Politik

Türkei: Kurden kämpfen in Idlib mit Russen und Syrern

Lesezeit: 3 min
16.08.2018 00:02
Teile der Kurden-Milizen in Syrien werden offenbar an der syrisch-russischen Offensive gegen die Söldner-Provinz Idlib teilnehmen.
Türkei: Kurden kämpfen in Idlib mit Russen und Syrern

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Nach einem Bericht der Zeitung The Daily Sabah sollen Teile der Kurden-Milizen der YPG nach Aleppo transferiert worden sein. Dabei soll es sich um 1300 Kämpfer handeln, die offenbar an der Idlib-Offensive der syrisch-russischen Koalition teilnehmen werden. Zuvor hatten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den Kurden-Milizen dominiert und von den USA unterstützt werden, angekündigt, sich nicht an der Idlib-Offensive beteiligen zu wollen.

Am 13. August dementierte ein SDF-Sprecher Medienberichte, wonach sich die SDF ebenfalls an der syrisch-russischen Offensive auf Idlib beteiligen würden, berichtet Kurdistan 24. SDF-Sprecher Kino Dschebrail meldete in einer Online-Erklärung, dass seine Truppen nicht an der militärischen Operation der syrischen Regierung in der Provinz Idlib beteiligt sind. Der Sprecher wörtlich: „Einige voreingenommene Medien haben in dieser Hinsicht Gerüchte verbreitet (...) Die SDF ist ihren Vorhaben verpflichtet, die Militäroperationen abzuschließen, um die nördliche Landschaft von Deir Ezzor zu befreien und sich darauf zu konzentrieren, die terroristische Organisation IS in ihrer letzten verbliebenen Enklave östlich des Euphrats zu besiegen.”

Allerdings bestehen die Kurden-Milizen aus verschiedenen Flügeln. So kämpft die „Kurdish Falcon Brigade” auf Seiten der Türkei, während die SDF auf Seiten der USA kämpft. Andere Teile der Kurden-Milizen arbeiten wiederum mit Russland zusammen. Falls sich die YPG-Kämpfer, die in Aleppo stationiert wurden, tatsächlich an der Idlib-Offensive beteiligen sollten, würde dies seit Ausbruch des Syrien-Konflikts im Jahr 2011 einen Präzedenzfall darstellen. Teile der Kurden würden erstmals militärisch mit der SAA kooperieren. Von Aleppo aus führt die Internationale Autobahn Aleppo-Damaskus direkt in die Provinz Idlib. Sie verbindet Aleppo mit Hama, Homs und Damaskus. Die YPG würde im Rahmen einer Beteiligung diese Autobahn nutzen, um die Logistik zu sichern. Der Vorstoß würde somit über den Nordosten Aleppos erfolgen.

Im Juli begann die YPG in der Region Hasaka, Verhandlungen mit der syrischen Regierung zu führen. Die Verhandlungen endeten damit, dass die SAA in Hasaka Rekrutierungsbüros wiedereröffnete. Dies deutet darauf hin, dass die SAA ein Interesse daran hat, kurdische Kämpfer zu rekrutieren, damit diese unter dem Banner der SAA kämpfen.

Die syrische Armee (SAA) hat am Wochenende mit ihrer Operation in der Söldner-Provinz Idlib begonnen. Syrische Hubschrauber sollen nach Angaben des englischsprachigen Diensts von Reuters über Idlib Flugblätter mit folgender Aufforderung abgeworfen haben: „Der Krieg nähert sich dem Ende (...) Wir fordern Sie auf, sich den lokalen Versöhnungen anzuschließen, wie es viele unserer Leute in Syrien getan haben. Ihre Zusammenarbeit mit der syrisch-arabischen Armee wird Sie von der Herrschaft der militanten Kämpfer und Terroristen befreien und zur Erhaltung der Leben Ihrer Familien führen.”

