Deutschland

Windkraft: Bürger proben den Aufstand und erzielen Teilerfolg vor Gericht

Lesezeit: 2 min
25.07.2019 16:55
Beim Thema Windkraft scheiden sich die Geister: Während die einen die Vorteile der regenerativen Energien loben, klagen andere über die unangenehmen Nebenwirkungen etwa von Windkraftanlagen wie Schattenwurf, Vogelschlag und Lärmbelästigung.
Windkraft: Bürger proben den Aufstand und erzielen Teilerfolg vor Gericht
Der jahrelang stürmische Ausbau der Windenergie ist inzwischen wegen immer weniger verfügbarer Flächen eingebrochen. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das geflügelte Wort von der „Verspargelung“ geistert schon längere Zeit durch die Medien und bezeichnet den Eingriff in das Landschaftsbild durch den Bau von Windkraftanlagen. Vor allem unmittelbar Betroffene beschweren sich teils einzeln beispielsweise durch Eingaben bei ihren Lokalpolitikern oder in über 1.000 entsprechenden Bürgerinitiativen, wie sie derzeit überall in Deutschland zu finden sind. Dabei werden in zunehmenden Maße auch die Gerichte bemüht.

Vor einigen Wochen hat nun erstmals ein Oberlandesgericht ein Urteil eines Landesgerichts aufgehoben, in dem ein Anwohner den Betreiber eines Windparks auf Unterlassung verklagt hatte. Die Vorwürfe des Betroffenen:

-Erhebliche Lärmbeeinträchtigungen durch den Betrieb der Windenergieanlage bei entsprechender Windrichtung und Windstärke von über 60 dB(A).

-Infraschallbeeinträchtigungen durch den Betrieb der Windenergieanlagen.

-Unzumutbare Lichtimmissionen durch die Tag- und Nachtkennung (Beleuchtung zur Sicherheit des Flugverkehrs)

-Schattenwurf durch das Drehen der Flügel bei entsprechender Sonneneinstrahlung

-Diskoeffekt bei bestimmten Sonnen- und Lichtverhältnissen (sog. periodischer Schattenwurf)

-Eiswurf im Herbst, Winter und Frühling bei entsprechenden Witterungsverhältnissen

-Elektromagnetische Strahlungen durch den Betrieb der Anlage

-Optische Beeinträchtigungen durch die Drehbewegungen und eine optisch bedrückende Wirkung durch die Vielzahl der Anlagen.

Im September 2018 war das Landesgericht Itzehoe nach Anhörung einer Reihe von Sachverständigen zu dem Schluss gekommen, dass die Voraussetzungen für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004, 906 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht vorlägen. Wenn die in § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB genannten Grenz- oder Richtwerte eingehalten oder gar unterschritten werden, so indiziere dies die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung. Das sei vorliegend der Fall. Die optischen Beeinträchtigungen durch die streitgegenständliche Windanlage seien wegen der Entfernung nicht wesentlich. Gleiches gelte für den behaupteten Verschattungs- und Diskoeffekt.

In dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 13.06.2019 ist das Urteil des Landgerichts Itzehoe zurückgewiesen worden. In der Begründung heißt es: „Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg. Auf die entsprechenden Hilfsanträge beider Parteien ist das angefochtene Urteil nebst dem ihm zugrundeliegenden Verfahren nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuheben und an das Landgericht Itzehoe zurückzuverweisen. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an wesentlichen Verfahrensmängeln, die eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig machen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).“

Naturschützer wie der Windkraftgegner und Kreistagskandidat Dr. René Sternke kommentiert die Entscheidung so: „Dieses Urteil vom 26. März 2019 enthüllt den schludrigen Umgang mit der Gesundheit der Bürger durch eine Windenergiefirma, einen Sachverständigen und das Landgericht Itzehoe. Gleichzeitig setzt es einem solchen Umgang mit der Gesundheit der Bürger voraussichtlich ein Ende. Durch die genannten Institutionen und Personen wurden die geschädigten Bürger mit einer Menschenverachtung und einem Zynismus behandelt ... Die völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Gesundheit anderer Menschen setzte ein ungebremstes Gewinnstreben ohne jegliche Rücksichtnahme frei.“

Der jahrelang stürmische Ausbau der Windenergie ist inzwischen wegen immer weniger verfügbarer Flächen eingebrochen. Das erste Halbjahr 2019 verzeichnete den niedrigsten Neubau an Land seit Einführung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) im Jahr 2000, wie der Bundesverband Windenergie (BWE) am Donnerstag in Berlin mitteilte. Es seien nur 86 neue Windräder gebaut worden. Da auch alte abgerissen wurden, seien unter dem Strich nur 35 neue mit einer Leistung von 230 Megawatt hinzugekommen. Das entspricht rechnerisch der Leistung eines mittleren Kohlekraftwerks wenn der Wind immer wehen würde.

Wegen des Genehmigungsstaus bei den Projekten wird im Gesamtjahr vom BWE noch höchstens mit 1500 Megawatt Zubau nach zuletzt 2000 gerechnet. Zum Vergleich: Zwischen 2014 und 2017 kamen durchschnittlich jedes Jahr 4600 Megawatt hinzu.

BWE-Präsident Hermann Albers sagte, der Genehmigungsstau und eine Klageflut von Anwohnern belasteten die Branche. Jedem müsse klar sein, dass so weder die Ausbauziele für erneuerbare Energien insgesamt in Deutschland noch die Klimaschutzziele erreicht werden könnten. "Das Delta zwischen Anspruch und Wirklichkeit nimmt zu." Albers forderte einen Windenergie-Gipfel bei Kanzlerin Angela Merkel.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...

DWN
Politik
Politik Vor G7-Treffen: Baerbock warnt vor Eskalationsspirale im Nahen Osten
17.04.2024

Die Grünen-Politikerin hat vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) zu "maximaler Zurückhaltung" aufgerufen in...

DWN
Politik
Politik Die Zukunft der EU als Wirtschaftsstandort: DIHK-Befragung zeigt Stimmungstief
17.04.2024

Wie beurteilen Unternehmen die Lage der Europäischen Union? Eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Immer mehr Menschen heben Geld im Supermarkt ab
17.04.2024

Geldabheben beim Einkaufen wird in den Supermärken immer beliebter. Für Händler könnten die zunehmenden Bargeldauszahlungen jedoch...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Eurozone fällt auf 2,4 Prozent
17.04.2024

Im Herbst 2022 erreichte die Inflation in der Eurozone ein Höchststand von mehr als zehn Prozent, jetzt gibt es den dritten Rückgang der...