Politik

Europa ist schlecht auf Natur-Katastrophen vorbereitet

Die Klimapolitik des Westens erschöpft sich in Parolen und Konferenzen. Viel wichtiger als die irreführende und gefährliche Konzentration auf die Kohlenstoffdioxid-Emissionen wäre eine intelligente Politik gegen Naturkatastrophen.
13.01.2019 17:36
Lesezeit: 5 min

Die derzeit weltweit etablierte Klimapolitik erschöpft sich in Parolen und Konferenzen. Gestritten wird über die Frage, ob der Klimawandel tatsächlich stattfindet oder nicht, ob das menschliche Verhalten die Ursache ist oder nicht und wenn ja in welchem Ausmaß.

Diese Aktivitäten lösen das Problem nicht. Tatsächlich nimmt die Zahl der Naturkatastrophen zu, die Schäden sind enorm und somit braucht es konkrete Maßnahmen. In den ersten Tagen des Jahres ziehen die Rückversicherer, allen voran die Munich Re und die Swiss Re, Bilanz: Im vergangenen Jahr 2018 verursachten  Naturkatastrophen etwa 10.400 Todesopfer, zehntausende mussten evakuiert werden und verloren ihr Heim, die Schäden belaufen sich auf etwa 160 Milliarden US-Dollar. Nur etwa die Hälfte davon war versichert. Der Zehnjahresschnitt wurde deutlich übertroffen. 2017 war es noch schlimmer: Die Schäden erreichten damals den Gegenwert von etwa 330 Milliarden Dollar.

Die CO2-Kampagne schadet mehr als sie nützt

Die Politik indes konzentriert sich auf die Bekämpfung der Emission von Treibhausgasen durch Maßnahmen des Menschen, wobei Kohlenstoffdioxid (CO2) in erster Linie im Fokus steht, neben Methan und Lachgas: CO2 würde die Klimaerwärmung verursachen, daher müsse der Ausstoß gesenkt werden um bis zum Ende des Jahrhunderts zu verhindern, dass die Temperatur im Schnitt um 2 Grad höher ist als vor dem industriellen Zeitalter. Zu erreichen sei dies nur durch eine grundlegende Änderung des Verhaltens der Menschen, die vielfach als Zerstörer der Natur angeprangert werden.

In der Öffentlichkeit entsteht in der Folge der falsche Eindruck, man müsse nur weniger Öl und sonstige fossile Energieträger verbrauchen und damit wäre das Klimaproblem saniert. Womit hier nicht der sparsame und effiziente Umgang mit Ressourcen in Frage gestellt sei, im Gegenteil, das ist ohne Zweifel ein Gebot der Zeit. Nur: Naturkatastrophen werden so nicht verhindert.

Die aktuelle Strategie ist aus mehreren Gründen problematisch:

- Die derzeit immer größer werdenden Naturkatastrophen können nicht dadurch bekämpft werden, dass vielleicht in den kommenden Jahrzehnten die Klimaerwärmung abgeschwächt wird. Der Handlungsbedarf besteht bereits jetzt. Der Fokus auf CO2 ist nicht überzeugend. Der CO2-Gehalt in der Luft beträgt 0,04 Prozent, wovon etwa ein Drittel auf die durch den Menschen verursachten Emissionen entfallen.

- Befürchtet wird im laufenden Jahrzehnt eine Zunahme um etwa ein Fünftel, dann würde der CO-2 Gehalt in der Luft von 0,04 auf 0,05 Prozent steigen.

- Eine totale Beseitigung der von Menschen ausgelösten Emissionen ist unmöglich, weil 7,5 Milliarden Menschen atmen, mobil sind, heizen etc. Also ist im besten Fall eine Senkung auf 0,03 oder eine Stabilisierung bei 0,04 Prozent erreichbar.

- Wenn der Wert unter 0,02 Prozent sinkt, ist menschliches Leben auf der Erde sogar gefährdet, weil CO2 die Photosynthese der Pflanzen ermöglicht und in der Folge die Versorgung der Menschen mit Sauerstoff sichert.

