Deutschland richtet 18 Jahre nach der Weltmeisterschaft 2006 erneut ein großes Fußballturnier aus: die EM 2024. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) setzte sich mit seiner Bewerbung gegen die Türkei durch, wie der Präsident des europäischen Verbandes UEFA, Aleksander Ceferin, am Donnerstag im schweizerischen Nyon mitteilte. "Wir haben die EURO 2024", jubelte der DFB in Großbuchstaben auf seiner Homepage. DFB-Präsident Reinhard Grindel bedankte sich für das Vertrauen des Exekutivkomitees. "Wir werden alles tun, es zu rechtfertigen." Zu den ersten Gratulanten gehörte Außenminister Heiko Maas (SPD). "Hier können und müssen wir zeigen, wofür wir einstehen: für Weltoffenheit und Toleranz, für Freiheit und Respekt", twitterte er.
Die Türkei, deren Präsident Recep Tayyip Erdogan sich derzeit zu einem Staatsbesuch in Deutschland aufhält, unterlag bereits zum vierten Mal nach 2008, 2012 und 2016 im Ringen um die EM. Das Land ist in eine Wirtschaftskrise gerutscht und wegen der Menschenrechts-Politik Erdogans in die Kritik geraten. Der DFB galt zwar als Favorit, nachdem die UEFA die Bewerbung unter dem Motto "United by Football. Vereint im Herzen Europas" im Vorfeld eindeutig besser bewertet hatte als die der Türkei. Grindel bangte aber bis zuletzt um den Zuschlag - unter anderem wegen der Schlagzeilen um ausländerfeindliche Übergriffe, den Rücktritt des türkischstämmigen Nationalspielers Mesut Özil und Fan-Ausschreitungen. Bei einer Niederlage wäre die Kritik an der Amtsführung des ehemaligen CDU-Politikers noch lauter geworden.
Auf Deutschland entfielen zwölf Stimmen im Exekutivkomitee, auf die Türkei vier. Der Slowene Ceferin, der seit zwei Jahren an der Spitze der UEFA steht, gab sich unparteiisch: "Der Ablauf war transparent, die Wahl war demokratisch", sagte er. "Jede demokratische Entscheidung ist die richtige Entscheidung." Nach der WM 2006 hatte der DFB Berichte über Bestechungszahlungen an Funktionäre der FIFA nicht entkräften können. Das für den Sport zuständige Bundesinnenministerium erklärte, der DFB habe die Lehren aus dem Skandal um die Vergabe der WM 2006 gezogen.
Die deutsche Wirtschaft verspricht sich von der Fußball-EM im eigenen Land Milliarden-Geschäfte und einen Konjunkturschub. "Eine Fußball-EM in Deutschland ist eine positive Nachricht für viele Unternehmen hierzulande", sagte der Außenwirtschafts-Chef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, der Nachrichtenagentur Reuters. "Solch ein Großevent sorgt für steigende Nachfrage durch privaten Konsum und durch Touristen." Die WM 2006 habe 0,3 Prozent zusätzliches Wirtschaftswachstum gebracht. Durch die EM sei ein ähnlicher Schub zu erwarten. Der Sportausrüster Adidas hatte erst vor zwei Wochen den Vertrag mit dem DFB bis 2026 verlängert. "Deutschland wird ein perfekter Gastgeber sein", sagte Vorstandschef Kasper Rorsted.
Besonders der Handel hofft auf eine Neuauflage des "Sommermärchens": Damals hatte er zwei Milliarden Euro mehr mit deutschen und ausländischen Fans umgesetzt. Wirtschaftsforscher warnen aber vor übertriebenen Hoffnungen. Die Studien zu den wirtschaftlichen Effekten von großen Sportveranstaltungen kämen nicht zu einheitlichen Ergebnissen, sagte der Vize-Präsident des Instituts IWH Halle, Oliver Holtemöller. Es gebe auch Studien, wonach die negativen Effekte, etwa hohe Kosten und nach dem Wettbewerb nicht ausgelastete Veranstaltungsorte, überwögen.
Neue Stadien werden in Deutschland für die EM aber nicht gebaut. Die Spiele werden in zehn deutschen Städten ausgetragen: Berlin, München, Düsseldorf, Stuttgart, Köln, Hamburg, Leipzig, Dortmund, Gelsenkirchen und Frankfurt. "Wir haben tolle Stadien, Fans, die den Fußball lieben, vor allem aber haben wir Menschen, die gerne mit anderen Europäern feiern", sagte der ehemalige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, Philipp Lahm, der die EM an leitender Stelle mit organisieren soll.
Deutschland hat die EM erst ein Mal 1988 ausgetragen: Damals wurden die Niederlande Europameister. Der Titel ging bisher dreimal an den DFB: 1972, 1980 und 1996. Einen Vorgeschmack auf die EM 2024 bekommen die deutschen Fans bereits in zwei Jahren. Dann findet das Turnier mit 24 Nationalteams in 13 Ländern Europas statt. Vier Spiele, darunter ein Viertelfinale, werden 2020 in München ausgetragen. Das Finale und die Halbfinals finden in London statt.