Finanzen

Zentralbanken bereiten die Öffentlichkeit auf schwere Zeiten vor

Angesichts einer drohenden Rezession in der Weltwirtschaft beginnen die Zentralbanken langsam, Zinssenkungen und andere expansive Maßnahmen ins Spiel zu bringen.
28.03.2019 17:16
Lesezeit: 2 min

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht aus Sicht von Notenbankchef Mario Draghi bereit, bei einer stärkeren Eintrübung der Konjunktur die Zinswende weiter nach hinten zu verschieben. Die Notenbank würde dann sicherstellen, dass die Geldpolitik die Wirtschaft unterstütze, indem sie ihren Zinsausblick anpasse, sagte Draghi am Mittwoch auf einer Notenbank-Konferenz in Frankfurt.

"Wir sind nicht knapp an Instrumenten, um unser Mandat zu erfüllen." Die Notenbank sehe inzwischen eine stärker anhaltende Verschlechterung der Nachfrage von außerhalb der Euro-Zone. Die Nachfrage innerhalb des Währungsraumes sei aber weiterhin robust. Eine Abschwächung deute nicht notwendigerweise auf einen ernsthaften Einbruch hin, sagte der Italiener.

Die EZB hatte wegen der jüngsten Konjunktureintrübung der Weltwirtschaft die Zinswende nach hinten verschoben. Ihre Leitzinsen will sie jetzt noch bis mindestens zum Jahresende nicht antasten. Bislang war dies nur bis über den Sommer hinaus geplant. Damit hätte Draghi in seiner achtjährigen Amtszeit, die im Oktober abläuft, kein einziges Mail die Zinsen angehoben.

Sehr bedeutsam war zudem die Ankündigung der EZB, Geschäftsbanken fortan wieder mit einer neuen Serie von zweijährigen sehr zinsgünstigen Langfristkrediten zu stützen. Mit den Liquiditätsspritzen will sie die Institute zur stärkeren Vergabe von Darlehen an die Wirtschaft anregen. Faktisch handelt es sich dabei um das Eingeständnis der EZB, dass permanente Interventionen mit aus dem Nichts geschaffenen Geldes notwendig sind, um die europäische Wirtschaft und die Banken über Wasser zu halten.

EZB-Vizechef Luis de Guindos warnt wegen der trüberen Konjunkturaussichten im Euro-Raum vor Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems. "Erstens lässt niedriges Wirtschaftswachstum Sorgen über die Schuldentragfähigkeit aufkommen", sagte der Spanier am Mittwoch auf einer Notenbank-Konferenz in Frankfurt. So könnten dann einigen Ländern Fortschritte beim Schuldenabbau schwerer fallen. Zudem würden ihre Finanzierungskosten steigen.

Auch die Bankenbranche dürfte die Folgen einer weiteren Konjunkturabkühlung zu spüren bekommen, mahnte de Guindos. Ihre Gewinnaussichten würden sich dann weiter verschlechtern. Die Geldhäuser müssten dann noch mehr Anstrengungen unternehmen, um gegenzusteuern. "Solche Schritte könnten Kosteneinsparungen beinhalten." Auch ein Stellenabbau und Filialschließungen seien mögliche Folgen.

Zuvor hatte es auch aus den USA deutliche Signale für eine Rückkehr zur ultralockeren Geldpolitik gegeben. Die US-Notenbank Federal Reserve sollte nach Ansicht von Fed-Mitglied Eric Rosengren erwägen, den Anteil kurzfristiger Staatsanleihen zu erhöhen – diese also am Markt aufzukaufen. Das solle der Fed mehr Möglichkeiten geben, auf wirtschaftliche Rückschläge zu reagieren, sagte der Chef der Notenbank von Boston am Dienstag in Hongkong. Er sagte auch, dass er mit einem "ziemlich schwachen" US-Wirtschaftswachstum im ersten Quartal rechne. Die von der Fed kürzlich überraschend ausgerufene Wende in der Geldpolitik nannte Rosengren verantwortungsvoll.