- Es ist ohne Zweifel hilfreich, den CO2-Gehalt der Luft unter Kontrolle zu halten. Es ist unbestritten, dass die Emissionen der Kraftwerke, der Industrieanlagen wie der Fahrzeuge und Heizungen konsequent zu reduzieren sind. Die Strategie, die gesamte Klimapolitik auf diesen Bereich abzustellen, bewirkt jedoch, dass man die sonstigen, vielfältigen Ursachen der Klimaerwärmung, allen voran die entscheidenden Auswirkungen der Sonnenaktivität, vernachlässigt.

Bei Naturkatastrophen ist die Ursachenbekämpfung kaum möglich

Vor allem: Beim Klima und den Erdbeben im Gefolge der Verschiebung der Erdplatten oder den Vulkanausbrüchen ist der Mensch nicht in der Lage die Ursachen der Katastrophen wirksam zu bekämpfen. Er ist darauf beschränkt, Maßnahmen zu ergreifen, die die Folgen bewältigbar machen. Die Politik müsste also in erster Linie die stattfindenden Katastrophen beachten, Maßnahmen definieren und umsetzen.

- Die Bilder, die nach Stürmen um die Welt gehen, täuschen: Gefährdet sind nicht nur die bescheidenen Hütten in armen Regionen. Man kann sich auch nicht damit beruhigen, dass in den USA viele Gebäude keineswegs katastrophentauglich gebaut sind und daher die Hurrikans gigantische Schäden verursachen

- Zum Entsetzen der Betroffenen erweisen sich auch in Europa nicht alle Dächer, Fenster, Eingangs- und Terrassentüren den aktuellen Stürmen gewachsen.

- In jüngster Zeit finden aber Sturmkatastrophen weltweit statt, wobei ein besonderes Phänomen zunimmt: In kleinen Regionen treten lokale Stürme auf, die einige Kilometer weiter nicht bemerkt werden, aber enorme Schäden auslösen.

- Die Daten zeigen, dass nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch in den Industriestaaten, enorme Versicherungs-Lücken bestehen, die im Schadensfall existenzbedrohend sind.

- Die Möglichkeiten einer finanziellen Absicherung sind zudem begrenzt, Versicherungen können nicht jedes Risiko übernehmen: Entscheidend ist die Bautechnik, sodass weltweit die Bauordnungen überprüft werden müssen.

Fazit: Am Beispiel der Stürme ist die Notwendigkeit von zwei Maßnahmen, bauliche Veränderungen und Versicherungsschutz, leicht nahvollziehbar. Eine gleichlautende Argumentation gilt etwa für Hochwasser und Überschwemmungen, die ebenfalls erschreckend zunehmen, wobei neben einem wirksamen Hochwasserschutz und Versicherungen von vornherein Bauten in gefährdeten Zonen zu vermeiden wären. Ähnlich lässt sich bei allen Naturkatastrophen argumentieren: Kältewellen und Hitzeperioden werden sich nicht vermeiden lassen, intelligente Konzepte werden auch für den Umgang mit diesen Erscheinungen sorgen müssen.

Die Politik hätte konkrete Aufgaben zu erledigen

Allerdings versagt die Politik.

- Für Bauordnungen ist die Politik zuständig. Entsprechende Auflagen haben enorme Wirkungen: Allein das Abstellen der Vorschriften für Dächer auf die derzeit oft auftretenden Stürme, insbesondere auf die als Windhosen bezeichneten regionalen Tornados wäre hilfreich.

- Ebenso können Flächenwidmungs- und Bebauungspläne entscheidend zur Verringerung der Risiken beitragen, wenn Bauten als einander in einem Ensemble schützende Elemente verstanden werden.

- Als erfreulicher Nebeneffekt kann der Straßenverkehr verringert werden, wenn Objekte nicht vereinzelt im Raum stehen.

- Das beste Beispiel für die Bedeutung von katastrophengerechten Bauten liefert Tokyo, wo die erdbebensichere Bauweise dafür sorgt, dass die Wolkenkratzer auch bei schweren Beben nur geringe Schäden aufweisen.

