Politik

Russland und Israel planen Sicherheitszone im Süden von Syrien

Lesezeit: 5 min
31.05.2018 23:27
Russland und Israel planen offenbar die Errichtung einer Sicherheitszone im Süden Syriens.
Russland und Israel planen Sicherheitszone im Süden von Syrien

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Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat sich am Donnerstag mit dem israelischen Verteidigungsminister Avigdor Lieberman über die Einrichtung einer Deeskalationszone in Südsyrien unterhalten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte am Mittwoch, dass der Rückzug aller nicht-syrischen Streitkräfte von der südlichen Grenze Syriens mit Israel so schnell wie möglich erfolgen solle, berichtet der englischsprachige Dienst von Reuters. The Daily Sabah berichtet, dass Lawrow damit die iranischen und pro-iranischen Truppen im Süden meinte, ohne dies direkt zu sagen.

Nach dem Treffen am Donnerstag meldete Lieberman über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Ich habe jetzt ein Treffen in Moskau mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu beendet. Der Staat Israel weiß Russlands Verständnis für unsere Sicherheitsbedürfnisse zu schätzen – insbesondere im Zusammenhang mit der Situation an unserer Nordgrenze. Wir werden den Dialog mit Russland in allen Fragen fortsetzen.”

Vor seinem Abflug nach Russland hatte Liebermann per Twitter geschrieben: „Der primäre Fokus des Verteidigungs-Establishments liegt auf der Verhinderung der Expansion des Irans und seiner Stellvertreter in Syrien”.

Seit geraumer Zeit setzt sich Israel für die Einrichtung einer Schutzzone im Süden Syriens ein. Nach einem Bericht des Washington Institute for Near East Policy (WINEP) würde die Errichtung einer israelischen Pufferzone in Südsyrien auch das Flüchtlingsproblem teilweise lösen. Syrische Flüchtlinge würden dann nicht mehr den Weg nach Europa einschlagen, sondern sich in dieser Pufferzone ansiedeln. Dies läge auch im Interesse Europas.

In einem weiteren Bericht führt WINEP aus: „Ein weiterer Grund, warum Israel eine Zone unterstützen könnte, ist, dass sich dies positiv auf die syrische Opposition auswirken könnte. Warum sollte Israel plötzlich eine pro-rebellische Politik unterstützen, wenn es sorgfältig vermieden hat, im Krieg Partei zu ergreifen? Wie Amos Harel in einem Haaretz-Artikel vom 21. Februar bemerkte, ist Israel besorgt, dass das anhaltende Regime und die russischen Siege die Hisbollah und den Iran stärken und damit die Bedrohung für Israel erhöhen werden. Nach Angaben von Harel glauben die israelischen Staatsmänner nun, dass der Westen seine Unterstützung für die Rebellen verstärken muss, um ,das Voranschreiten des Regimes und den Aufstieg des Irans zu stoppen’. Sie können daher eine sichere Zone unterstützen, wenn sie der Ansicht sind, dass dies den Widerstand stärkt.”

Zum Projekt der Herstellung einer Sicherheitszone im Süden Syriens führt Amaliah, eine israelisch-amerikanische und im Süden Syriens aktive NGO, aus: „Es besteht dringender Bedarf für eine Sicherheitszone in Südsyrien, wo die Zivilgesellschaft wiederhergestellt werden kann. Dies ist möglich, weil es eine UN-Präsenz gibt und Israelis gerade jenseits der Grenze auf den Golanhöhen, bereit sind, zu helfen.”

Syriens Präsident Baschar al-Assad hat am Donnerstag gesagt, dass die US-Truppen in Syrien sich unverzüglich zurückziehen sollen. The Times berichtet: „Präsident Assad will die US-amerikanischen Streitkräfte und ihre kurdischen Verbündeten aus Syrien vertreiben, wenn sie sich nach einer Verhandlungsrunde nicht freiwillig zurückziehen (...). Der syrische Führer sagt, dass es keine iranischen Truppen innerhalb seiner Grenzen gebe – abgesehen von den Offizieren, die die eigenen Truppen des Landes unterstützten.”

US-Truppenabzug aus Syrien?

Die Wahrscheinlichkeit eines Abzugs ist ungewiss, da das Pentagon, das Außenministerium und andere Teile der US-Regierung gegen einen Truppen-Abzug sind, so der US-Informationsdienst Stratfor in einer Analyse.

Dieser Ansicht zufolge würde ein Abzug ein Machtvakuum erzeugen, die Beziehungen zu Feinden und Verbündeten beeinflussen und den Einfluss der USA in der Region schwächen.

Ein Abzug könnte auch dazu beitragen, die Beziehungen zu Russland zu verbessern. Moskau hat konsequent und hartnäckig verlangt, dass die US-Streitkräfte Syrien verlassen. Das Weiße Haus könnte zu dem Schluss kommen, dass verbesserte Beziehungen für eine bessere Zusammenarbeit in anderen Bereichen, insbesondere in Bezug auf Nordkorea und der Rüstungskontrolle, notwendig sind. Ein Rückzug könnte als erster Schritt zu stärkeren Beziehungen gesehen werden.

