Politik

Deutsche Spediteure sehen "Uber Freight" außerordentlich kritisch

Lesezeit: 2 min
04.08.2019 17:28
Der Fahrdienst-Vermittler „Uber“ bietet seit kurzem auch einen Vermittlungs-Service für LKW-Transporte an. Deutsche Spediteure reagieren zurückhaltend.
Deutsche Spediteure sehen "Uber Freight" außerordentlich kritisch
"Uber Freight" soll Speditionen und Transport-Unternehmen ermöglichen, Leerfahrten zu vermeiden. (Foto: dpa)

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Bisher hat „Uber“ hierzulande ausschließlich Pkw-Fahrten für den Personentransport vermittelt. Jetzt hat das US-Unternehmen sein Angebot in Deutschland ausgeweitet: Seit dem 24. Juli vermittelt es auf seiner Logistik-Plattform „Uber Freight“ Gütertransporte. Die Idee ist, Auftraggeber und Transport-Unternehmer, die noch freie Kapazitäten haben, zusammenzuführen. In einer Pressemitteilung von Uber heißt es: „Dank unseres globalen Netzwerks und einer bewährten Technologie bringen wir Transportunternehmen problemlos mit den Ladungen zusammen.“ Nach Angaben von Uber sind rund 20 Prozent der LKW-Fahrten in Deutschland Leerfahrten. Das Unternehmen will sich zunächst auf das Inlandsgeschäft konzentrieren, wobei die Zielgruppe aus kleineren und mittleren Speditionen besteht.

In den USA ging „Uber Freight“ vor zwei Jahren auf den Markt und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Dollar. Im März 2019 wurde die Plattform in den Niederlanden eingeführt.

Die deutsche Transport-Industrie steht dem neuen Angebot bislang eher skeptisch gegenüber, wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten bei einer Umfrage erfuhren.

Der Sprecher des „Bundesverband Spedition und Logistik“ (DSLV), Markus Wolters, sagte: „Zweifellos gibt es einen Markt für Frachtbörsen. In Deutschland finden sich etwa 20, europaweit rund 100. Weil sie von den Unternehmen regelmäßig zur Effizienzsteigerung genutzt werden, sind viele dieser Börsen sehr erfolgreich. Wie Uber sich entwickelt, wird man sehen. Nur weil der Konzern im Segment Personenbeförderung relativ erfolgreich ist, ist er es nicht automatisch auch im Bereich Gütertransport.“

Heiko Andreas Helmke von „Obermann Logistik“ (Osterode im Harz) sagte: „Wir nehmen das neue Angebot mit Interesse zur Kenntnis. Beschäftigt haben wir uns mit ihm allerdings noch nicht. Wir nutzen ´Timocom´ (die 1997 gegründete Frachtbörse mit Sitz in Erkrath ist sowohl europa- als auch deutschlandweit klarer Marktführer - Anm. d. Red.). Ein Unternehmen benötigt nur eine begrenzte Anzahl von Frachtbörsen - mehr kann ein Disponent nicht überschauen.“

Ein „totes Pferd“ nennt Eugen Jung von der „Jung Spedition“ (Kassel) das neue Angebot von Uber: „Es existieren bereits genügend derartiger Plattformen. Es gibt sogar Spezialplattformen für Spezialtransporte, beispielsweise im Bereich Chemikalien. Ubers Prozent-Angaben für Leerfahrten sind darüber hinaus irreführend. Rein statistisch mag es ja stimmen, dass rund 20 Prozent der Fahrten Leerfahrten sind. Aber diese Leerfahrten sind größtenteils von vornherein eingepreist. Wenn ich beispielsweise einen Transport von Kassel nach Hamburg durchführe und es klar ist, dass ich auftragsbedingt auf der Rückfahrt keine Ladung mitnehmen kann, dann stelle ich dem Kunden die Rückfahrt natürlich auch in Rechnung. Das ist ökonomisches ABC. Leerfahrten in der Größenordnung von 20 Prozent wären für eine Spedition wirtschaftlich gar nicht tragbar - sie würde vom Markt verschwinden.“

Skeptisch zeigt sich auch Stefanie Nolte-Matthies von „Krüger Internationale Spedition“ (Göttingen): „Natürlich könnten wir eine Art Vorreiter spielen und die neue Plattform ausprobieren - aber warum sollten wir das tun, angesichts der Tatsache, dass wir gut ausgelastet sind? Wir nutzen ´Timocom´, um bei den Laderaum-Kapazitäten die Spitze abzudecken - für Uber sehen wir derzeit keinen Bedarf. Ich glaube, dass sie sehr intensiv akquirieren müssen, um Erfolg zu haben, anderenfalls werden sie sich nicht durchsetzen. Ich halte auch den Zeitpunkt der Markteinführung für ungünstig - gerade jetzt, in Zeiten einer unsicheren konjunkturellen Lage.“

Uber wurde 2009 in San Francisco gegründet und ging im Mai 2019 an die Börse, an der es mit 82 Milliarden Dollar bewertet wurde. Operativen Gewinn haben die Kalifornier noch nie gemacht - so betrug der Verlust im Jahr 2018 1,8 Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 11,3 Milliarden. In diesem Jahr wird der Verlust wahrscheinlich noch um einiges höher ausfallen - allein im ersten Quartal dieses Jahres betrug er rund eine Milliarde. Kurioserweise gibt das Unternehmen zu, dass es womöglich nicht über ein tragfähiges Geschäftsmodell verfügt - vor seinem Börsengang teilte der Konzern der US-Börsenaufsicht SEC mit, dass er womöglich niemals in der Lage sein wird, schwarze Zahlen zu schreiben.

Experten sehen in Ubers versuchter Etablierung seines LKW-Vermittlungsservices in Deutschland den Versuch, die Verlustzahlen des Gesamtkonzerns einzudämmen. Anfang der Woche wurde bekannt, dass Uber 400 Marketing-Mitarbeiter (ein Drittel des gesamten Unternehmensbereichs) entlässt, um im Rahmen einer Neuordnung Kosten zu sparen. Weltweit beschäftigt der Konzern rund 24.000 Angestellte (nicht eingerechnet die Fahrer, die den Status von Selbständigen haben).


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