Finanzen

EZB führt Anleihe-Käufe auf unbestimmte Zeit weiter

Lesezeit: 2 min
09.02.2019 21:01
Die EZB führt ihre Anleihekäufe mit einem Gesamtvolumen von 2,6 Billionen Euro auf unbestimmte Zeit weiter. Trotzdem drohen Renditesteigerungen bei Euro-Staatsanleihen.
EZB führt Anleihe-Käufe auf unbestimmte Zeit weiter

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Ende der Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank hatte viele Anleger in Unruhe versetzt. Befürchtet wurde, dass die Europäische Zentralbank mit der Einstellung eines ihrer wichtigsten Kriseninstrumente die Renditen staatlicher Bonds - und damit auch die Kreditkosten vieler Länder im Euro-Raum - nach oben treiben könnte. Doch weit gefehlt. Die Verzinsung der zehnjährigen deutschen, französischen und italienischen Papiere ging im Januar deutlich zurück. "Nach einem schwierigen Aktienjahr stehen Staatsanleihen hoch im Kurs", erklärt Said Haidar vom Hedgefonds Haidar Capital.

Postbank-Analyst Lucas Kramer zieht ein ähnliches Resümee: Die Vielzahl globaler Unsicherheitsfaktoren sorge für eine anhaltend hohe Nachfrage nach Staatsanleihen. Sorgen vor einem noch stärkeren Konjunktureinbruch im Euro-Raum und in den USA, der US-Handelsstreit mit China wie auch der nach wie vor ungeklärte Brexit treiben Investoren dabei um. Von Aktienkäufen ließen viele Anleger 2018 lieber die Finger: Dax und EuroStoxx50 verloren 18 beziehungsweise 14 Prozent.

Auch die Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks sind wegen der eingetrübten Konjunkturaussichten besorgt. Die amerikanische Federal Reserve signalisierte gerade, dass sie es nach den vier Zinserhöhungen im vorigen Jahr 2019 ruhiger angehen lassen will. Faktisch hat sie festgestellt, dass die Leitzinserhöhungen in einer total verschuldeten Volkswirtschaft zu ernsten Zahlungsschwierigkeiten bei Unternehmen und vor allem Privatpersonen geführt haben.

EZB-Chef Mario Draghi wird seine achtjährige Amtszeit Ende Oktober vermutlich gleich ganz ohne eine einzige Leitzins-Anhebung abschließen. Denn die Finanzmärkte erwarten die Zinswende im Euro-Raum inzwischen erst im Jahr 2020. Faktisch gibt die EZB mit der endlosen Aufschiebung einer geldpolitischen Wende zu verstehen, dass die überschuldeten Euro-Staaten keine nennenswerten Verteuerungen des Zinsniveaus verkraften können.

Der Kurswechsel am Rentenmarkt wurde von der EZB dagegen wie geplant zum Jahresende 2018 vollzogen: Der Neuerwerb von Bonds durch die Notenbank ist nun Geschichte - fällig werdende Wertpapiere sollen jedoch noch auf unbestimmte Zeit reinvestiert werden. Das Programm läuft also mit dem Volumen von Dezember 2018 unbegrenzt weiter – nur von noch mehr Käufen wurde abgesehen.

Seit März 2015 hatte die EZB mehr als 2,6 Billionen Euro in Staatsanleihen und andere Wertpapiere investiert, um strauchelnde Eurostaaten an den Anleihemärkten zu unterstützen. In den Köpfen vieler Anleger war die EZB damit ein Sicherheitsnetz, das dafür sorgte, dass die Renditen der europäischen Staatsbonds nicht durch die Decke gingen.

Dass die EZB ihre Krisenmedizin nun heruntergefahren hat, hat Anleger bislang nicht verschreckt. Die Renditen der zehnjährigen französischen Bonds fielen im Januar mit 0,5530 Prozent auf den tiefsten Stand seit über zwei Jahren. Die Verzinsung der italienischen Pendants markierte zeitweise ein Sechs-Monats-Tief von 2,566 Prozent. Deutsche Bundesanleihen werfen derzeit nur noch 0,130 Prozent ab. Auch die zuletzt große Nachfrage bei Auktionen in Spanien, Italien oder Griechenland unterstreicht das Interesse an Staatsbonds. Laut Berechnungen der Landesbank LBBW verbuchten Anleihen in der Euro-Zone im Januar mit 1,1 Prozent in etwa den gleichen Wertzuwachs wie im gesamten Jahr 2018.