Die SAA hat damit begonnen, die syrische Stadt Dschisr asch-Schughur in der Provinz Idlib zu bombardieren. Die Stadt war der Ausgangspunkt für Angriffe der Söldner auf die Provinz Latakia, die von den Regierungstruppen kontrolliert wird. Nach Informationen von Gulf News sollen sich in Idlib etwa 70.000 Söldner befinden. Das Blatt wörtlich: „Das ist die größte Konzentration von Oppositionskämpfern (Söldnern, Anm. d. Red.), die noch versammelt sind. Idlib teilt sich eine 100 Kilometer lange Grenze mit der Türkei und wurde 2015 von Extremisten und Rebellen (Söldnern, Anm. d. Red.) erobert. Heute werden rund 60 Prozent Idlibs von Hayat Tahrir Al Sham (HTS) (Al-Nusra-Front, Anm. d. Red.) (...) gehalten. Der Rest wird von rivalisierenden Rebellen (Söldnern, Anm. d. Red.) kontrolliert, während die Regimekräfte einen südöstlichen Splitter halten. Es gibt auch geschätzte drei Millionen Zivilisten in Idlib.”

Am Sonntag fuhr die SAA mit ihrer Operation im Norden von Hama und Süden von Idlib fort. Sie zielte auf Einheiten von HTS ab, die sich in diesen Gebieten befinden, berichtet die syrische staatliche Nachrichtenagentur SANA. Dabei wurde ein Fahrzeug mit HTS-Mitgliedern zerstört, die sich zwischen der Dschisr asch-Schughur-Brücke und der Sarmaniyeh-Straße bewegten. In den Städten Zaizoun und Qalidin wurden Einheiten der Islamischen Partei Turkestan (TIP), eine Terrororganisation mit uigurischen Söldnern aus China, bombardiert. Die chinesische Regierung hatte zuvor mitgeteilt, dass sie die Offensive gegen chinastämmige Söldner unterstützt, da diese Gruppen bei einer Rückkehr nach China eine unmittelbare Gefahr für Peking darstellen könnten. Die Regierung in Peking erwägt auch, eine direkte militärische Beteiligung in Idlib.

Einer weiteren Mitteilung von SANA zufolge wurden über dem Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in der Provinz Latakia zwei Drohnen abgeschossen. Der Ursprung der Drohnen blieb ungeklärt.

Die türkische Zeitung Cumhuriyet führt aus: „In Idlib befinden sich all jene radikal klerikalen, dschihadistischen Gruppen, die in Opposition zu Damaskus stehen, und für den Tod von hunderttausenden Menschen verantwortlich sind. Sie sind zuvor aus allen anderen Teilen Syriens geflohen. Derzeit versuchen sie in Idlib, eine Art Autonomie zu schaffen. Die UN hat die Türkei aufgefordert, ihre Grenzen offen zu halten, da sie davon ausgeht, dass es eine neue Flüchtlingswelle geben wird (...) Die Türkei kann und darf die Gruppen, die in Gegnerschaft zu Damaskus stehen, nicht schützen. Die Türkei kann auch keinen Widerstand gegen die syrische Armee, die ihr Land retten will, leisten. Wir haben immer gesagt, dass der Vorteil für die Türkei darin liegt, sich mit Damaskus zu einigen und zu kooperieren. Doch die Oberschlauen in Ankara sind die Geiseln ihrer falschen Politik geworden, die sie von Anfang an betrieben haben. Die Türkei muss mit Syrien zusammenarbeiten.”

Der Jerusalem Post zufolge könnte sich Damaskus mit der Präsenz von Söldner-Gruppen der Freien Syrischen Armee (FSA), die von der Türkei unterstützt werden, abfinden, wenn Ankara ebenfalls gegen HTS vorgeht. HTS ist ein erbitterter Gegner der Gespräche von Astana. Sie zielt auf den Sturz von Präsident Baschar al-Assad und die Vertreibung der türkischen und russischen Truppen aus dem Nordwesten Syriens ab. Nach Angaben der BBC ist HTS auch strikt anti-iranisch ausgerichtet.

 


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