Beobachtern zufolge ist das europäische Bankensystem besonders anfällig für Geldwäsche-Geschäfte. Eine chaotische und unwirksame Strukturierung der Regulierungsanstrengungen in diesem Bereich erlaube es Banken, undurchsichtige Finanzgeschäfte zu tätigen, schreibt die in London erscheinende Financial Times. „Europa hat ganz klar ein Problem. Der Hauptgrund ist, dass die Herangehensweise an die Geldwäsche hier chaotisch verläuft. In fast allen Fällen der vergangenen Jahre, ist die Initiative von US-Behörden zurückgegangen, weil es sich um global agierende Banken mit Niederlassungen in den USA handelte“, schreibt die FT.
Der FT zufolge weist das europäische Bankensystem fünf große Schwachstellen auf:
- Die von der EU veröffentlichte Direktive gegen Geldwäsche wurde in den vergangenen 10 Jahren fünf Mal abgeändert und werde zudem von den EU-Mitgliedsstaaten oft nur teilweise umgesetzt.
- Die Qualität der Regulierungsbestimmungen und deren Umsetzung variiere stark in den Ländern. Insgesamt würde nur etwa jedes zwanzigste Verdachtsmoment im Bereich Geldwäsche weiterverfolgt.
- Einige Bankensysteme wie etwa Estland, Lettland, Malta und Zypern hätten Geschäfte mit ausländischem Kapital als lukrative Einnahmequelle entdeckt und hätten zugleich keine entsprechenden Regulierungsvorschriften zur Bewertung der Geldströme erlassen.
- Die Zusammenarbeit verschiedener Bankenaufsichten in der EU funktioniere oft nicht. Im Fall der Danske Bank beispielsweise hätten sowohl die dänische als auch die estnische Finanzaufsicht Verdachtsmomente für Geldwäsche gefunden, dies aber als Zuständigkeitsbereich der jeweils anderen Institution identifiziert.
- Es existiert bis heute keine zentralisierte, EU-weit verfügbare Datenbank zur Geldwäsche.
Der Bundesverband deutscher Banken betrachtet die gegenwärtig in Europa existierenden Vorkehrungsmaßnahmen gegen Geldwäsche hingegen als ausreichend:
„Die EU hat mit inzwischen mit fünf Richtlinien und ergänzenden EBA-Regulierungen ein dichtes Netz an Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche geknüpft. Zu wenig Regeln sind daher mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht das Problem. Die aktuell berichteten Fälle müssen sorgfältig aufgeklärt und die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Auch wenn man das seriös nur in voller Kenntnis der Sachlage beurteilen kann, dürfte es dem ersten Anschein nach keinen Mangel an zu wenig Regulierung in Europa gegeben haben“, sagte ein Sprecher den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.
Ähnlich äußert sich auf Anfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten auch eine Sprecherin der Commerzbank:
„Aus unserer Sicht verfügt das Finanzsystem der Europäischen Union heute schon über ausreichende regulatorische Strukturen, um dem Problem der Geldwäsche entgegenzuwirken. Hinsichtlich des regulatorischen Rahmens ist die gesetzliche Entwicklung der letzten Jahre stets vorangeschritten. Insbesondere zeigen die Umsetzung der 4.- und die Verabschiedung der 5. EU-Geldwäscherichtlinie eine Weiterentwicklung auf; so sind signifikante Regelungen eingeführt worden, die teilweise über den internationalen Standard hinausgehen.Die EU hat auf die jüngsten Skandale (z.B. Panama Papers) entsprechend reagiert und Maßnahmen eingeleitet. Beispielsweise wurden die Regelungen für die elektronische Identifizierung vereinheitlicht und damit auf die strukturellen Veränderungen im modernen Finanzsystem reagiert. Hinsichtlich der geldwäscherechtlichen Begriffe (z.B. politisch exponierten Personen) wurde eine transparentere Regulierung geschaffen. Auch die Schwellenwerte für die Erfassung der wirtschaftlich Berechtigten wurden EU-weit harmonisiert.
Trotz dieser weitreichenden Verbesserungen wird es auch in Zukunft zwingend notwendig sein, den regulatorischen Rahmen und die Eingriffsmöglichkeiten der Behörden weiterzuentwickeln, um illegale Handlungen in diesem Bereich zu bekämpfen: Dies insbesondere mit Bezug auf virtuelle Währungen.“
Vergangene Woche hatte die EU-Kommission angekündigt, der Europäischen Bankenaufsicht (European Banking Authority – EBA) mehr Kompetenzen beim Vorgehen gegen Geldwäsche einzuräumen. Hierbei soll die Geldwäsche-Abteilung bei der Aufsicht beispielsweise von derzeit 2 auf 10 Mitarbeiter ausgebaut werden. „Letztendlich werden Banken mit der Geldwäsche in Europa aber solange weitermachen, wie die Bankenaufsicht nicht eigenständig Strafen verteilen kann und die nationalen Regulierer nur moderate Strafen verhängen“, schreibt die FT.
