Wenige Tage vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Rumänien hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Eignung des Landes angezweifelt. Zwar sei Rumänien "technisch gut vorbereitet" auf den sechsmonatigen Vorsitz, sagte Juncker der Welt am Sonntag. Er glaube aber, dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen habe, "was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen". Die Regierung in Bukarest wies die Vorwürfe zurück.
Rumänien übernimmt am 1. Januar die EU-Ratspräsidentschaft von Österreich - zum ersten Mal seit seinem EU-Beitritt 2007. Zuletzt hatte das südosteuropäische Land vor allem mit politischen Zerwürfnissen und umstrittenen Reformen auf sich aufmerksam gemacht: Im Zentrum der Kritik steht ein geplantes Amnestiegesetz für korrupte Beamte und Politiker, von dem auch der Chef der Regierungspartei PSD, Liviu Dragnea, persönlich profitieren könnte. Brüssel fürchtet zudem eine Schwächung der Unabhängigkeit der rumänischen Justiz durch Justizreformen der Regierung.
Für Sorge in Brüssel sorgt auch ein Zerwürfnis zwischen der Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dancila und dem EU-nahen Präsidenten Klaus Iohannis. Juncker sagte, das Land könne in Europa derzeit nicht als "kompakte Einheit" auftreten. Für ein umsichtiges Handeln brauche es zudem "die Bereitschaft, anderen zuzuhören und den festen Willen, eigene Anliegen hintenan zu stellen", sagte Juncker. Da habe er mit Blick auf Rumänien "einige Zweifel".
Rumäniens Außenminister Teodor Melescanu und Europaminister George Ciamba erwiderten in einer gemeinsamen Erklärung, Bukarest sei bereit, mit allen Institutionen zusammenzuarbeiten, "ohne seine innenpolitischen Meinungsverschiedenheiten nach außen zu tragen". Die rumänische Regierung sei sich zudem durchaus im Klaren über ihre Rolle "als unparteiischer Vermittler". Der EU-Ratsvorsitz solle "nicht politisiert" werden.
Auch mehrere Europaabgeordnete und Politiker der rumänischen Regierungspartei PSD wehrten sich gegen die Kritik. Rumänien werde von einigen EU-Vertretern immer noch als "Nation zweiter Klasse" angesehen, erklärte Ex-Verteidigungsminister Mihai Fifor.
Der Außenpolitik-Experte Dan Dungaciu von der Universität Bukarest geht davon aus, dass die Unstimmigkeiten an der rumänischen Staatsspitze keine Auswirkungen auf den EU-Ratsvorsitz haben werden. Die Spannungen mit Brüssel seien aber "Wasser auf die Mühlen" der EU-Kritiker, wie es auch im Streit mit Ungarn und Polen der Fall sei, analysierte er.
Während der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft werden einige entscheidende Weichen für die Zukunft der Europäischen Union gestellt. Ende März soll der britische EU-Austritt vollzogen werden, und im Mai können EU-kritische Parteien bei der Europawahl mit einem deutlichen Stimmenzuwachs rechnen.