Der Wunschkandidat von US-Präsident Donald Trump für einen Fed-Direktorenposten plädiert für eine umgehende Zinssenkung und stellt sich damit gegen die gesamte Führungsriege der Notenbank. Die Fed sollte unverzüglich bei den Zinsen um einen halben Prozentpunkt nach unten gehen, sagte Trumps Ex-Wahlkampfberater Stephen Moore der New York Times. Trump hat die Fed immer wieder gerügt, da sie mit einer aggressiven Zinspolitik den Aufschwung gefährde.

Moore hat sich wie Trump als vehementer Kritiker der Fed hervorgetan und Fed-Chef Jerome Powell vorgeworfen, die Wirtschaft zu "ruinieren" und ihm den Rücktritt nahegelegt.

In einem Interview mit der Finanzagentur Bloomberg ruderte er zuletzt allerdings etwas zurück und sprach davon, dass ihn der Ärger zu dieser Formulierung getrieben habe. Hintergrund sei der "fundamentale Fehler" der Fed, dass sie im Dezember den Zins angehoben habe.

Keiner der Währungshüter hat bislang eine Bereitschaft signalisiert, die Zinsen jetzt schon wieder zu senken. Die Notenbankpräsidentin des Bezirks San Francisco, Mary Daly, betonte jüngst ausdrücklich, dass sie keine Zinssenkung unterstütze. Ihr Kollege Patrick Harker aus Philadelphia kann sich sogar vorstellen, dass es dieses Jahr noch einen Schritt nach oben geben könnte, falls die Wirtschaft weiter rund läuft.

Moore dürfte im Falle seines Aufrückens in das Führungsgremium der Fed mit seinen zinspolitischen Vorstellungen auf Widerstand stoßen. Trump hat angekündigt, dass er seinen Ex-Wahlkampfberater für die Fed nominieren wird. Moore ist Ökonom und Senior Fellow der konservativen Denkfabrik Heritage Foundation. Der Senat muss der Personalie zustimmen. Derzeit sind im Direktorium der amerikanischen Zentralbank nur fünf von nominell sieben Posten besetzt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Gasförderung vor Borkum: Streit um Abkommen mit den Niederlanden eskaliert
02.07.2025

Deutschland und die Niederlande wollen ein Abkommen zur Gasförderung vor Borkum abschließen – doch von der Küste regt sich lauter...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...

DWN
Technologie
Technologie Balkonkraftwerke: 220.000 neue Anlagen binnen sechs Monaten
02.07.2025

Mehr als 220.000 neue Balkonkraftwerke sind in Deutschland binnen sechs Monaten ans Netz gegangen. Während Niedersachsen glänzt, fallen...

DWN
Politik
Politik USA frieren Waffenlieferungen an die Ukraine ein – Prioritäten verschieben sich
02.07.2025

Die USA stoppen zentrale Waffenlieferungen an die Ukraine. Hinter der Entscheidung steckt ein geopolitischer Kurswechsel, der Europa...

DWN
Politik
Politik Stromsteuer: Kommt jetzt die Entlastung für alle?
02.07.2025

Die Stromsteuer spaltet das schwarz-rote Bündnis – und mit ihr die Frage, ob Bürger und Betriebe wirklich entlastet werden. Während...

DWN
Panorama
Panorama Hitzewelle in Deutschland: Temperaturen bis 40 Grad und drohende Unwetter
02.07.2025

Deutschland ächzt unter extremer Hitze, örtlich steigen die Temperaturen auf bis zu 40 Grad. Experten warnen vor Unwettern, Waldbränden...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell stabil: Deutsche Goldinvestments erholen sich – wie Anleger jetzt reagieren sollten
02.07.2025

In den vergangenen Wochen war die Goldpreis-Entwicklung von Volatilität geprägt. Das ist auch zur Wochenmitte kaum anders: Obwohl sich...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hitzestress am Arbeitsplatz: Mehr Krankmeldungen bei Extremtemperaturen
02.07.2025

Extreme Sommerhitze belastet nicht nur das Wohlbefinden, sondern wirkt sich zunehmend auf die Arbeitsfähigkeit aus. Bei Hitzewellen...