Politik

Putin warnt vor globalem „Chaos“ bei neuem Syrien-Angriff

Lesezeit: 3 min
16.04.2018 00:51
Russland fürchtet eine schwer Krise der internationalen Beziehungen, sollte der Westen Syrien erneut angreifen. Die USA und Bundesaußenminister Heiko Maas gehen auf Distanz zu den Vereinten Nationen.
Putin warnt vor globalem „Chaos“ bei neuem Syrien-Angriff

Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Sonntag Reuters zufolge nach einem Telefonat mit seinem iranischen Amtskollegen Hassan Ruhani gesagt, sollte die Charta der Vereinten Nationen weiter gebrochen werden, „wird dies unvermeidlich zum Chaos in den internationalen Beziehungen führen“. Putin sagte laut TASS in einer Grußbotschaft an die Arabische Liga, Russland sei zu einer engeren Kooperation mit der Arabischen Liga bereit, um die Stabilität in der Region wiederherzustellen. Der syrische Präsident Baschar al-Assad sagte laut TASS, die Kosten des Wiederaufbaus von Syrien würden 400 Milliarden Dollar betragen.

Russland hat auf die Luftschläge der Westmächte bisher nicht mit militärischen Aktionen reagiert. Moskau war vor den Angriffen gewarnt worden. Zwischen den US-Streitkräften und der russischen Armeeführung besteht weiter ein Kommunikationskanal.

Putins Warnung waren moderate Worte des stellvertretenden russischen Außenministers Sergej Rjabkow vorausgegangen. Ryabkow hatte erklärt, auch Moskau sei an einer Zusammenarbeit mit den USA interessiert. Ähnlich äußerte sich Wladimir Ermakow, der Chef der Abteilung für Rüstungskontrolle im Außenministerium. Es bestehe Grund zu der Annahme, dass die Amerikaner nun an Gesprächen interessiert seien, sagte er der Agentur Interfax.

Die USA wollen dagegen den Druck auf Russland erhöhen und haben neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. Die Strafmaßnahmen sollen russische Unternehmen treffen, die mit der syrischen Regierung Geschäfte machen, sagte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, am Sonntag im Fernsehsender CBS. Das Finanzministerium in Washington werde die Sanktionen am Montag verkünden und damit auf den angeblichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien reagieren, sagte Haley weiter.

Erst vor wenigen Tagen hatte die US-Regierung harte Sanktionen gegen russische Oligarchen, Regierungsvertreter und Firmen verhängt. Washington begründete die Sanktionen am 6. April allgemein mit "andauernden und immer dreisteren boshaften Aktivitäten der russischen Regierung überall in der Welt".

Haley sagte, Trump habe ihr für den Fall einer „neuen Giftgas-Attacke“ gesagt, die USA seien „schussbereit“. Bisher liegen keine unabhängig überprüfbaren Belege vor, dass die syrische Regierung einen Giftgas-Angriff in Douma geflogen hat. Russland sagt, Großbritannien habe einen solchen inszeniert.

Direkte Gespräche der USA mit Assad schloss sie am Sonntag aus. Syrien habe sich bislang internationalen Verhandlungen als Teil eines von den UN angestoßenen politischen Prozesses verweigert. Nun solle Russland Syrien an den Verhandlungstisch „liefern“. Syrien sei direkte Gespräche mit den USA „nicht wert“, sagte Haley laut Reuters. Haley sagte, die US-Truppen würden sich nicht aus Syrien zurückziehen, bevor „ihre Ziele nicht erreicht“ seien. Sie ließ offen, um welche Ziele es sich handelt. US-Präsident Trump hatte stets erklärt, das einzige Ziel der Truppen-Präsenz sei die Niederschlagung des IS. Dieses Ziel verfolgen auch die syrische Regierung und Russland.

