Politik

Friedensoffensive: Selenskyj lädt Putin zu persönlichem Treffen in die Türkei ein

Selenskyjs persönliches Gesprächsangebot an Putin in der Türkei und sein Drängen auf eine sofortige, 30-tägige Feuerpause setzen ein Signal für Diplomatie im Ukraine-Konflikt. Getrieben von internationalem Druck, insbesondere durch US-Präsident Trump und europäische Regierungschefs, wartet Kiew nun auf eine klare Antwort aus Moskau.
12.05.2025 09:42
Lesezeit: 3 min
Friedensoffensive: Selenskyj lädt Putin zu persönlichem Treffen in die Türkei ein
„Ich werde am Donnerstag auf Putin in der Türkei warten, persönlich“, so Selenskyj (Foto: dpa). Foto: Kay Nietfeld

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist mit seinem Gesprächsangebot an Kremlchef Wladimir Putin in die Offensive gegangen. „Ich werde am Donnerstag auf Putin in der Türkei warten, persönlich“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X. Kurz zuvor war Selenskyj von US-Präsident Donald Trump zur Teilnahme an den von Putin angebotenen Gesprächen gedrängt worden. Der russische Präsident hatte die Wiederaufnahme direkter Friedensgespräche in der Türkei ab Donnerstag vorgeschlagen, allerdings nicht explizit gesagt, dass er selbst dazu anreisen würde. Selenskyj äußerte die Hoffnung, „dass die Russen keine Ausreden suchen“.

Trumps Einfluss und Zweifel

Trump hatte argumentiert, nur wenn der ukrainische Staatschef den Gesprächen zustimme, wüssten Kiew, die europäischen Partner und die USA, woran sie seien und könnten entsprechend handeln. Der Republikaner äußerte auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social zugleich Zweifel daran, dass Putin ein Friedensabkommen schließen wolle. Dieser sei zu sehr damit beschäftigt, „den Sieg im Zweiten Weltkrieg zu feiern“. Trump spielte damit auf die Parade in Moskau zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland am Freitag an.

Forderung nach Feuerpause

Selenskyj unterstrich in seinem Post, dass die Ukraine ab Montag eine „volle und dauerhafte Feuerpause“ erwarte, um eine notwendige Grundlage für die Diplomatie zu schaffen. „Es hat keinen Sinn, das Töten fortzusetzen.“ Nun werde eine Reaktion Moskaus erwartet. „Die ganze Welt spricht darüber, wir erwarten von Russland eine klare Antwort.“ Selenskyj kündigte in seiner abendlichen Videoansprache an, die ukrainischen Streitkräfte würden unterdessen reziprok auf das Verhalten der russischen Truppen reagieren, „damit es fair zugeht“.

Völkerrechtliche Unterstützung

Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha nannte den Vorstoß Selenskyjs das Handeln „eines wahren Anführers“. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die russische Seite auch nur einen Funken eines derartigen Mutes besitzt“, schrieb er auf der Plattform X. Eine Antwort aus dem Kreml auf Selenskyjs Gesprächsbereitschaft sowie zu den Forderungen nach einer Feuerpause stand vorerst aus.

Türkei will Gespräche ausrichten

Die Türkei hat sich bereiterklärt, die Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine auszurichten. Bereits 2022 kurz nach Kriegsbeginn hatten Russland und die Ukraine in Istanbul letztlich erfolglose Verhandlungen über ein Ende der Kampfhandlungen geführt.

Hoffen und Warten auf Feuerpause

Die USA, Europa und auch die Ukraine warten, ob Russland der Forderung nach einer sofortigen, 30-tägigen Feuerpause als Vorbedingung und Voraussetzung für Friedensgespräche nachkommt. „Wir erwarten von Moskau, dass es jetzt einem Waffenstillstand zustimmt, der echte Gespräche überhaupt erst ermöglichen kann“, erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Besuch in Kiew am Wochenende. „Erst müssen die Waffen schweigen, dann können Gespräche beginnen.“

Deutsche Position

Die Bundesregierung beharrt auf diesem Punkt. „Dass die Reihenfolge so sein muss, erst der Waffenstillstand und dann die Gespräche, das gebietet ja eigentlich schon der gesunde Menschenverstand“, sagte Kanzleramtschef Thorsten Frei in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. „Also, man braucht jetzt schon ein glaubwürdiges Zeichen, dass es einen echten Willen gibt, dass solche Gespräche nicht nur stattfinden, sondern auch zum Erfolg führen.“

Kremls Vorbehalte und Sanktionsdrohungen

Russland hat bisher keine Bereitschaft gezeigt, dieser Forderung nachzukommen. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte in einem Interview des US-Senders ABC zu Bedenken gegeben, die Ukraine könne eine Waffenruhe „missbrauchen“, um Verstärkungen an die Front zu bringen und neue Waffen aus dem Ausland zu erhalten. Merz, der britische Premierminister Keir Starmer, der französische Präsident Macron und Polens Ministerpräsident Donald Tusk hatten mit Selenskyj ultimativ eine Waffenruhe von Russland ab diesem Montag gefordert. Andernfalls drohten Russland weitere Sanktionen.

Ukraine-Konferenz in London

In London könnten die angedrohten Sanktionen bereits heute auf der Tagesordnung stehen. Bundesaußenminister Johann Wadephul nimmt dort an einer weiteren Konferenz zum Krieg in der Ukraine teil. Der britische Außenminister David Lammy empfängt neben dem deutschen Spitzenpolitiker Vertreter aus Frankreich, Italien, Spanien, Polen und der EU sowie den ukrainischen Außenminister Sybiha. Die Konferenz der sogenannten Weimar+-Gruppe, einer Erweiterung des Weimarer Dreiecks aus Deutschland, Frankreich und Polen, folgt auf den Besuch europäischer Staatschefs am Samstag in Kiew. Lammy betonte die Bedeutung der Ukraine-Konferenz für die „kollektive Sicherheit“ Europas. „Die Herausforderung, vor der wir heute stehen, betrifft nicht nur die Zukunft der Ukraine – sie ist für Europa als Ganzes existenziell“, wurde er in einer Mitteilung des britischen Außenministeriums zitiert. Die Ukraine habe das Recht auf einen „gerechten und dauerhaften Frieden“, hieß es dort weiter.

Neue Kämpfe in der Ostukraine

Nach Ablauf der von Putin angeordneten dreitägigen Feuerpause waren unterdessen am Sonntag im Osten der Ukraine neue Kämpfe ausgebrochen. Nach Darstellung des ukrainischen Generalstabs in Kiew traten russische Truppen zu 67 Angriffen an verschiedenen Frontabschnitten an. Aus den Vororten von Charkiw wurden russische Luftangriffe gemeldet. Am Abend und in der Nacht gab es erneut vielerorts Luftalarm. Auch Russland meldete ukrainische Angriffe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump vs. Powell: Der nächste Angriff auf die US-Notenbank
15.07.2025

Trump bringt Fed-Chef Powell erneut ins Visier – diesmal mit einem Trick über Baukosten. Dahinter steckt mehr als ein Haushaltsstreit:...

DWN
Politik
Politik Letta warnt: NATO-Aufrüstung und Trump könnten Europa ruinieren
15.07.2025

Italiens ehemaliger Ministerpräsident Enrico Letta schlägt Alarm: Europas größte Staaten können die NATO-Vorgaben nicht erfüllen –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...