Politik

China hängt die EU auf dem West-Balkan ab

Während die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem West-Balkangipfel in Polen nur redet, haben die Chinesen und die Russen in dieser Region schon längst handfeste Projekte in Angriff genommen. Brüssel muss aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren.
09.07.2019 11:52
Lesezeit: 3 min

Der fünfte West-Balkan-Gipfel zur EU-Erweiterung, der am vergangenen Freitag in der polnischen Stadt Poznań (Posen) zu Ende gegangen ist, hat außer politischen Aussagen nicht viel Konkretes zustande gebracht. „Diese Länder in die EU zu führen, ist eine strategische Verantwortung und liegt in unserem Interesse“, sagte zwar Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Doch gab es keine Termine, wann die sechs Westbalkan-Staaten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Nord-Mazedonien, das Kosovo und Montenegro tatsächlich in die EU eingebunden können. „Der Weg dahin ist noch steinig“, schrieben deswegen viele Medien in Deutschland, weil innerhalb der EU große Uneinigkeit darüber besteht, ob beispielsweise Länder wie Albanien, das Kosovo und Nord-Mazedonien aufgenommen werden sollten.

Die EU muss sich aber sputen, denn die unmittelbaren Konkurrenten um den Kampf um den Einfluss in der Region, China und Russland, sind schon längst vor Ort und buhlen immer mehr um die Gunst der Regierungen dieser Länder.

Und jetzt verstärkt Peking sein Engagement auf dem Westbalkan sogar noch weiter: So haben China und Serbien weitere Verträge für den Bau einer Bahnstrecke unterzeichnet. Das berichtet „Radio Slobodna Evropa“ (RSE) die serbische Sektion des internationalen Senders.

Neue Bahnstrecke in Serbien für 940 Millionen Dollar

Die Trasse ist den Angaben zufolge etwa 110 Kilometer lang und führt von der nordserbischen 300.000-Einwohner-Stadt Novi Sad nach Subotica, das an der ungarischen Grenze liegt. Der Rahmenvertrag, der bereits vor einem Jahr unterzeichnet wurde, sieht vor, dass ein chinesisches Konsortium das Projekt mit knapp 940 Millionen Dollar finanziert. „Wir gehen davon aus, dass der Bau im kommenden Jahr beginnt”, sagte Ning Dize, der Sprecher der chinesischen Regierung.

Das Besondere: Die Konferenz, an der neben Serbien auch Ungarn teilnahmen, fand ebenso am vergangenen Freitag statt – also zeitgleich zum West-Balkan-Gipfel in Polen. Während die EU lediglich politische Appelle anzubieten hat, haben die Chinesen mit Serbien bereits konkrete Projekte in Angriff genommen und ihnen finanziell unter die Arme gegriffen.

Die Trasse, die Serbien, China und Ungarn von Novi Sad nach Subotica bauen wollen, gehört zu einem anderen Großprojekt. Die Länder haben vor, eine schnelle Eisenbahnstrecke von der serbischen Hauptstadt Belgrad bis nach Budapest zu errichten. Der Sender RSE nennt eine Investitionssumme von zwei Milliarden Dollar. Die Länge den Angaben zufolg beträgt 350 Kilometer.

Auch noch interessant: Die Partnerländer haben sich deswegen auch schon acht Mal getroffen – also drei Mal häufiger, als bisher der West-Balkan-Gipfel stattgefunden hat. Auch das zeigt, wie engagiert Serbien mit China zusammenarbeiten will.

Mit Ungarn sitzt zwar bei dem Vorhaben auch ein EU-Mitglied mit im Boot. Doch nimmt der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán auf eigenen Rechnung daran teil – unabhängig von Brüssel. Ungarn repräsentiert mit Sicherheit nicht die Interessen der Gemeinschaft. Denn Orbán befindet sich mit der EU wegen unterschiedlicher Vertragsverletzungsverfahren im Dauerstreit – und das schon seit Jahren.

