Bachmann, erhalten damit unerträgliche Unterstützung."

Ein Recht auf Gegenschlag bestehe für Mitglieder der Bundesregierung nicht, beschied das Gericht. "Nimmt ein Regierungsmitglied für sein Handeln die Autorität des Amtes in Anspruch, ist es dem Neutralitätsgebot unterworfen", sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in der Urteilsverkündung. Das Prinzip "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus", gelte nicht.

Zwar habe die Bundesregierung das Recht, unsachliche oder unangemessene Vorwürfe zurückzuweisen. Dies müsse aber in sachlicher Form geschehen, heißt es im Urteil. Die Presseerklärung Wankas habe keine sachliche Auseinandersetzung mit der Kritik der AfD an der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel beinhaltet. Vielmehr habe sie sich "auf die abwertende Qualifizierung der AfD beschränkt und zumindest mittelbar die Aufforderung enthalten, der von ihr geplanten Demonstration fernzubleiben".

Das Verfassungsgericht hatte die Pressemitteilung bereits im November 2015 beanstandet und im Eilverfahren die einstweilige Löschung verfügt.

Im Jahr 2014 hatte das Verfassungsgericht dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck erlaubt, in einer Diskussion Anhänger der NPD als "Spinner" zu bezeichnen. Der Zweite Senat betonte in seinem damaligen Urteil allerdings die Sonderstellung des Bundespräsidenten.

AfD-Co-Parteichef Jörg Meuthen erklärte, das Vorgehen von Wanka sei ein Unding gewesen. "Das Urteil sollte auch anderen Regierungsmitgliedern eine Lehre sein." Vorstandsmitglied Joachim Kuhs erklärte in Karlsruhe, durch die Entscheidung werde es der AfD leichter fallen, kommunale Hallen für Versammlungen anzumieten. Diese würden häufig nicht zur Verfügung gestellt.

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