Trotz milliardenschwerer Finanzspritzen des Steuerzahlers werden die Schulden der Deutschen Bahn dieses Jahr wohl auf einen Rekordstand steigen. Aufgrund der notwendigen Qualitäts- und Investitionsoffensive sei davon auszugehen, dass 2018 eine „Verschuldung in Höhe von 20,0 Milliarden Euro erreicht wird“, heißt es in Konzernunterlagen, die der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorlagen.
Dies ist mehr als die Bundesbahn aufgetürmt hatte, bevor sie 1994 in die Bahn AG umgewandelt wurde und ihr die Schulden erlassen wurden. Schon 2017 seien die Schulden um eine Milliarde Euro auf 18,6 Milliarden gestiegen, heißt es in den Unterlagen. Der Anstieg sei noch durch den Verzicht des Bundes auf Dividenden-Zahlungen und die Kapitalspritze von einer Milliarde Euro gedämpft worden. Grund sei auch eine „wirtschaftliche Schieflage“ des Deutschland-Geschäfts, besonders der Güterbahn.
Die Bahn konnte 2017 zwar den Betriebsgewinn um 200 Millionen Euro auf 2,15 Milliarden Euro steigern. Dies ist aber in erster Line der internationalen Spedition Schenker sowie dem boomenden Fernverkehr von IC und ICE zu verdanken. Nach Abzug von Zinszahlungen für die Schulden, Steuern und der Dividende für den Bund bleiben dem Staatskonzern unter dem Strich nur etwas über 300 Millionen Euro - zu wenig, um notwendige Investitionen zu bezahlen. Sollte die Phase der Niedrigzinsen enden, käme die Bahn zusätzlich unter Druck. Der Konzern wollte sich zu den Informationen nicht äußern. Die Jahresbilanz wird offiziell am 22. März vorgestellt.
Prekär ist den Unterlagen zufolge erneut die Lage beim kriselnden Güterverkehr DB Cargo. Obwohl dort erst 2015 rund 1,3 Milliarden Euro abgeschrieben wurden - was dem Konzern den ersten Verlust seiner Geschichte bescherte - droht eine Wiederholung: Schon eine Ergebnisverschlechterung von jährlich gut 15 Millionen Euro oder eine Abweichung von weniger als drei Prozent gegenüber der Planung habe „einen erneuten Wertminderungsbedarf zur Folge“, heißt es in den Dokumenten. Und: „Den Risiken von DB Cargo gegenüber der aktuellen Planung stehen keine wesentlichen Chancen gegenüber.“ 2017 hat die Güterbahn einen Verlust von 90 Millionen Euro eingefahren und damit die Planung um etwa den gleichen Betrag verfehlt.
Die Lage der Bahn dürfte vor allem die Haushälter des Parlaments alarmieren. Sie hatten schon 2016, nachdem sie die Kapitalspritzen genehmigt hatten, einen Brandbrief an die Regierung geschrieben. Angesichts des Schuldenstands sei das wesentliche Ziel der Bahnreform von 1994 verfehlt, hatten die Vertreter von Union und SPD und auch der Grünen geschrieben. Ausgaben und Einnahmen müssten wieder in Gleichklang kommen und dafür der Konzern umgebaut werden. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich dazu allerdings nichts.
Dafür müssen sich die Bahn-Beschäftigten nun wohl auf verschärfte Tarifrunden einstellen: Denn als wichtiger Grund für die „wirtschaftliche Schieflage des Systemverbundes Bahn“ - also des Bahnverkehrs in Deutschland - werden die Lohnerhöhungen der vergangenen Jahre genannt. Die Tarifsteigerungen hätten mit 3,5 Prozent pro Jahr seit 2008 deutlich oberhalb der Inflationsrate und über dem Anstieg der Produktivität gelegen. Allein 2017 hätten sie das Unternehmen eine Milliarde Euro gekostet. Dazu habe sich seit 2012 die Produktivität sogar verschlechtert.
Die Planung unterstelle nun, dass zwischen „Verteilungsspielräumen einerseits und Tarifentwicklung andererseits wieder besser ausbalanciert wird...“, heißt es in den Papieren. Nur so könne ausreichend investiert werden, ohne die Verschuldung weiterzutreiben. Eine Herausforderung, zumal der Bahn in Deutschland rund 5000 Mitarbeiter fehlen. Die Balance sei aber „essenziell für die wirtschaftliche Stabilisierung“ und besonders angesichts der Risiken bei DB Cargo.
Die Sparte hat einen Wechsel des Vorstandschefs sowie zahlreicher weiterer Vorstände hinter sich. Ein Stellenabbau wurde wieder gestoppt, da dies Pünktlichkeit und Service der Güterbahn eher bremste. Nachdem sich 2016 zumindest der Verlust der Sparte verringert hatte, drehte sich der Trend 2017 wieder um. Die neue Bundesregierung will den Schienen-Güterverkehr mit Nachlässen bei den Trassen-Gebühren eigentlich fördern, um Straßen zu entlasten und den Klimaschutz voranzubringen. Die Bahn hat das allerdings schon weitgehend eingepreist: „Rahmenbedingungen bei Energie- und Verkehrspolitik müssen positiv flankieren und dürfen die geplante Entwicklung nicht gefährden“, heißt es in den Papieren.
Der Jahresbeginn 2018 verheißt für die Bahn allerdings nichts Gutes: Auch wegen des Sturms „Friederike“ liegt die Pünktlichkeit und auch der Gewinn von DB Cargo unter den Planungen. Der Gesamtkonzern hinkt beim Betriebsgewinn im Januar fast 100 Millionen Euro hinter dem Vergleichsmonat 2017 hinterher. Die interne Jahresplanung wurde den Dokumenten zufolge bereits vorsichtshalber von 2,25 Milliarden Euro auf mindestens 2,2 Milliarden Euro leicht nach unten korrigiert.