Politik

Österreich fordert Vorbereitung zum Schutz der deutschen Grenze

Lesezeit: 2 min
20.06.2018 12:10
Mehrere europäischen Parteichefs erhöhen den Druck auf Bundeskanzlerin Merkel und fordern eine Umkehr in der Migrationspolitik.
Österreich fordert Vorbereitung zum Schutz der deutschen Grenze

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Zur Vorbereitung des EU-Gipfels Ende Juni wollen die Staats- und Regierungschefs unter anderem von Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich am Sonntag in Brüssel zu einem Sondergipfel zum Thema Migration zusammenkommen. Dies verlautete am Mittwoch aus EU-Kreisen, berichtet Reuters.

Zuvor hatte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz gesagt, dass es vermutlich noch in dieser Woche zu einem solchen Treffen komme. Österreich bereite sich laut Reuters intensiv auf eine mögliche Zurückweisung von Flüchtlingen durch Deutschland vor und verlangt auch Maßnahmen von Deutschland. Kurz warnte vor dem Treffen vor einer Verschärfung der Flüchtlingskrise durch den deutschen Asylstreit. "Wir müssen gerüstet sein dafür, dass die nationalen Grenzkontrollen überhaupt in Europa verstärkt werden, ausgehend von Deutschland", sagte der 31-jährige Parteichef der konservativen Volkspartei (ÖVP). In die innerdeutsche Debatte wolle er sich nicht einmischen, sagte Kurz.

Woher die unmittelbare Bedrohung kommt sagte Kurz nicht. In den vergangenen Monaten gab es zwar immer noch einen erheblichen unkontrollierten Zuzug von Migranten in die EU. Mit den Rekord-Zahlen aus dem Jahr 2015 ist die Entwicklung jedoch nicht vergleichbar. Allerdings haben sich in den vergangenen Wochen zahlreiche Söldner aus Syrien auf dem Weg in die EU gemacht, weil ihre Verbände von der Syrischen Armee und Russland in weiten Teilen besiegt worden waren. Dass die aktuellen Fluchtbewegungen wesentlich das Ergebnis der vom Westen ausgelösten Kriege in Syrien, Libyen und dem Irak sind, hat Kurz bisher nicht erwähnt.

Kurz vermied es zwar, Bundeskanzlerin Merkel direkt zu adressieren, fordert jedoch wie ihr Widersacher Horst Seehofer einen Kurswechsel in der europäischen Einwanderungspolitik. "So unangenehm es ist, wenn es in Deutschland Streit gibt und keine gemeinsame Linie in der Regierung, so positiv ist es, dass jetzt eine Bewusstseinsänderung vieler auf europäischer Ebene eintritt", sagte Kurz.

Kurz sagte im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft seines Landes laut Reuters am Mittwoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Linz: "Wir wollen Brückenbauer sein innerhalb der Europäischen Union, um die Migrationsfrage endlich zu lösen oder zumindest einen ordentlichen Fortschritt zu erzielen."

Kurz will sich während des EU-Vorsitzes von Österreich ab 1. Juli vor allem dafür stark machen, dass es zu einer europäischen Lösung beim Thema Außengrenzschutz kommt. Unter anderem brauche es sichere Schutzzonen in Nordafrika. "Sollte der Wille nicht da sein, was ich nicht hoffe, werden wir darüber nachdenken müssen, wie wir mit einzelnen Staaten in einer kleineren Gruppe gemeinsam solche Projekte starten können", sagte Kurz.

Österreich habe diesbezüglich bereits erste gute Gespräche mit Dänemark und anderen kleineren Staaten geführt, sagte er. Söder versprach, ebenfalls Druck machen zu wollen. Die "Betriebsamkeit", innerhalb einer Woche zwei EU-Gipfel einzuberufen, gehe "sehr stark auf die Entschlossenheit Bayerns zurück". Die Ergebnisse müsse man nun aber abwarten, sagte Söder.

