Die Regierung in London hat den Ausstieg des Landes aus dem EU-Militärprogramm bekanntgegeben, berichtet Politico. Der Grund: Die zögernde Haltung der EU, sich im Rahmen der Brexit-Verhandlungen auf konkrete Punkte zu einigen, macht es der britischen Regierung schwer, sich auf die Zeit nach dem EU-Ausstieg vorzubereiten. So sei nicht klar, ob Großbritannien als Drittland befugt sei, eine Kampftruppe der EU anzuführen und militärische Entscheidungen für die EU zu treffen, teilte der britische General George Norton in dem Brief mit.
Die EU-Armee wurde erst sehr spät von EU-Präsident Juncker vorangetrieben. Die NATO hat die Entwicklung mit Argwohn betrachtet, weil die Militär-Allianz keine Konkurrenz in Europa sehen will. Juncker wollte mit der Armee die Unabhängigkeit der EU von transatlantischen Interessen stärken. Mit dem Ausstieg der Briten, die auch zum Spionage-Bündnis Five Eyes gehören, verliert die EU-Armee deutlich an Gewicht. Die Briten wollen offenbar in der NATO sicherstellen, eine wichtige Rolle zu spielen - auch um dort ihre geopolitischen Interessen vertreten zu können, wenn diese von den USA abweichen. Michel Barnier hatte ursprünglich betont, dass die EU-Armee keine Konkurrenz zur NATO sein solle.
Die dauerhafte Einrichtung einer EU-Einsatzgruppe wurde in der EU im Jahr 2003 beschlossen. Sie ist für Erstmissionen in einer Krisenregion gedacht und soll notwendige militärische Voraussetzungen für Folgeeinsätze durch andere Streitkräfte schaffen. Geleitet wird die Gruppe von EU-Mitgliedsstaaten, der Vorsitz wechselt im halbjährigen Rotationsverfahren. In ihren Entscheidungen unterliegt die Einsatzgruppe EU-Recht. Großbritannien stellt die Mehrheit der 1500 Mann starken Truppe. Ab Juli kommenden Jahres sollte das Land den Vorsitz übernehmen.
Ihren Rückzug aus der Militärprogramm begründet die britische Regierung mit logistischen Schwierigkeiten und der Ungewissheit, welchen Stellenwert Großbritannien nach dem Brexit in der EU haben werde. Die unklare Haltung der EU kritisiert Großbritannien seit mehreren Wochen. Während Premierministerin Theresa May auch künftig stabile Beziehungen mit der EU anstrebt, werden die Äußerungen in Brüssel in diesem Punkt sehr allgemein gehalten. Um die europäische Verhandlungsposition im finanzwirtschaftlichen Bereich nicht zu schwächen, strebt Brüssel an, detaillierte Verhandlungen für die Positionierung Großbritanniens erst nach dem Brexit anzusetzen. Großbritannien befürchtet, nach dem Brexit eine Verlagerung des Finanzhandels von London in andere EU-Staaten.
Militärisch engagiert sich Großbritannien in zahlreichen EU-Programmen. Bei der EU-Einsatzgruppe stellt es neben Soldaten auch die Infrastruktur für Hauptquartier und die Kommandozentralen. Gleiches geschieht in der Atlanta-Mission der EU. Im Kampf gegen Piraten vor der somalischen Küste stehen die Militäraktionen unter britischen Kommando. Neben Großbritannien sind Italien, Griechenland, Frankreich und Deutschland in der Lage, ähnliche Truppenstärken aufzubringen. Mit insgesamt 205.330 Soldaten und einem Budget von knapp 41 Milliarden Euro ist Großbritannien die führende Militärmacht vor Deutschland (35 Milliarden Euro) und Frankreich (34 Milliarden Euro) in der EU.
Ob sich Großbritannien nach dem Brexit weiter an den EU-Missionen beteiligt, hängt davon ab, ob ihm als Drittland entsprechende Mitspracherechte und Entscheidungsbefugnisse von der EU eingeräumt werden. Sollte das nicht möglich sein, sei unklar, ob das Land an weiteren Missionen teilnehmen wolle, heißt es aus London. Die grundsätzliche Bereitschaft zur militärischen Unterstützung von EU-Missionen bestehe jedoch.
Die EU-Missionen unterliegen europäischem Recht. In ihrer Grundsatzrede zum Brexit hatte Premierministerin Theresa May betont, sich nach dem EU-Austritt nicht europäischen Regelungen unterwerfen zu wollen, die Großbritannien in Folge seines Drittland-Status nicht beeinflussen könne.
Im vergangen November haben 25 EU-Staaten beschlossen, die ständigen militärischen EU-Missionen mittelfristig zu einer europäischen Verteidigungsunion auszubauen. Nicht an der Union beteiligt sind Dänemark, Großbritannien und Malta. Während Dänemark sich traditionell nicht an der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beteiligt, erfüllt Malta nicht alle Teilnehmerkriterien. Großbritannien wurde die Mitgliedschaft mit dem Grund verweigert, dass es ab 2019 kein EU-Mitgliedsstaat mehr sei.