Deutschland

Amazon wirbt gezielt um Soldaten der Bundeswehr

Lesezeit: 2 min
27.02.2019 17:15
Amazon wirbt gezielt Bundeswehrsoldaten ab, um sie im Unternehmen einzusetzen. Die US-Firma hat “military recruiter”, die diese Aufgabe ausführen.
Amazon wirbt gezielt um Soldaten der Bundeswehr

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Angesichts des Fachkräftemangels suchen immer mehr deutsche Unternehmen gezielt Soldaten der Bundeswehr. Der Berufsförderungsdienst (BFD) der Streitkräfte hat mittlerweile feste Ansprechpartner bei etwa 5.000 Unternehmen, die Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Praktika für ausscheidende Soldaten anbieten, teilte die Personalverwaltung der Bundeswehr in Köln mit.

“Die Anzahl der Kooperationen und Ansprechpartner in der Wirtschaft steigt von Jahr zu Jahr”, so  die Personalverwaltung der Bundeswehr in Köln. Dazu zählen große und bekannte Unternehmen wie Post, Bahn, die Einzelhandelskette Rewe und der US-Konzern Amazon.

Auf die Jobsuche für Soldaten spezialisiert hat sich die im oberbayerischen Burgheim beheimatete Internet-Plattform Dienstzeitende.de. Auf der Webseite berichtet der Hauptmann der Reserve (d.R), Nicolas Scheidtweiler, dass er mittlerweile als PR-Berater arbeitet. Hauptfeldwebel d.R. Jens Bogisch ist mittlerweile in der Logistikwirtschaft tätig. Hauptfeldwebel d.R. Marco Keil ist als Military Recruiter bei Securitas arbeitstätig.

Amazon wirbt auf Dienstzeitende.de gezielt um Bundeswehrsoldaten. “Die Einstellung von Personal aus dem Militär ist ein entscheidender Bestandteil unseres unternehmensweiten Business-Plans, die Führungskräfte der Zukunft zu finden”, so Amazon.

“Manche Unternehmen wie Amazon haben sogar einen eigenen military recruiter, das heißt einen ehemaligen Soldaten als Personaler, der andere Soldaten anspricht”, sagt Geschäftsführer Stefan Geßner, selbst ein ehemaliger Offizier.

Die Gewerkschaft Verdi, die seit Jahren mit Amazon wegen der Forderung nach einem Tarifvertrag im Clinch liegt, hat die Amazon-Suche nach “Führungskräften mit militärischem Hintergrund” für die Versandzentren des Konzerns kritisiert. Doch geht es der ganz großen Mehrheit der Firmen, die um Soldaten werben, ganz offensichtlich keineswegs darum, die Mitarbeiter mit Hilfe von Kasernengebell in Schach zu halten.

Die Bundeswehr selbst malt die Eignung ihrer Soldaten für den Arbeitsmarkt in den schönsten Farben: “Sie zeichnen sich insbesondere durch ein hohes Maß an Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein, (Selbst-)Disziplin, Teamfähigkeit und hohe Flexibilität aus”, heißt es bei der Personalverwaltung. “Im Rahmen von Auslandseinsätzen erwerben sie interkulturelle Kompetenz und belegen ihre hohe Belastbarkeit in Stresssituationen.” Die Quintessenz: Wer in Afghanistan nicht verzweifelt, sollte für Amazon gut gerüstet sein.

Dienstzeitende-Geschäftsführer Geßner beschreibt die Situation etwas nüchterner: “Viele Unternehmen legen mehr Wert auf die Berufsausbildung als auf die Tatsache, dass jemand Soldat war.” Das bestätigt die Bahn: “In der Regel bringen ehemalige Soldaten eine gute technische Ausbildung mit sowie eine große Portion Motivation”, sagt ein Sprecher. “Rund 100 ehemalige Soldaten starten durchschnittlich pro Jahr bei der Deutschen Bahn, und wir freuen uns, wenn es noch mehr werden.”