Die österreichische Regierungsspitze traf am Mittwoch im oberösterreichischen Linz ostentativ mit dem bayerischen Landeskabinett zusammen. Die neue österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ vertritt seit ihrem Antritt eine restriktive Politik und sieht sich in dieser in Übereinstimmung mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban.

Orban hatte vor einigen Tagen den Druck auf seine Parteifreunde in der EVP erhöht und damit gedroht, eine eigene, EU-weite Anti-Migrations-Partei gründen zu wollen, wenn der CDU-Dachverband nicht seine Politik radikal ändere.

In einer unverhohlenen Attacke gegen Bundeskanzlerin Merkel sagte Orban in einer Rede laut der Pressestelle der ungarischen Regierung: „In Bezug auf die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 wäre es beispielsweise leicht, eine Neugründung durch gleichgesinnte mitteleuropäische Parteien - oder sogar eine gesamteuropäische Anti-Einwanderungs-Formation - zu etablieren. Es besteht kein Zweifel, dass wir bei den Europawahlen 2019 großen Erfolg haben würden. Aber ich schlage vor, dass wir dieser Versuchung widerstehen und Helmut Kohls Ideale und Parteifamilie (EVP, Anm. d. Red.) beistehen. Statt Fahnenflucht zu begehen sollten wir uns der schwierigeren Aufgabe stellen, die Europäische Volkspartei zu erneuern und ihr zu helfen, zu ihren christdemokratischen Wurzeln zurückzufinden.“

Österreich übernimmt ab 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. In dieser Zeit will sich Kurz vor allem für eine Stärkung des EU-Außengrenzschutzes Frontex einsetzen. "Wenn wir das tun, dann werden wir die Außengrenzen unter Kontrolle bringen und werden die sein die entscheiden, wer nach Europa zuwandern darf und nicht die Schlepper", sagte Kurz.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP Stellenabbau: Abfindungsangebote stehen, 2600 Jobs sollen wegfallen
30.04.2024

Im Rahmen der weltweiten Umstrukturierung von SAP sollen 2600 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden. Nun wurden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ukraine-Krieg: So ist die Lage
30.04.2024

Ukraine ruft nach dringender Militärhilfe, während tägliche Raketenangriffe weiterhin zivile Opfer fordern. Selenskyj und Stoltenberg...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Massenprotest bei Thyssenkrupp: Mitarbeiter kämpfen um ihre Zukunft
30.04.2024

Tausende Thyssenkrupp-Arbeiter demonstrieren in Duisburg. „Zukunft statt Kündigung“ fordern sie, während Verkaufspläne des...

DWN
Immobilien
Immobilien Vonovia dreht das Blatt: Gewinn nach Milliardenverlust
30.04.2024

Nach einem harten Jahr meldet Deutschlands Immobiliengigant Vonovia einen beeindruckenden Gewinn – ein Wendepunkt. Seine Aktie springt...

DWN
Finanzen
Finanzen Einzelhandel erlebt Umsatzsprung: Hoffnung auf Konsumaufschwung wächst
30.04.2024

Deutschlands Einzelhandel verzeichnet den stärksten Umsatzanstieg seit über zwei Jahren, mit realen Zuwächsen und positiven Aussichten...

DWN
Technologie
Technologie Rakete eines deutschen Start-ups soll in den nächsten Tagen ins Weltall starten
30.04.2024

Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten soll nun eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschlands Wirtschaft trotzt Erwartungen: Wachstum statt Rezession im ersten Quartal
30.04.2024

Deutschlands Wirtschaft wächst trotz düsterer Prognosen: 0,2 Prozent Wachstum im ersten Quartal. Auch der Einzelhandel gibt Anlass zur...

DWN
Finanzen
Finanzen Financial Times: Trotz Sanktionen zahlen europäische Banken hohe Steuern an Russland
30.04.2024

Trotz EU-Sanktionen zahlen europäische Banken wie Raiffeisen und Deutsche Bank hohe Steuern an Russland – politische und wirtschaftliche...