Politik

OECD-Studie: Deutschland für ausländische Fachkräfte vergleichsweise unattraktiv

Lesezeit: 2 min
02.06.2019 16:59
Einer Studie zufolge studieren Ausländer gerne in Deutschland. Fachkräfte hingegen meiden das Land bei der Stellensuche.
OECD-Studie: Deutschland für ausländische Fachkräfte vergleichsweise unattraktiv
Ein Softwareentwickler aus Indien, hält seine "Blaue Karte" für ausländische Fachkräfte im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in der Hand. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Für hoch qualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland ist Deutschland keineswegs die erste Adresse. Das zeigt eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Demnach belegt Deutschland in der Rangfolge der attraktivsten Standorte für Fachkräfte mit Master-Abschluss oder Doktortitel nur den zwölften Platz. Ganz vorn sehen die Forscher Australien, gefolgt von Schweden und der Schweiz. Die USA landen auf Platz sieben. Schlusslicht unter den 35 Staaten, die verglichen wurden, ist die Türkei.

Untersucht wurden die Qualität der beruflichen Chancen, Einkommen, Steuern, Möglichkeiten für Familienangehörige, Einreise- und Aufenthaltsbedingungen, Zukunftsaussichten, das «Kompetenzumfeld» sowie gesellschaftliche Diversität und Lebensqualität.

«Für Fachkräfte ist die Geschwindigkeit der Visaerteilung ein wichtiger Faktor, aber für viele Hochqualifizierte sind auch die Rahmenbedingungen für Partner und Kinder wichtig», sagt der OECD-Direktor für Arbeit und Soziales, Stefano Scarpetta. Erstellt wurde die Studie mit Unterstützung der Bertelsmann-Stiftung.

Der Chef der OECD-Abteilung für Internationale Migration, Jean-Christophe Dumont, erklärt, Deutschland könne durch politische Reformen zwar Boden gut machen. Der Spitzenplatz wäre so aber kurzfristig trotzdem nicht erreichbar. Denn viele Menschen mit sehr guten Englisch- oder Französisch-Kenntnissen würden sich eher nach Australien, Kanada oder Frankreich orientieren.

Aber auch die Schweiz, wo Deutsch die meistverbreitete Sprache ist, schneidet bei der Attraktivität für Fachkräfte deutlich besser ab. Und das liegt nicht nur an höheren Gehältern und niedrigeren Steuern, sondern auch an der «Willkommenskultur», die dort von den Forschern besser eingeschätzt wird. Österreich, wo die in Migrationsfragen sehr restriktive rechtskonservative Regierungskoalition von ÖVP und FPÖ gerade zerbrochen ist, schneidet bei diesem Indikator nur minimal besser ab als Deutschland - und landet in der Rangfolge insgesamt auf dem 17. Platz.

Die Studie zeigt auch, dass Deutschland als Zielland auf andere Gruppen von potenziellen Migranten durchaus eine große Anziehungskraft ausübt. Auf der OECD-Liste der attraktivsten Standorte für ausländische Studenten belegt Deutschland demnach den dritten Platz, hinter der Schweiz und Norwegen. Daraus abzuleiten, deutsche Universitäten hätten international einen überragenden Ruf, greift allerdings zu kurz. Denn für Studenten spielen auch Faktoren wie niedrige Studiengebühren, vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten und die Möglichkeiten, nach dem Abschluss zu arbeiten, eine Rolle.

Auf Platz sechs liegt Deutschland in der Rangfolge der besten Standorte für Unternehmer. Hier ist Kanada die Nummer eins.

Im Jahr 2017 hatten rund 38 000 Ausländer aus Nicht-EU-Staaten in Deutschland einen Aufenthaltstitel als Fachkraft erhalten. Der Innenausschuss des Bundestages hat für den 3. Juni Sachverständige eingeladen, einen hochumstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu beurteilen. Auf dem Tisch liegen auch Alternativ-Modelle der Opposition.

Die Regierung will künftig allen Fachkräften, die über einen Arbeitsvertrag und eine entsprechende Qualifikation verfügen, die Einreise gestatten. Beschränkungen auf sogenannte Engpassberufe sollen wegfallen. Die Arbeitsagentur soll in der Regel auf die «Vorrangprüfung» verzichten, über die bislang erst geklärt werden musste, ob die Stelle nicht auch mit einem Deutschen oder einem EU-Bürger besetzt werden kann. Außerdem wollen Union und SPD nicht-akademischen Fachkräften die Möglichkeit geben, für eine begrenzte Zeit nach Deutschland zu kommen, um sich hierzulande einen Job zu suchen. Das war bisher Akademikern vorbehalten.

Die OECD-Studie zeige, dass Staaten wie Kanada und Australien, die zur Steuerung der Einwanderung auf ein Punktesystem setzen, besser abschnitten als Deutschland, sagte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel. Er forderte, die Bundesregierung müsse jetzt in den Beratungen zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz nachsteuern, «vom Klein-Klein zum großen Wurf inklusive Punktesystem».


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik Einigung auf Solarpaket - das sind die Neuerungen
20.04.2024

Ein Maßnahmenpaket soll den Ausbau der Solarenergie in Deutschland beschleunigen. Es geht vor allem um weniger Bürokratie. Einen Bonus...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Ausfuhren in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: So ist die Lage
19.04.2024

Nach neuen Angriffen: USA und NATO erhöhen Unterstützung für Ukraine, während Russland seinen Machtanspruch verstärkt.