Frankreichs UN-Botschafter François Delattre sagte, nötig sei eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, mit der das „syrische Problem“ dauerhaft gelöst werden könne: „Frankreich arbeitet mit allen Mitglieder des Sicherheitsrates auf dieses Ziel hin.“ Außenminister Jean-Yves le Drian erklärte, hoffentlich verstehe Moskau nun, dass die Anstrengung für einen politischen Prozess in Syrien verstärkt werden müsse. Dies werde von Assad aber blockiert. Deshalb müsse Russland Druck auf ihn ausüben.

Bundesaußenminister Heiko Maas denkt über eine Lösung ohne die Vereinten Nationen nach. Zwar müsste sich eigentlich jeder Lösungsversuch unter deren Dach abspielen, sagte er in der ARD, das habe aber nicht funktioniert, weil man „von den Russen blockiert“ worden sei. Daher werde jetzt nach einem anderen Format mit Staaten gesucht, die sich mit dem Thema ohnehin beschäftigt hätten, um einen neuen Weg zu beschreiten. Maas räumte aber ein, ein Frieden in Syrien ohne Moskaus Einbeziehung sei nicht möglich. Die Ablehnung der UN liegt auf der Linie des neuen Nationalen Sicherheitsberaters des Weißen Hauses, John Bolton. Dieser hatte in den vergangenen Jahren in mehreren Medien die Auffassung vertreten, dass die UN in ihrer aktuellen Form obsolet seien.

Haley teilt Boltons Geringschätzung für die UN: "Ich kenne John Bolton gut. Ich habe Rat von ihm bekommen, ich habe mit ihm gesprochen. Ich kenne seine Verachtung für die UN. Ich teile sie", sagte Haley Anfang April an der Duke University in North Carolina laut dem englischsprachigen Dienst von Reuters.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz brachte eine Wiederaufnahme der Syrien-Friedensgespräche von 2015 in Wien ins Gespräch. Damals waren 20 unterschiedliche Gruppen eingebunden.

Russland hatte am Samstag versucht, eine Verurteilung des Luftschlag im UN-Sicherheitsrat zu erreichen, fand dort aber nicht genügend Unterstützer. Moskau hatte den Beschuss „unakzeptabel und gesetzeswidrig“ genannt.

An den Börsen werden zunächst keine Auswirkungen des westlichen Angriffs auf Syrien erwartet. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen die Zahlen der Unternehmen, die in den kommenden Tagen veröffentlicht werden. "Die Investoren haben die Hoffnung, dass die Berichtssaison die Aufmerksamkeit ein wenig auf die fundamentalen Marktdaten zurückverlagern kann", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets der Nachrichtenagentur Reuters.

Anlagestratege Salman Ahmed von der Privatbank Lombard Odier in London sagte Reuters, die Luftschläge dürften keine Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten auslösen. Zu erwarten seien vielmehr moderate Kursreaktionen, da die Angriffe begrenzt gewesen und keine weiteren absehbar seien. "Den Berichten zufolge wurde sorgsam darauf geachtet, dass keine russischen Ziele getroffen wurden", sagte Ahmed. "Das ist ein gutes Zeichen und sollte den Markt ermutigen."

Börsianer sagten voraus, dass zu Wochenbeginn die Preise für Gold und Öl etwas anziehen werden. Größere Einbußen an den Aktien- und Anleihenmärkten seien nicht zu erwarten. Nur im Falle neuer westlicher Angriffe könnte es zu einem Kursrutsch an den Börsen kommen, sagte Frank Benzimra von Societe Generale. An den meisten Aktienmärkten in der Golfregion legten die Kurse am Sonntag zu, so etwa in Saudi-Arabien, Abu Dhabi und Dubai.

***

Für PR, Gefälligkeitsartikel oder politische Hofberichterstattung stehen die DWN nicht zur Verfügung. Bitte unterstützen Sie die Unabhängigkeit der DWN mit einem Abonnement:

Hier können Sie sich für einen kostenlosen Gratismonat registrieren. Wenn dieser abgelaufen ist, werden Sie von uns benachrichtigt und können dann das Abo auswählen, dass am besten Ihren Bedürfnissen entspricht. Einen Überblick über die verfügbaren Abonnements bekommen Sie hier.



Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...