Den Vorstoß der Kommission bewertet die Commerzbank als Fortschritt:
„Der europäische Vorstoß, bestehende Lücken und Überschneidungen zwischen den nationalen Rechtssystemen, die kriminelle Handlungen in diesem Bereich begünstigen, zu schließen, stellt ein wirksames Instrument für die Bekämpfung der Geldwäsche dar und ist zu begrüßen. Eine Maßnahme ist die Ausweitung der Aufgaben der europäischen Strafverfolgungsbehörden auf die grenzüberschreitende Bekämpfung von Terrorismus. Dies wurde bereits von der Kommission aufgegriffen.Von daher werden wir alle weiteren Entwicklungen aufmerksam folgen. Insbesondere ist das Spannungsfeld zwischen Harmonisierung und Ausgestaltung in der nationalen Verwaltungspraxis und der Austausch zwischen allen Beteiligten im Rahmen der weiteren Diskussionen zu beobachten.
Maßgeblich für den Erfolg dieser Regulierungsnovelle wird jedoch letztlich die Umsetzung und wirksame Anwendung sein, die in ihrer endgültigen Gestaltung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird.“
Der Bankenverband weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen der EBA und den nationalen Behörden noch weiter verstärkt werden sollte:
„Die EBA ist eine Regulierungs-, keine Aufsichtsbehörde, die vor Ort tätig wird. Auch wenn eine Verstärkung der EBA in diesem Bereich befürwortet werden kann, ist bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung die Nähe zu Aufsichts- und Ermittlungsbehörden vor Ort in den Mitgliedstaaten essentiell. Der Austausch auf dieser Ebene stellt für die Adressaten der Anti-Geldwäsche-Regeln oft den „missing link“ bei der Beurteilung von Verdachtsfällen dar. Eine intensive Vernetzung dieser Behörden auf EU-Ebene ist ebenso wichtig wie eine Verbesserung des Informationsflusses von den Ermittlungsbehörden zu den Verpflichteten.“
Die Commerzbank fordert insgesamt eine engere Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, weil das Problem der Geldwäsche nicht auf einzelne Länder oder Kontinente beschränkt ist:
„Der moderne Zahlungsverkehr findet grenzüberschreitend statt. Somit lassen sich Straftaten aus dem Geldwäschebereich nicht lokal eingrenzen. Insbesondere zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass Geldwäsche nicht an Grenzen halt macht; daher müssen auch regulatorische Initiativen in internationaler Zusammenarbeit entwickelt werden.Einen Verbesserungsbedarf sehen wir insbesondere bei der Strafverfolgung, die zur Zeit oftmals an nationalen Grenzen endet. Daher sind hier EU-weite Definitionen von Straftatbeständen und eine engere Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden unabdingbar. Ein besserer und schnellerer Informationsaustausch zwischen Instituten und Behörden (Information Sharing) ist eine zwingende Voraussetzung, vor allem in Hinblick auf die rechtlichen Diskussionen im Spannungsfeld des Datenschutzes.
Insofern stellt Geldwäsche eine globale Herausforderung dar und lässt sich nicht auf einzelne Regionen reduzieren. Eine wirksame Bekämpfung kann deshalb nur in enger internationaler Zusammenarbeit funktionieren. Dieser Anspruch wird zum Beispiel in der grenzüberschreitenden Anwendung der „ESA Risk Factor Guidelines“ durch die Integration in die nationalen Aufsichtspraktiken verdeutlicht.“
In den vergangenen Jahren hatten US-Behörden hohe Strafen gegen europäische Banken im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Geldwäsche erlassen. Im vergangenen Jahr musste die Deutsche Bank rund 700 Millionen Dollar an Strafen in den USA zahlen, weil sie russischen Kunden dabei geholfen haben soll, Gelder außer Landes zu schaffen. Die niederländische ING Groep zahlte im vergangenen Monat rund 900 Millionen Dollar, um eine Anklage wegen Geldwäsche in den USA zu verhindern. Die lettische Bank ABLV war geschlossen worden, nachdem die USA dem Institut vorwarfen, in Geldwäsche von Kunden aus dem Nachbarland Russland und der Ukraine verwickelt zu sein. Auch die britischen Banken HSBC und Standard Chartered sowie die französische BNP Paribas mussten in den vergangenen Jahren hohe Zahlungen leisten.
Zu bedenken ist, dass Geldwäsche in vielen Teilen der Welt ein großes Problem darstellt. So verfügen auch nicht-europäische Jurisdiktionen wie die USA über Finanzplätze, in denen eine wirksame Regulierung oft nicht möglich ist – beispielsweise in den Bundesstaaten Nevada oder Delaware. Großbritannien verfügt mit den Kanalinseln und Übersee-Territorien wie den Cayman Islands über bekannte Standorte für Steuerhinterziehung.