Finanzen

DWN befragt Anlageberater: Konträre Meinungen zum Aktienkauf

Lesezeit: 6 min
18.04.2019 17:07
Seit die EZB die Leitzinsen radikal gesenkt und die Geldpresse angeworfen hat, wirft das Sparbuch so gut wie keine Zinsen mehr ab. Daher heißt die Devise: Anlegen - und zwar richtig. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten haben fünf seriöse Finanzexperten gefragt, wie sie 50.000 Euro anlegen würden.
DWN befragt Anlageberater: Konträre Meinungen zum Aktienkauf

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Noch nie waren die Deutschen so reich wie heute: Zusammen verfügen die rund 41 Millionen Haushalte der Bundesrepublik über ein Vermögen von 14,32 Billionen Euro. Davon sind 6,065 Billionen Euro (entspricht 42 Prozent) dem Geldvermögen zuzurechnen.

Von diesem Geldvermögen sind lediglich 3,7 Billionen Euro gewinnorientiert angelegt (im Einzelnen: 1,88 Billionen in Ansprüche gegen Versicherungen, 547 Milliarden in Investment-Zertifikate, 425 Milliarden in Pensions-Rückstellungen, 364 Milliarden in Aktien, 242 Milliarden in festverzinsliche Wertpapiere und die restlichen 242 Milliarden in sonstige Beteiligungen). Die anderen 2,365 Billionen Euro setzen sich aus Bargeld zusammen sowie aus Guthaben auf Giro- und Sparkonten und werfen so gut wie keinen Gewinn ab.

Der Grund ist, dass seit rund zehn Jahren - als die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss, zur Ankurbelung der daniederliegenden Wirtschaft die Leitzinsen radikal zu senken - die Zinsen auf Sparbuch-Guthaben extrem niedrig sind. Im Jahr 2018 betrug der durchschnittliche Zins gerade einmal 0,08 Prozent. Zur Verdeutlichung: Wer über ein Sparkonto-Guthaben von 10.000 Euro verfügte, bekam dafür am Ende des Jahres acht Euro gutgeschrieben.

Zwar ist auch Inflationsrate seit Jahren ziemlich niedrig. Aber sie ist um ein Vielfaches höher als der Sparbuch-Zins. Das Geld hat seit dem Jahr 2009 um circa 11,5 Prozent an Wert verloren. Ein Sparbuch-Guthaben, das im Jahr 2009 10.000 Euro betrug, beträgt heute rund 10.100 Euro, hat aber - verglichen mit 2009 - nur noch einen Kaufkraft-Wert von etwas unter 9.000 Euro.

Was also tun? Die Antwort auf diese Frage liegt auf der Hand: Das Geld anlegen. Aber die Frage zu beantworten, wie das besten geschieht, das ist alles andere als leicht.

Weil dem so ist, haben sich die Deutschen Wirtschafts Nachrichten an Experten gewandt und sie gefragt, wie sie 50.000 Euro anlegen würden, wenn diese Summe frei zur Verfügung stünde. Eins sei vorweggenommen: Einen Königsweg gibt es nicht. Aber die Experten liefern Anlegern wertvolle Hinweise.

 

Karsten Nitschke, „Wirtschaftskanzlei Nitschke“, Berlin (Mitglied der Liste der „Top 100 freien Finanzberater“ des Handelsblatts)

Im Normalfall gibt es Unterschiede im Altersbereich 30,40 und 50, da die Anlagen kurzfristig, mittelfristig oder langfristig sind. Aufgrund der derzeitigen Börsenunsicherheit (Brexit, Handelskrieg und fallende Unternehmensgewinne) und nach dem zu lange andauernden „Bullenmarkt“, sehen wir eine Investition in Aktien als zu riskant an. Alternativen sind schwer zu finden, da selbst Rentenfonds mit geringer Rendite zu kämpfen haben.

Derzeit würde ich empfehlen, 30.000 Euro auf ein Tagesgeldkonto mit einer Verzinsung von derzeit 0,2 bis 1,00 Prozent einzuzahlen. Dieses Kapital ist dann schnell für lukrative Investments verfügbar. Als Devise gilt: „Lieber Sicherheit als Verlust“.

20.000 Euro könnten in Genossenschaftsanteile solventer Unternehmen investiert werden. (Volksbank, Sparda-Bank und PSD-Bank). Hier sind noch immer Ausschüttungen in Höhe von 3 bis 5 Prozent Dividende möglich, da die Banken sehr gut gewirtschaftet haben. Eine Kapitalgarantie gibt es nicht, aber das Ausfallrisiko ist gering.

Es kann so in der jetzigen Marktphase eine Rendite in Höhe von circa 1,92 Prozent realisiert werden.