Strecke Belgrad-Budapest Teil der "Seidenstraße"

Der Bau der Bahnstrecken zwischen Belgrad und Budapest gehört zur politischen Initiative Pekings „Neue Seidenstraße”, welche das Land vor einigen Jahren angestoßen hat. Es geht darum, auf den historischen Wegen des Kaufmanns Marco Polo Strecken und Trassen auszubauen, um chinesischen Unternehmen die besten Zugängen zu den lukrativsten Märkte der Welt zu garantieren. Dabei steht eine Gesamtinvestitionssumme von einer Billion Dollar im Raum.

Der West-Balkan ist für die Chinesen von besonderer strategischer Bedeutung, weil sie von hieraus direkt Zugriff auf die interessanten EU-Märkte haben – insbesondere auf Deutschland. Allein in Serbien investiert Peking eine Gesamtsumme von zwölf Milliarden Dollar. „Gemessen an einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Serbien, das bei 50 Milliarden Dollar liegt, ist dieses Volumen schon enorm”, schätzt Professor Dragan Djuricin von der Wirtschaftsfakultät in Belgrad. Damit weist der Gelehrte darauf hin, dass die Investitionen fast ein Viertel einer jährlichen gesamtwirtschaftlichen Leistung ausmachen - tatsächlich eine stattliche Summe.

Darüber hinaus hat China in andere strategisch wichtige Standorte in der Region investiert – beispielsweise in den Hafen von Piräus. „Die griechische Stadt ist ein bedeutender Punkt”, sagte denn auch Stefan Vladisavljev, Sprecher des serbischen Think Tanks Belgrade Fund for Political Excellence (BFPE). „Damit man seine Waren auf die EU-Märkte transportieren kann, muss man sie durch Nord-Mazedonien und durch Serbien bringen“, erklärte der Wissenschaftler, warum die geplante Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest ein wichtiger Baustein in der Gesamtstrategie Chinas darstellt. „Die Chinesen haben deswegen besonders viel in die serbische Infrastruktur investiert, um die Kosten für den Transport zu senken“, so der Experte.

Geografische Lage wichtigster Standort-Vorteil

Dass Peking überwiegend an Infrastrukturprojekten auf dem West-Balkan interessiert ist, hat auch seinen Grund: Denn die geografische Lage ist der wichtigste Vorteil, den die Länder in dieser Region zu bieten haben. Ansonsten haben sie internationalen Investoren nur relativ wenig anzubieten: Alle sechs Märkte zusammen verfügen über eine Konsumentenzahl von etwa 18 Millionen – also ungefähr so viel wie Nordrhein-Westfalen (NRW). Dieser Wirtschaftsraum liegt auf einer Gesamtfläche von fast 220.000 Quadratkilometern. Das entspricht zwei Dritteln von Deutschland.

Allerdings generieren diese Staaten pro Jahr ein Bruttoinlandsprodukt (BIP), das nur zwischen 90 und 100 Millionen Euro liegt - also etwa so groß wie die Wirtschaft von Hamburg. Die wichtigsten Wirtschaftszweige sind meistens veraltet und stammen überwiegend aus den klassischen Schwerindustrien wie die Herstellung von Autos. Damit unterscheiden sie sich kaum von den unmittelbaren Konkurrenten in der Region, Rumänien und Bulgarien.

Deswegen bleibt die logistische Lage der wichtigste Standort-Vorteil. Diesen will auch Russland für sich nutzen, der unter den internationalen Geldgebern der zweitwichtigste Investor ist – gleich nach China. Ein Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2013 sieht Kredite von 800 Millionen Dollar vor, um den Ausbau der Bahninfrastruktur voranzutreiben.

Doch das ist noch nicht alles: Der Wert der russischen Gesamtinvestitionen in Serbien liegt in Milliarden-Dollar-Höhe. Der serbische Wirtschaftsportal „eKapija“ geht davon aus, dass die Gesamtvolumina im Jahr 2017 bei vier Milliarden Dollar gelegen haben. Die EU muss sich also sputen, damit sie für diese Länder wirklich eine interessante Alternative sein kann.

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