Denn die Streitkräfte bieten in der Tat Ausbildungen jeder Art vom Lkw-Führerschein bis zum Hochschulstudium. “Die Bundeswehr ist einer der sozialsten Arbeitgeber, die Berufsförderungsmöglichkeiten sind enorm”, zitiert die dpa Geßner.

Aber es gibt auch Arbeitgeber, die wegen der spezifischen Expertise gerne ehemalige Soldaten einstellen: “Die kommen in der Regel mit Mitte 30 auf den Arbeitsmarkt, die haben eine Ausbildung oder ein Studium, wissen, wo’s lang geht, können sich durchsetzen und sind in jeder Hinsicht befähigt zum Umgang mit Menschen”, berichtet Geßner. Zu den Branchen, die gerne ehemalige Soldaten einstellen, zählen traditionell Sicherheits- und Wachdienste.

Amazon jedenfalls betont, dass das Unternehmen keine im Kommandoton geübten autoritären Führungskräfte suche, sondern solche, die teamfähig sind und Mitarbeiter motivieren können: “Viele Soldaten der Bundeswehr haben jahrelang solche wertvollen Erfahrungen gesammelt”, erklärt ein Sprecher. “Darüber hinaus gibt es bei der Bundeswehr viele Fach- und Führungskräfte mit Logistikerfahrung.”

Leicht ist der Wechsel ins zivile Berufsleben dennoch nicht immer: “Allerdings haben Soldaten oft in ihrem Beruf vergleichsweise wenig Erfahrung”, berichtet Dienstzeitende-Geschäftsführer Geßner. “Ein Panzergrenadier, der Industriemechaniker gelernt hat, hat ziemlich Zeit im Gelände verbracht und nicht in der Werkstatt.”

Ein Knackpunkt ist nach Geßners Worten oft die Bezahlung: “Soldaten haben ein sehr ordentliches Gehaltsgefüge. Ein Lkw-Fahrer hat bei der Bundeswehr teilweise 200 bis 300 Euro netto mehr im Monat als bei einem privaten Unternehmen.” Und nach einer von ständig wechselnden Stationen geprägten Dienstzeit verspüren viele ein Bedürfnis nach Sesshaftigkeit: “Wenn Soldaten aus der Bundeswehr ausscheiden, haben sie oft keine Lust mehr, jedes Wochenende zu pendeln, sondern bevorzugen eine Stelle in der Heimatregion”, sagt Geßner. “In Oberbayern ist das kein Problem, aber in Mecklenburg-Vorpommern oder dem tiefsten ländlichen Hessen kann es schwierig werden, eine geeignete Stelle zu finden.”


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lieferdienste in Deutschland: Bei Flink, Wolt und anderen Lieferando-Konkurrenten geht es um alles oder nichts
25.04.2024

Getir, Lieferando, Wolt, UberEats - das Angebot der Essenskuriere ist kaum noch überschaubar. Wer am Markt letztlich bestehen wird,...

DWN
Politik
Politik Bericht: Habeck-Mitarbeiter sollen Kritik am Atom-Aus missachtet haben
25.04.2024

Wichtige Mitarbeiter von Bundesministern Habeck und Lemke sollen laut einem Bericht interne Zweifel am fristgerechten Atomausstieg...

DWN
Finanzen
Finanzen Feiertagszuschlag: Was Unternehmer an den Mai-Feiertagen beachten sollten
25.04.2024

Feiertagszuschläge sind ein bedeutendes Thema für Unternehmen und Arbeitnehmer gleichermaßen. Wir werfen einen genauen Blick auf die...

DWN
Finanzen
Finanzen Teurer Anlegerfehler: Wie der Blick in den Rückspiegel fehlgeht
25.04.2024

Anleger orientieren sich an den Renditen der vergangenen drei bis zehn Jahre, um Aktien oder Fonds auszuwählen. Doch laut Finanzexperten...