Die Anlagestrategie sollte bei Marktänderungen angepasst werden.

 

Anja Dargel, Direktorin für Private Kunden bei der Berliner Sparkasse

Die Berliner Sparkasse bietet Kundinnen und Kunden eine Vielzahl von Optionen, Geld anzulegen. Das reicht von Sparformen über Versicherungen bis hin zu Wertpapier-Investments. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Die eine Lösung für die Anlage von 50.000 Euro gibt es nicht.

Deshalb beraten wir unsere Kundinnen und Kunden im Gespräch. Wir schauen zunächst gemeinsam, in welcher Lage sie sich persönlich, beruflich, familiär befinden. Gleichzeitig erarbeiten wir anhand diverser Fragen, über welchen Zeitraum unsere Kunden investieren und welches Risiko sie eingehen wollen und können. Am Ende der Beratung steht ein Finanzplan, der sich an persönlichen Sparzielen und Wünschen orientiert.

Aufgrund der niedrigen Zinsen sind Spareinlagen oder Festgeld derzeit nicht zur langfristigen Anlage geeignet.

Versicherungen hingegen sind attraktiv, weil sie gleichzeitig als Geldanlage dienen und Lebensrisiken absichern können. Während die Kapitallebensversicherung auch als Sicherheit für Kredite infrage kommt, locken Rentenversicherungen neben der Altersvorsorge mit Steuervergünstigungen.

Wer die Rendite-Chancen globaler Märkte nutzen möchte, für den sind Wertpapiere das Richtige. Wir empfehlen eine breite Streuung in unterschiedliche Anlageklassen, Währungen, Länder und Regionen. Laufende Anpassungen kann man dabei auch professionellen Portfoliomanagern überlassen.

Grundsätzlich gilt: Je jünger der oder die Anlegende, desto größer sollte der Anteil an stark schwankenden Anlagen sein (zum Beispiel Aktien). Im Laufe der Jahre wird dieser üblicherweise zugunsten von risikoärmeren Anlageformen reduziert.

 

Elmar Peters, Co-Leiter des Multi Asset Teams bei „Flossbach von Storch“, ein auf Vermögensverwaltung spezialisiertes Finanzdienstleistungsinstitut, Köln.

Die Zinsen werden unseres Erachtens noch sehr lange niedrig bleiben. Anleger haben deshalb keine Wahl: Um ihr Vermögen zu erhalten, müssen sie sich nach Anlagen mit höheren Renditen umschauen. Ohne Aktien wird das kaum funktionieren. Es geht aber nicht um irgendwelche Aktien oder den breiten Markt. Wir setzen auf Qualitätsaktien von Unternehmen, deren Erträge in der Vergangenheit stabil waren und die bisher nachhaltig gewachsen sind. Global aufgestellte Konzerne mit starken Marken, soliden Bilanzen und verlässlichen Dividenden. Aus unserer Sicht sind die Bewertungen bei vielen dieser Unternehmen noch nicht zu hoch.

Anleger, die auf dem Zinsmarkt noch etwas verdienen möchten, können nicht mehr einfach eine Anleihe mit guter Bonität erwerben und dann bis zur Endfälligkeit liegenlassen. Sie müssen neue Wege gehen. Es reicht längst nicht mehr aus, einfach eine Anleihe mit guter Bonität zu erwerben und dann bis zur Endfälligkeit liegen zu lassen. Nur mit einer flexiblen und aktiven Anlagestrategie, die alle Ertragsmöglichkeiten der Anlageklasse nutzt, lassen sich hier noch Chancen nutzen. Dann eröffnen sich Opportunitäten: Etwa, wenn die tatsächliche Bonität von Unternehmensanleihen besser ist, als es die Bewertung am Markt und das offizielle Rating widerspiegeln. Wenn das Unternehmen in Zukunft positiver bewertet wird, fallen die Risikoaufschläge der Anleihe und die Kurse steigen. Bei Anleihen ist es entscheidend Chancen und Risiken genau zu kennen – vor allem mit Blick auf mögliche Veränderungen des Zinsniveaus am Markt und bei den Risikoaufschlägen zu Titeln mit Top-Bonität. Als aktiver Vermögensverwalter, bei dem Multi Asset zur Unternehmens-DNA gehört, schätzen wir Anleihen sehr. Sie sind berechenbarer als Aktien und können dabei helfen, den Wert eines Vermögens zu stabilisieren.

