Politik
Kosten nach unten durchgereicht

Handelskonflikt USA-China: Am Ende zahlen die Bürger die Zeche

Nach Meinung von Tilmann Galler, dem globalen Kapitalmarktstratege von J.P. Morgan AM, zahlen die Verbraucher im Handelskonflikt zwischen den USA und China wegen der steigenden Inflation am Ende die Zeche.
24.08.2019 08:27
Lesezeit: 2 min

Galler erklärt: „Im Gegensatz zur Behauptung aus Washington sind es nicht die Chinesen, die die höheren Zölle bezahlen, sondern die Konsumenten und Unternehmen.“ Auslöser der aktuellen neuen Welle des Konflikts war die Ankündigung der US-Regierung, den Zoll auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden US-Dollar von 10 Prozent auf 25 Prozent anzuheben – was zum 10. Mai erfolgt ist. Darüber hinaus wurde angedroht, alle verbliebenen Importe in Kürze mit einem 25-prozentigen Zoll zu belegen.

Laut Galler zieht die neue konfrontative Handelspolitik der USA für das Wirtschaftswachstum in der Welt negative Folgen nach sich. Der J.P.M.-Experte meint: „Zwar ist der unmittelbare Schaden, der von den Zöllen ausgeht, relativ moderat. Die Zweitrundeneffekte für die Wirtschaft sind jedoch viel gravierender.“ Mit der Einführung der ersten US-Zölle im vergangenen Jahr hat sich demnach die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe weltweit erheblich verschlechtert. Das Volumen des Warenverkehrs im Welthandel ist im Februar 2019 erstmalig seit der Finanzkrise wieder gefallen und die wachsende Unsicherheit über die zukünftige Nachfrage führt zu einer Investitionszurückhaltung.

Im Fall einer weiteren Eskalation, die auch die Automobil-Importe beträfe, würde der effektive Zollsatz der USA auf den höchsten Stand seit 1946 steigen. In diesem Szenario könnte sich das globale Wachstum zwischen 0,4 und 0,6 Prozent abschwächen. Das hätte auch negative Folgen für die Unternehmensgewinne. Die aktuellen Konsenserwartungen von 10 Prozent Gewinnwachstum für das nächste Jahr wären in diesem Fall illusorisch.

Auch nach David E. Weinstein, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der New Yorker Columbia University, ist mit den neuen Strafzöllen eine neue Eskalationsstufe im Handelskonflikt zwischen den USA und China erreicht. Der US-Ökonom hat dies in einem Interview mit dem Spiegel bereits Anfang Mai erklärt: „25 Prozent Zoll auf Produkte eines großen Handelspartners, das hat es in den Vereinigten Staaten seit den Dreißigerjahren nicht mehr gegeben. Dieser Schritt würde die Verbraucher noch stärker belasten. Und er könnte eine viel stärkere chinesische Gegenreaktion als bisher auslösen.“

Laut Weinstein müssen die amerikanischen Verbraucher die gesamten Zölle bezahlen. Nach seinen Untersuchungen werden die Mehrkosten durch die Zölle fast zu 100 Prozent auf die Preise der davon betroffenen Produkte umgelegt. Entsprechend teurer werden diese Waren. Dabei gehe es zunächst um etwa drei Mrd. US-Dollar pro Monat. Dies sei eine Umverteilung vom Bürger zum Staat: Die Regierung kassiere das Geld, die US-Verbraucher bezahlten es.

Nach dem US-Volkswirtschaftler kommt es zu weiterem finanziellen Schaden für die Konsumenten, zuletzt waren dies etwa 1,4 Mrd. US-Dollar im Monat. Beispiel: Durch die Zölle steigt der Preis für ein chinesisches Produkt von 1.000 auf 1.100 US-Dollar. Also kauft ein Konsument ein vietnamesisches Konkurrenzprodukt für 1.090 US-Dollar. Dem Staat bringt das keine Zolleinnahmen, und der Verbraucher muss 90 Dollar mehr bezahlen.

Tilmann Galler von J.P. Morgan AM sieht einen weiteren Aspekt: „Doch auch für die Unternehmen ist ein Handelskrieg keine gute Nachricht. Erstens führen steigende Inputpreise zu höheren Kosten und zweitens mindern Vergeltungsmaßnahmen der Handelspartner die Umsätze aus dem Ausland“, erläutert Galler.

Die Aktienmärkte haben lange auf eine zumindest partielle Einigung zwischen Washington und Peking gehofft. Galler erklärt: „Die Voraussetzung dafür wäre, dass erstens China bereit ist, einen fundamentalen Wechsel in seiner Wirtschaftspolitik zu vollziehen und zweitens die Vereinigten Staaten zukünftig einen moderateren Kurs bei den politischen Maßnahmen und in der Rhetorik gegenüber China einschlagen.

So lautet auch das Fazit des J.P.M.-Strategen: „Nach unserer Einschätzung stehen die Chancen dafür bei etwas über 50 Prozent. Für Investoren ergibt sich entsprechend eine sehr binäre Situation, weshalb wir zurzeit eine ausgewogene Mischung zwischen risikoreichen Investments und defensiven Anlagen für sinnvoll erachten.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Frankreichs Schulden bedrohen Europa: Kommt jetzt die Eurokrise zurück?
23.11.2025

Steigende Zinsen, explodierende Schulden, nervöse Märkte: Europa erlebt ein gefährliches Déjà-vu. Immer mehr Experten warnen vor einer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft 645 Millionen Euro Verlust: Cannabis-Betrug und Geldwäsche-Netzwerk erschüttern Europa
23.11.2025

Europa ist von einem der größten Cannabis-Investmentbetrugsfälle der letzten Jahre erschüttert worden, der Anleger in mehreren Ländern...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Friedensplan: Welche Aktien vom Ende des Ukraine-Krieges profitieren könnten – und welche nicht
23.11.2025

Frieden bedeutet nicht nur geopolitische Stabilität, es zieht auch ein gigantisches Investitionsprogramm nach sich. Wer auf die richtigen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritische Rohstoffe: Ein Fund in Grönland sorgt für Streit
23.11.2025

In einer abgelegenen Mine in Westgrönland wurden gleich mehrere kritische Rohstoffe entdeckt, die für Mikrochipproduktion, Rüstung und...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-Aktien im Aufschwung: Welche Chancen Anleger jetzt nutzen können
23.11.2025

Die Kapitalmärkte befinden sich im Umbruch, Investoren suchen verstärkt nach stabilen Alternativen. Europa gewinnt dabei durch Reformen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autoindustrie in der Krise: Warum die Lage dramatisch ist
23.11.2025

Europas Autohersteller stecken in existenziellen Nöten und Beobachter sprechen schon von einem drohenden Niedergang. Neben den Problemen...

DWN
Technologie
Technologie Experten warnen vor 2035: Plug-in-Hybride sind ein Weg ins Nichts
23.11.2025

Ein neuer französischer Bericht rüttelt an der europäischen Autoindustrie. Plug-in-Hybride gelten darin als teurer, klimaschädlicher...

DWN
Unternehmen
Unternehmen NATO-Ostflanke: Drohnenhersteller Quantum Systems unterstützt die Bundeswehr-Brigade in Litauen
22.11.2025

Der deutsche Drohnenhersteller Quantum Systems expandiert nach Litauen und baut dort ein umfassendes Wartungs- und Logistikzentrum für...