Experten gehen allerdings nicht davon aus, dass die Renditen dauerhaft so niedrig bleiben werden. "Bleibt eine Eskalation bei den derzeitigen Belastungsfaktoren aus, insbesondere beim Handelsstreit zwischen den USA und China, sollten in Zukunft 'sichere Häfen' weniger gefragt sein", prognostiziert Thomas Metzger vom Bankhaus Bauer. Auch Postbank-Experte Kramer konstatiert: "Wenn die politischen und konjunkturellen Sorgen etwas nachlassen, dürften Anleger wieder zunehmend risikofreudiger agieren." Dies könne die Kapitalmarkt-Renditen in begrenztem Maße nach oben treiben.

Laut Metzger dürfte dies insbesondere auf italienische Bonds zutreffen, deren Verzinsung 2018 angesichts des Haushaltsstreits mit der EU-Kommission streckenweise heftig nach oben geschnellt war und die Kreditaufnahme für Rom am Kapitalmarkt deutlich verteuert hatte. Im Vorfeld der Europa-Wahlen im Mai könnte die Regierung in Rom wieder den Konflikt suchen. Das werde viele Marktteilnehmer wohl vorsichtig stimmen.

Konfliktpotenzial birgt vor allem die konjunkturelle Entwicklung, da Italien unter der Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega in eine Rezession gerutscht ist. Die Regierung setzt darauf, dass sich die Wirtschaft wieder fängt und hat sich für 2019 ein Wachstumsziel von 1,0 Prozent gesetzt. Die EU-Kommission geht dagegen nur von 0,2 Prozent aus. Für Italien könnte es damit schwieriger werden, das nach monatelangem Gezerre mit der EU-Kommission vereinbarte Defizitziel von 2,04 Prozent einzuhalten, fürchten Börsianer.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Preiskrieg in China: Volkswagen im harten Wettbewerb der Elektroauto-Branche
24.04.2024

Volkswagen, lange Zeit der unangefochtene Marktführer in China, sieht sich nun einem intensiven Wettbewerb um den Elektroautomarkt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Frauen in Tech-Berufen: Deutliches Ungleichgewicht trotz wachsender Nachfrage
24.04.2024

Der Frauenanteil in Berufen in den Bereichen Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ist laut einer Studie niedrig....

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU-Lieferkettengesetz: Die neuen Regelungen und ihre Folgen
24.04.2024

Nach langem Ringen gibt es einen offensichtlich mehrheitsfähigen Kompromiss für ein abgeschwächtes europäisches Lieferkettengesetz. Das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla-Turbo: Elon Musk beschleunigt Pläne für günstige Modelle - doch ein Produkt wird viel wichtiger
24.04.2024

Tesla macht Tempo: Elon Musk verspricht, die günstigeren Modelle schneller als erwartet zu realisieren. Damit reagiert der Tesla-Chef auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Die Vor- und Nachteile von Krediten: Was Anleger wissen müssen
24.04.2024

Kredite können eine wertvolle finanzielle Unterstützung bieten, bringen jedoch auch Risiken mit sich. Was sind die Vor- und Nachteile und...

DWN
Politik
Politik Europaparlament billigt neue EU-Schuldenregeln nach langwierigen Debatten
23.04.2024

Monatelang wurde über Europas neue Regen für Haushaltsdefizite und Staatsschulden diskutiert. Die EU-Abgeordneten sprechen sich nun für...

DWN
Immobilien
Immobilien Bauministerin: Innenstädte brauchen vielfältigere Angebote
23.04.2024

Klara Geywitz wirbt für mehr Vielfalt in den deutschen Innenstädten, um damit stabilere Immobilienmärkte zu unterstützen. Ein Mix von...