- In den meisten europäischen Bauordnungen sind nur Beben berücksichtigt, die lange zurückliegen. Dass eine auch nur minimale Beschleunigung der Kontinentaldrift durch die Plattentektonik größere Erdbeben auslöst, ist nicht eingerechnet.

Allein im freien Markt kommt die Vorsorge gegen Naturkatastrophen nicht zustande:

- Wer auf einem Berg wohnt, ist nicht an einer Versicherung gegen Überschwemmungen interessiert. An einem See wird von sich aus niemand eine Lawinen-Versicherung abschließen. Wo seit Jahrhunderten kein Erdbeben stattgefunden hat, ist die Verschiebung der Erdplatten kein Thema.

- Wenn nur die Anrainer von Flüssen eine Hochwasser-Versicherung abschließen wollen, sind die Prämien unweigerlich extrem hoch. Und Gleiches gilt für alle Katastrophen. Für einen wirksamen und finanziell verkraftbaren Hochwasserschutz bedarf es einer obligatorischen Katastrophen-Versicherung, die alle einbindet und daher für alle leistbar ist und bei sämtlichen Katastrophen Schutz bietet.

- Hier ist die Politik gefordert, die für die gesetzlichen Rahmenbedingungen einer Pflichtversicherung sorgen müsste. Dies ist bislang nur in einigen wenigen Ländern der Fall. Auch sind die bestehenden Konstruktionen nicht immer befriedigend und die Versicherungen werden in manchen Ländern trotz der gesetzlichen Pflicht nicht immer abgeschlossen oder die Prämien werden nicht verlässlich bezahlt.

Der Meeresspiegel steigt – Lernen von den Niederlanden

Der Anstieg des Meeresspiegels wird in der Klima-Diskussion als große Gefahr betont, wobei unterschiedliche Aussagen verwirren: Das Ausmaß des Anstiegs bisher, die Unterschiede nach Regionen, das Tempo und das Ausmaß der Veränderungen in der Vergangenheit wie in der Zukunft sind Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Zur Debatte stehen die Auswirkungen auf die Küstenregionen. Auch hier sollte der Blick auf die aktuelle Lage im Vordergrund stehen.

Das Gebiet der Niederlande liegt seit jeher zu 30 Prozent unter dem Meeresspiegel. Das Land schützt sich durch eindrucksvolle Anlagen vor den Wasserfluten und hat durch eine einmalige Technik dem Meer auch große Flächen abgerungen. Bereits vor einem Jahr, im Jänner 2018 mussten allerdings zum ersten Mal alle fünf großen Sturmflutwehre geschlossen werden, um Überschwemmungen zu verhindern. Und seit diesem Ereignis werden die bestehenden Anlagen als ungenügend eingestuft.

Ein umfangreiches Investitionsprogramm wird derzeit umgesetzt. Man realisiert eine Doppelstrategie: Der Ausbau der bestehenden Wehren und Deiche wird mit der Schaffung von großen Auffangbecken für die zusätzlichen Wasserfluten kombiniert. Abgestellt ist das Konzept nicht nur auf einen höheren Meeresspiegel, sondern auch auf eine größere Wasserführung durch den Rhein und die Maas, die im Gefolge der immer wieder auftretenden Starkregen in Zentraleuropa eine weitere Hochwassergefahr darstellen.

Die niederländischen Erfahrungen können somit nicht nur im Zusammenhang mit der Bedrohung durch das Meer, sondern auch beim Umgang mit den Überschwemmungen durch Flüsse genützt werden. Das geschieht bereits in den USA, in Großbritannien, in China und in Vietnam.

Fazit: Gefordert sind in erster Linie die Ingenieure, die moderne Techniken entwickeln müssen, mit denen die Folgen des Klimawandels, der Kontinentaldrift und der verstärkten Vulkantätigkeit bewältigt werden können. Aber vor einem gefährlichen Schluss aus der realistischen Betrachtung sei gewarnt: Der Mensch wird dadurch nicht seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt enthoben.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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