Politik

Syrien: Assad erlässt Amnestie für Deserteure

Syriens Präsident Baschar al-Assad hat eine Generalamnestie für Deserteure erlassen.
10.10.2018 00:20
Lesezeit: 3 min

Syriens Präsident Baschar al-Assad hat am Dienstag das Gesetzesdekret Nr. 18 unterschrieben, wonach eine allgemeine Amnestie für militärische Deserteure innerhalb und außerhalb des Landes umzusetzen ist, meldet die syrische staatliche Nachrichtenagentur SANA. Das Dekret umfasst keine Justizbeamten, die desertiert sind, es sei denn, die Justizdeserteure im Inland wenden sich innerhalb von vier Monaten und die Justizdeserteure im Ausland wenden sich innerhalb von sechs Monaten an die syrischen Behörden, um eine Rückkehr zu beantragen. Das Dekret sieht auch die Gewährung einer Generalamnestie für Straftaten vor, die in dem Gesetz des Militärdienstes Nr. 30 von 2007 und seinen Änderungen enthalten sind.

Nach Angaben des Institute for the Study of War wurde die syrische Armee (SAA) von etwa 300.000 Mann vor 2011 auf etwa 150.000 und 175.000 im Jahr 2014 reduziert, da die Soldaten entweder ins Ausland geflüchtet sind, oder sich der Freien Syrischen Armee (FSA) angeschlossen haben, berichtet das Norwegian Country of Origin Information Centre (Landinfo). In den Folgejahren wurde die Armee weiter geschwächt. Schätzungen vom Oktober 2015 zufolge ging die Anzahl des SAA-Personals auf 80.000 bis 100.000 zurück. Die SAA hatte den Vorteil, dass nicht in etwa ganze Divisionen, sondern einzelne Offiziere und Soldaten desertiert sind.

Carnegie Europe führt in einem Bericht aus, dass die internationalen Akteure, die sich zu Beginn des Syrien-Konflikts 2011 gegen die syrische Regierung positioniert hatten, einer falschen Annahme gefolgt seien. Die internationalen Akteure hätten gedacht, dass die große Masse an Fahnenflüchtigen die SAA schwächen würde. Carnegie Europe wörtlich: "Massive militärische Insubordination hat nicht zum Zerfall der syrischen Armee geführt (...) Weder Deserteure noch Abtrünnige haben das Militär oder seine Befehlskette erheblich geschwächt (...) Die Rekrutierung von Rebellen wird stark von wirtschaftlichen Faktoren beeinflusst. Wirtschaftliche Notwendigkeiten drängen Deserteure oft dazu, sich der Rebellion auf der Seite radikaler, gut finanzierter Dschihad-Milizen anzuschließen. Der Wettbewerb um wirtschaftliche Ressourcen hat zur Zersplitterung der Rebellen und damit zu einem zunehmend unlösbaren Konflikt beigetragen."

Deshalb ist es Carnegie Europe wesentlich effizienter, Desertationen innerhalb der SAA und der syrischen Beamten der mittleren Führungsebene durch "finanzielle Unterstützung zu fördern", statt Rebellen zu rekrutieren. Carnegie Europe führt aus: "Zwischen Juni 2011 und März 2013 desertierten mindestens 70 hochrangige Offiziere des Militärs und des Sicherheitsdienstes. Etwa die Hälfte dieser hochrangigen Offiziere hatte den Rang eines Aqid (Oberst) und viele andere hatten Positionen in den Bereichen Infrastruktur und Logistik des Militärs und der Sicherheitsdienste inne (...) Unter diesen 70 militärischen Überläufern waren etwa 30 hochrangige Offiziere. Prominente Beispiele sind Brigadegeneral Mohamed Yahya Bitar, der am 1. April 2012 der FSA beigetreten ist; Brigadegeneral Abdulmajid al-Ashtar, der ein ehemaliger Kommandeur in der zentralen Militärregion war und am 7. Juli 2012 übergelaufen ist; und Generalmajor Adnan Nawras Salou, der eine wichtige Figur in der Opposition wurde (...) Am 20. Juni 2012 flog ein MiG-21-Kampfpilot, Hassan Hamada, mit seinem Flugzeug nach Jordanien, um sich um politisches Asyl zu bewerben. Am 4. August 2012 verurteilte Flieger Muhammed Ahmed Faris - der erste Syrer im Weltraum - öffentlich das Assad-Regime und emigrierte in die Türkei."

Christen loyal gegenüber Assad

Im Verlauf des Syrien-Konflikts hat sich die Mehrheit der sunnitisch-arabischen Offiziere, aber insbesondere die christlichen, drusischen und alawitischen Offiziere als loyal gegenüber der syrischen Regierung gezeigt. Luka al-Khouri, der stellvertretende Patriarch der Kirche von Antiochia, kritisiert vor allem den Ansatz des Westens, Länder in ethnische Minderheiten zu spalten.

Christian Today zitiert den stellvertretenden Patriarchen: "Das Konzept einer ethnischen Minderheit ist ein westliches. Unter Assad sind wir alle Syrer. Wir stehen vereint als Syrer (...) Wenn Assad fällt, werden sie nicht nur uns massakrieren, sie werden auch alle gemäßigten Muslime töten. Seit 40 Jahren hat Syrien keine Probleme zwischen den verschiedenen Religionen und Sekten. Jeder syrische Christ wird gegen die Invasoren kämpfen, die vom Golf und vom Westen [ISIS] gesponsert werden. Dies ist ein Krieg zwischen dem syrischen Volk und ausländischen Terroristen."

Im April 2018 veröffentlichten die syrisch-christlichen Würdenträger eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Luftschläge der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen Syrien verurteilten. Die Erklärung wurde von Johannes X., dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien und dem ganzen Osten ;Ignatius Aphrem II, Syrisch-Orthodoxer Patriarch von Antiochien und ganz Ost, und Joseph Absi, Melkitisch-Griechisch-Katholischer Patriarch von Antiochien, Alexandria und Jerusalem unterschrieben, berichtet das Hudson Institute. Sie umschrieben die westlichen Luftschläge als "brutale Aggression" und "ungerechtfertigten Angriff" gegen "unser kostbares Syrien".

 

 

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