Je länger das Tiefzinsumfeld anhält, umso mehr werden sich die Menschen allerdings auch fragen, wo das alles hinführt und inwieweit man einem Finanzsystem ohne Zins noch vertrauen kann. Wenn die Zinsen zu Beginn des nächsten Abschwungs immer noch nahe null stehen, wovon in Europa und Japan auszugehen ist, werden alle auf die Notenbanken schauen und fragen – was nun? Dies dürfte der Zeitpunkt sein, an dem die Bedeutung von Gold als Währung der letzten Instanz zum Tragen kommt. Gold ist Geld - eine Versicherung gegen die bekannten und unbekannten Risiken des Finanzsystems.

 

Wolfgang Ruch, „Ruch Finanzberatung“, Hohen Neuendorf (Mitglied der Liste der „Top 100 freien Finanzberater“ des Handelsblatts)

Ein sinnvolle Finanzberatung sollte auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden eingehen. Und da muss man dann die Reserven des Kunden und seine Planung der nächsten Jahre berücksichtigen. Will er in den nächsten zehn Jahren eine Immobilie erwerben und braucht Eigenkapital? Oder eine Finanzierung nach Ablauf der Zinsbindung tilgen? Und so weiter.

Auch die Frage, ob er die Notfälle durch Berufsunfähigkeitsrenten und gegebenenfalls. Risiko-Lebensversicherungen abgesichert hat, sollte mit ´ja´ beantwortet sein. Sonst würde ich aus dem Guthaben lieber solche Absicherungen bezahlen.

Wenn das alles geregelt ist und auch die Altersvorsorge … dann kann man über eine Geldanlage ohne die weitere Berücksichtigung der anderen persönlichen Verhältnisse sprechen.

Früher gab es einmal kurz-, mittel- und langfristige Geldanlagen. Das ist völlig durcheinander gekommen.  Aus meiner Sicht gibt es heute nur noch kurzfristig (und alles über ein Prozent ist unseriös) oder langfristig (Immobilien oder Aktien) – der ganze mittelfristige Bereich ist völlig weggebrochen.

In ihrer Mustersituation würde ich ein Investmentdepot empfehlen, welches verschiedene Aktienfonds, gegebenenfalls noch Mischfonds beinhaltet.

Aber auch da kommt es auf die persönlichen Befindlichkeiten des Kunden ab. Wieviel kurzzeitigen Kursverlust kann der Kunde emotional verkraften? Was hilft die beste Geldanlage, wenn der Kunde nachts nicht mehr gut schlafen kann?

 

Daniel Böhmel von der „Lieblingsmakler GmbH“, Jena (Mitglied der Liste der „Top 100 freien Finanzberater“ des Handelsblatts), sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten, dass Aktienfonds eine sehr gute Möglichkeit seien, sein Kapital für sich arbeiten zu lassen. Dabei sei es in höchstem Maße hilfreich, auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu setzen. Und die seien eindeutig: Passive Fonds seien aktiven überlegen. Bei passiven Fonds werde nicht kurzfristig spekuliert, würden nicht kurzfristig einzelne Titel nachgekauft beziehungsweise abgestoßen. Stattdessen werde ein Depot angelegt und über einen langfristigen Zeitraum gehalten. Die Statistik beweise, dass passive Fonds zu 95 Prozent höhere Renditen als aktive Fonds abwerfen, hinzu kämen noch die Kosten für den Manager des aktiven Fonds. Summa summarum: Der Anleger fahre mit passiven Fonds eindeutig besser.

Was den Inhalt der Fonds anbelangt: Da heiße es „streuen, streuen und nochmals streuen“. Der Fonds sollte eine möglichst hohe Zahl von verschiedenen Unternehmen enthalten, durchaus mehr als 1.000. Und die sollten aus den unterschiedlichsten Branchen kommen.

Das Investieren in Gold stellt für Böhmel eine Option dar. „Aber“, gibt er zu bedenken: „Gold ist sehr volatil - bei Schwankungen darf man nicht die Nerven verlieren.“ Eine - von Böhmel - bevorzugte Variante stellt die Investition in Rohstoff-Fonds dar. Sei ein Rohstoff einmal weniger stark nachgefragt und gebe sein Preis deshalb nach, verstärke sich in der Regel die Nachfrage nach einem anderen Rohstoff und dessen Preis gehe nach oben.

Von der Investition in Bitcoins rät Böhmel ab. Sie böten keine Sicherheit; in der Vergangenheit sei es immer wieder passiert, dass Anleger in Hype-Phasen - in denen der Preis natürlich hoch stand - mit übertriebenen Erwartungen in das digitale Zahlungsmittel hohe Summen investiert hätten. Doch diese Erwartungen hätten sich eher selten erfüllt; er selbst habe einmal eine relativ geringe Summe in Bitcoins investiert, mit dem Ergebnis, dass sich der Wert halbierte.


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