Deutschland

City-Maut: Handel in Berlin würde erschwert werden

Eine City-Maut in der Berliner Innenstadt könnte den Handel lahm legen. Die Bürger würden aufgrund der Maut in die großen Einkaufszentren außerhalb der Innenstadt ausweichen.
25.04.2019 17:18
Lesezeit: 3 min

Die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther, die von 1999 bis 2016 für die Natur- und Artenschutzorganisation WWF tätig war, hat die Einführung einer City-Maut in der Berliner Innenstadt ins Gespräch gebracht. Sollte der Vorstoß umgesetzt werden, könnte dies Nachteile für den Handel in der Hauptstadt nach sich ziehen.

“Es wird bei der knappen Ressource Fläche in der Stadt deutlich teurer werden müssen, mit Autos den öffentlichen Raum zu nutzen”, so Günther. Die Innenstadt Berlins umfasst den gesamten Bereich, der von der Ringbahn umfasst wird. Die S-Bahnstrecke um die Innenstadt herum ist 37 Kilometer lang.

“Grundsätzlich würde der wirtschaftliche Verkehr durch die City-Maut verteuert werden. Doch der ist überlebenswichtig für die Stadt Berlin. Davon wären dann beispielsweise Baustellen, Pflegedienste, die Versorgung des Einzelhandels, Paketdienste und weitere Branchen betroffen. Natürlich ist uns klar, dass der Verkehr in Berlin nicht weniger wird. Doch es müssen zunächst andere Anreize geschaffen werden. Die Alternativen, wie beispielsweise die Nutzung von Fahrrädern oder von Bussen und Bahnen, müssen attraktiv gemacht werden. Zudem sollten Anreize und organisatorische Maßnahmen für Pendler, die aus dem Umland nach Berlin fahren müssen, ergriffen werden. All das ist möglich. Der zweite Schritt sollte nicht vor dem ersten Schritt gemacht werden”, sagte Carsten Broenstrup, Sprecher der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.

Auch Hotel- und Gaststättenverband gegen City-Maut

Ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOHA) fügte ergänzend hinzu: “Eine City-Maut würde den Wirtschaftsverkehr in der Stadt weiter verteuern und behindern. Das kann nicht das Ziel sein. Der Wirtschaftsverkehr ist lebenswichtig für die Stadt. Baufahrzeuge, Pflegedienste, Paket-Logistiker, Supermarkt-Lieferanten, Handwerker und viele andere müssen mobil sein. Wir sehen, dass der Verkehr in der Stadt eher zu- als abnimmt. Deshalb ist es wichtig, Anreize für einen Umstieg auf andere Verkehrsmittel zu schaffen. Pendler, vor allem aus den Randbezirken und aus dem Umland, brauchen im öffentlichen Nahverkehr dichtere Takte, längere Züge und mehr Park-and-Ride-Parkplätze. Mehr und bessere Fahrradwege wären ebenfalls sinnvoll. Verbotspolitik dagegen bringt uns nicht weiter.”

Doch der Effekt, der durch die City-Maut in der Berliner Innenstadt ausgelöst werden könnte, wäre offenbar weitaus größer. Ein hochrangiger Insider aus dem Berliner Handel sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: “Wenn die City-Maut eingeführt wird, würden vor allem die großen Einkaufszentren um Berlin davon profitieren. Kunden, die mit ihren Autos in die Innenstadt fahren, um dort einzukaufen, würden sich um Berlin herum orientieren. Was das für den Handel in der Innenstadt bedeutet, können Sie sich ja denken.”

Die CDU ist gegen eine City-Maut in der Berliner Innenstadt. “Die Maut-Idee ist Murks”, so der verkehrspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Oliver Friederici. SPD, Linke und Grüne lehnten den Ausbau von Park-and-Ride-Plätzen ebenso ab wie die Verlängerung von S- und U-Bahnen. “Stattdessen setzen sie mit der Ausweitung und Erhöhung von Parkgebühren und einem massenhaften Parkplatzabbau ihren blindwütigen Kulturkampf gegen das Auto fort und vergessen die vielen Berliner, die auf den eigenen Pkw angewiesen sind”, meint Friederici.

BUND fordert City-Maut in Gesamt-Berlin

Martin Schlegel, Sprecher des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), hat den Deutschen Wirtschaftsnachrichten gegenüber die Vor- und Nachteile und die Umweltwirkung einer City-Maut dargelegt.

Über die Vorteile sagte er: “Für Deutschland fordert der BUND zunächst die Ausdehnung der LKW-Maut auf alle Straßen und für alle LKW bis 2,8t. Sollte sich zukünftig eine Situation ergeben, dass der ÖNNV in den Ballungsräumen nicht mehr zu finanzieren ist, kann sich auch hier die Notwendigkeit einer City-Maut ergeben. Eine solche Abgabe kann im Hinblick auf Lärm, Schadstoffemissionen und Klimaschutz gleich in mehrfacher Hinsicht hilfreich sein. Wichtig seien aber differenzierte Kriterien, damit diese ökologische Wirkung aus eintritt.

Eine Maut in der Stadt Berlin sollte nach Auffassung des BUND genutzt werden, um den dringend notwendige Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs - insbesondere der Straßenbahn -zu finanzieren.  Eine Maut wurde insbesondere in London eingeführt, um die Verkehrsbelastung in der Innenstadt zu senken. Dadurch konnte nicht nur der Stau aufgelöst werden, sondern auch der Bus-und Wirtschaftsverkehr funktioniert wieder. Durch all dieses zusammen wurde auch die Luftqualität nachhaltig verbessert.”

Die Nachteile wären laut Schlegel: “Es besteht die Gefahr, dass sich der Einzelhandel, aber auch die Staus mit Lärm und Abgasen nur außerhalb des Geltungsbereichs der Maut verlagern. Um Verlagerungseffekte zu vermeiden, empfiehlt der BUND deswegen eine Maut für die gesamte Stadt, nicht nur für die Innenstadt.

Zudem gibt es hohe Kosten für technische Infrastruktur bzw. Kontrollen bei Plaketten-Lösungen; so wäre vermutlich das Londoner Mautmodell mit dem Einscannen sämtliche Nummernschilder ein Problem für den Datenschutz in Deutschland.”

Als Beispiel für eine positive Umweltwirkung sei die Stadt London anzusehen. Schlegel wörtlich: “In den ersten sechs Monaten ist der Verkehr in London innerhalb der Maut-Zone um ca. 15 % zurückgegangen (Unfallrückgang um 20 %), wobei sich 50-60 % der unterlassenen MIV-Fahrten auf den ÖPNV verlagert haben. Am 23. Oktober 2003 veröffentlichte TfL einen Bericht, der die ersten sechs Monate nach Einführung der Maut untersuchte. Gemäß diesem Bericht reduzierte sich die durchschnittliche Zahl der in die Innenstadt einfahrenden Fahrzeuge um 60.000 gegenüber dem Vorjahr, was einer Verringerung der nicht befreiten Fahrzeuge um 30 % entspricht.”

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