Der wichtigste Profiteur eines US-Truppenabzugs könnte die Türkei sein. Die US-Unterstützung der „Syrischen Demokratischen Kräfte” (SDF), die von den Kurden-Milizen dominiert wird, war eines der größten Hindernisse für ein gutes Verhältnis zwischen Washington und Ankara und führte im Laufe der Zeit zu heftigen Meinungsverschiedenheiten. Ein Truppen-Abzug der USA würde eine Reduzierung der Unterstützung für die SDF nach sich ziehen und der Türkei die Möglichkeit geben, stärker gegen die SDF vorzugehen. Angesichts der entscheidenden Bedeutung der Türkei für die Sicherheitsstrategie der USA im Nahen Osten und in Europa wären verbesserte Beziehungen eindeutig der größte Nutzen eines Truppen-Abzugs.

Die Kehrseite wäre, dass die US-Truppen ihrer Hauptaufgabe, nämlich der Bekämpfung von ISIS und weiteren extremistischen Gruppen, nicht mehr vollständig nachkommen könnte. Die Terror-Miliz ISIS ist noch nicht vollständig besiegt. Es besteht die Gefahr, dass sich ISIS erneut formieren könnte. In den vergangenen Monaten hat die Terror-Miliz davon profitiert, dass die SDF und die türkische Armee sich gegenseitig bekämpfen, und die syrische Armee sich auf die Region Ost-Ghouta konzentrierte.

Hinzu kommt die Gefahr, dass ISIS mit einer neuen Organisation verbündet ist, die sich Tanzim Hurras al-Deen (HS) nennt. Weitere Verbündete sind Hayat Tahrir al-Scham (HTS) und die „Islamische Partei Turkestan”, eine militante Gruppe aus China. Ein vollständiger Abzug der USA würde die Fähigkeit Washingtons erheblich schwächen, diese Gruppen in Schach zu halten.

Die Gruppe, die sich von der Al-Nusra-Front abgespalten hat, will künftig vor allem im Nordwesten Syriens operieren, meldet der US-Sicherheitsanalyst Charles Lister über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Söldner-Truppe HS soll von Al-Qaida-Veteranen wie Abu Humam, Abu Julaybib, Sami al-Oraydi, Abu Khadija oder Abu al-Qassam angeführt werden, so Lister.

HS wurde am 27. Februar gegründet. Ihr gehören Dschaisch al-Malahim, Dschaisch al-Badia, Dschaisch al-Sahel, Saraya al-Sahel, Saraya Kabul, Jund al-Scharia und Jund al-Aqsa an. Das geht aus einem Dokument des Meir Amit Informationszentrums über Geheimdienste und Terrorismus hervor, das den Deutschen Wirtschaftsnachrichten vorliegt.

US-Truppenabzug und der Iran

Ein Abzug würde auch ein anderes wichtiges US-Ziel zunichte machen, nämlich die Expansion des Irans in der Region zu begrenzen. Stratfor wörtlich: „Die USA nutzen ihre Präsenz in Ostsyrien, um Druck auf Teherans Versorgungslinien zu ihren Verbündeten in Damaskus und im Libanon auszuüben. Die SDF besetzt wichtige energieproduzierende und landwirtschaftliche Gebiete in Syrien, die Teheran und Damaskus gerne wiedererlangen würden. Die SDF-Präsenz ist auch ein Sprungbrett, das die USA nutzen könnten, um wichtige iranische Positionen im Land im Falle weiterer Konflikte zu bedrohen.

Die USA haben wiederholt und öffentlich verkündet, dass sie diese Kräfte (die SDF, Anm. d. Red.) nicht aufgeben werden. Washington hat viel Zeit, Ressourcen und Anstrengungen investiert, um die SDF als Organisation aufzubauen (...). Wenn Länder und Organisationen im Nahen Osten und darüber hinaus das Gefühl bekommen, dass Washington sie jederzeit fallen lassen könnte, werden sie zögern, sich mit den USA zu verbünden – besonders wenn es einen alternativen Verbündeten gibt. Im Nahen Osten könnte diese Alternative Russland sein, das den Rückzug nutzen könnte, um seine Position in der Region zu verbessern.”

Schließlich haben eine Reihe regionaler Verbündeter in die anhaltende Präsenz der USA in Syrien investiert. Da diese Verbündeten – Saudi-Arabien, Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate – in erster Linie an den Bemühungen der USA interessiert sind, den Iran einzudämmen, würden sie einen plötzlichen Abzug der USA nicht unterstützen.

Obwohl das Weiße Haus am 4. April mitteilte, dass die USA in Syrien bleiben würden, um vorerst ISIS zu bekämpfen, liegt eine endgültige Entscheidung über einen Truppen-Abzug noch nicht vor. US-Präsident Trump hat gesagt, dass die USA genug Zeit und Geld in die Region investiert haben. Das Weiße Haus hat mehr als 200 Millionen Dollar eingefroren, die für die Wiederaufbaumaßnahmen in Syrien bereitgestellt wurden.

Unklar ist jedoch, wie die USA ihre energiepolitischen und wirtschaftlichen Interessen in Syrien und im Nahen Osten durchsetzen wollen, wenn sie ihre militärische Präsenz zurückfahren. Bisher konnte sich nur das Pentagon, das strikt für eine globale Erweiterung der Militärpräsenz der USA eintritt, gegen Trump durchsetzen.

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