Finanzen

Türkische Lira erreicht neues Allzeit-Tief zu Dollar und Euro

Der Kurs der türkischen Lira ist am Dienstag zum Dollar und zum Euro auf ein neues Allzeit-Tief gesunken.
15.05.2018 15:20
Lesezeit: 2 min

Türkische Lira auf Talfahrt: Die türkischen Landeswährung Lira fällt von einem Allzeit-Tief auf das nächste. Der Kurs des Dollar stieg am Dienstag um rund 1,8 Prozent bis auf 4,44 Lira und damit so hoch wie nie zuvor. Ein Euro war nach einer Kurssteigerung von etwa 1,1 Prozent mit 5,26 Lira ebenfalls so teuer wie noch nie.

Vor drei Jahren lag der Kurs zum Dollar noch bei etwa 2,5 Lira, der Kurs zum Euro betrug etwa 2,9 Lira.

Gleichzeitig flogen türkische Staatsanleihen aus den Depots der Anleger. Dadurch erreichte die Rendite der zehnjährigen Titel mit 14,46 Prozent den höchsten Stand seit mindestens acht Jahren. Der Leitindex der Istanbuler Börse büßte im europäischen Vergleich überdurchschnittliche 0,8 Prozent ein.

Erdogan, nach eigenem Bekunden ein „Feind der Zinsen“, beanspruchte in einem TV-Interview für die Zeit nach der Umstellung auf das Präsidialsystem im Juni Mitspracherecht bei der Geldpolitik. Die Zentralbank bleibe zwar unabhängig, könne die vom Staatsoberhaupt ausgehenden Signale dann aber nicht ignorieren.

Erdogan begründet seinen Anspruch auf Mitsprache in geldpolitischen Fragen mit einer Rechenschaftspflicht gegenüber den Bürgern. Diese seien schließlich von Zinsentscheidungen der Notenbank direkt betroffen: „Da sie den Präsidenten danach fragen werden, müssen wir das Bild eines in der Geldpolitik effizienten Präsidenten vermitteln.“ Dies sei für einige eine „ungemütliche“ Vorstellung, sagte Erdogan: „Doch wir müssen das tun.“

Die Türkei leidet unter einem hohen Leistungsbilanzdefizit und einer Inflation von mehr als zehn Prozent. Die Wirtschaft des Landes ist sehr stark von ausländischen Investitionen abhängig.

Erdogan sagte, die Zinsen seien die Ursache des Preisauftriebs. „Je niedriger der Zins ist, desto niedriger wird die Inflation ausfallen.“ Der Politiker hatte im vergangenen Jahr knapp eine Volksabstimmung gewonnen, in der sich die Türken für die Einführung einer exekutiven Präsidentschaft aussprachen. Das Amt wird allerdings erst nach der Wahl mit den neuen Befugnissen ausgestattet.

Der Ökonom Folker Hellmeyer kommentiert die Entwicklung folgendermaßen:

Die türkische Geldpolitik steht weiter im Fokus der Marktteilnehmer. In den letzten Tagen wertete die Währung beständig ab, trotz eines Zinserhöhungsschrittes durch die türkische Zentralbank. Wir hatten den Zinsschritt an dieser Stelle als zu zaghaft kritisiert und auf die politisch schwierige Situation der Zentralbank hingewiesen. In einem gestern gegebenen Bloomberg Interview äußerte sich Präsident Erdogan dahingehend, dass er mehr Verantwortung für die Geldpolitik übernehmen will, wenn er im nächsten Montag wieder zum Präsidenten gewählt werden sollte. Er erwarte von der Zentralbank, dass diese seine Anweisungen für niedrigere Zinsen beachten werde!

(...)

Bisher ist die Mehrheit der Marktteilnehmer davon ausgegangen, dass es spätestens nach der Präsidentschaftswahl zu Zinserhöhungen kommen wird. Auf diese Weise könnte Erdogan vor der Wahl sein Gesicht wahren und im Anschluss reagieren. Sollten die gestern getätigten Aussagen jedoch umgesetzt werden, stehen der Türkei schwere Zeiten bevor. Die Abwertungsspirale der türkischen Lira würde sich verstärken und die bestehenden Auslandsschulden durch die Abwertung wachsen. Die ausländischen Direktinvestitionen werden wegen der Abwertung und der steigenden politischen Unsicherheit noch weiter zurückgehen. Auch die einheimische Bevölkerung könnte das Restvertrauen in die Währung verlieren und Geld ins Ausland transferieren. Die Inflationseffekte aufgrund der Abwertung will ich dabei nicht mal mehr näher beleuchten.

Leider liefert die Türkei hier ein schönes Beispiel dafür, was passieren kann, wenn die Unabhängigkeit einer Zentralbank nicht gewahrt wird und in Unkenntnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge Entscheidungen getroffen werden.

***

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