Politik

Der Wettlauf um die Arktis hat begonnen

Lesezeit: 3 min
25.08.2019 17:49
In den vergangenen Jahren ist die Arktis offenbar in den Fokus geopolitischer Strategen in Washington, Peking, Moskau und Brüssel geraten.
Der Wettlauf um die Arktis hat begonnen
Kanada, Pond Inlet: Hinweisschilder zeigen in dem Ort Pond Inlet, in der kanadischen Arktis, die Entfernungen zu verschiedenen Städten und auch zum Nordpol.

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Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet:

Anfangs klang es wie ein Scherz des US-Präsidenten: Donald Trump ließ durchsickern, dass er Interesse am Kauf Grönlands habe. Doch spätestens seit der Absage seines Dänemark-Besuchs wegen der zurückgewiesenen Verkaufsofferte schrillen in Europa die Alarmsirenen. Denn Trumps hemdsärmeliger Vorstoß ist nur der letzte Beweis dafür, wie intensiv Großmächte um die angrenzende Arktis ringen. "Der Vorschlag des US-Präsidenten ist durchaus ernst gemeint – auch wenn er zunächst absurd klingen mag", warnt der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer.

Denn die Aufmerksamkeit für die Region um den Nordpol wird weltweit immer größer: Nato-Militärs berichten von sich häufenden Flügen russischer Langstrecken-Militärflugzeuge über die Arktis oder die angrenzenden Gebiete. Und auch Deutschland will - in viel bescheidenerem Rahmen - mitmischen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch erstmals Leitlinien einer deutschen Arktispolitik. Es geht um den Klimawandel, um Ressourcen und Schifffahrtsrouten - und um geopolitische Rivalitäten.

Wer kontrolliert neue Schifffahrtsrouten?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Klimawandel führt dazu, dass die Temperaturen in der Arktis mit seinem bisher als "ewigem Eis" bezeichneten Flächen besonders stark steigen - doppelt so stark wie in anderen Teilen der Welt. In den vergangenen 30 Jahren ist nach Angaben des Alfred-Wegner-Instituts für Polar- und Meeresforschung die durchschnittliche Meereis-Dicke von mehr als drei Meter auf unter zwei Meter zurückgegangen. Tendenz: beschleunigte weitere Schmelze. Der Rückzug des Eises dürfte bald eine dauerhafte Nordwest- und Nordostpassage von Asien nach Amerika und Europa eröffnen, die die Transportwege erheblich verkürzen könnte.

Deshalb wollen nicht nur Anrainerstaaten wie Russland mitreden, die ohnehin über die sogenannte Festlandsockel-Kommission nationale Ansprüche auf weite Teile der Arktis erheben. Russland träumt von Transit- und Servicegebühren für eine sich entwickelnde Schifffahrt - will aber gleichzeitig die Kontrolle seiner Nordgrenze wahren. Aber auch die Handelsnation China will plötzlich mitsprechen, weil sich der Transportweg etwa nach Europa massiv verkürzen würde. Allerdings: 2018 passierten nur 27 Schiff die Nordostpassage - weshalb die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin bescheiden klingt, die Zahl bis 2024 zu vervierfachen. Zum Vergleich: Den Suezkanal auf der südlichen Transportroute nach Europa passieren jährlich mehr als 18.000 Schiffe.

Militärisches Wettrüsten

Mehr Sorgen bereitet sowohl Amerikanern als auch Europäern eine zunehmende Militarisierung. Russland investiert massiv im Norden. Und Trumps Vorstoß zu Grönland erklärt sich nach Angaben von EU-Diplomaten auch daraus, dass sich auf der bisher noch eisbedeckten Insel zwischen dem Nordatlantik und dem Nordpolarmeer der US-Militärflugplatz Thule Air Base befindet - einer der wichtigsten militärischen Standorte der USA in diesen Breitengraden. "Die USA haben in Grönland mit der Thule-Militärbasis ein erhebliches strategisches Interesse – und sie haben Möglichkeiten, Druck etwa auf Dänemark auszuüben", sagt Transatlantik-Koordinator Beyer.

Die USA reagieren dabei auch auf das Vorgehen Russlands. "Es droht ein Wettrüsten der Großmächte. Vermehrt sind etwa russische Militärflugzeuge unterwegs – die dabei auch häufig ihre Transponder ausschalten", berichtet Beyer. Darüber klagen auch etliche skandinavische Länder. Außenminister Heiko Maas warnte ebenfalls bei seinem Besuch in der kanadischen Arktis vergangene Woche vor der Gefahr wachsender Spannungen.

Das neue Anlehnungsbedürfnis der nordischen Länder an Deutschland und die EU erklärt sich deshalb daraus, dass die kleinen Staaten Island, Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland fürchten, zum Spielball der Großen zu werden. Beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel auf Island am Dienstag wurde eine gemeinsame Plattform für eine engere Zusammenarbeit beschlossen. Also will Deutschland seinen Beobachterstatus im Arktis-Rat dazu nutzen, zumindest auf gemeinsame Regeln im Umgang miteinander zu dringen.

Rennen um Rohstoffe - und gegen die Umweltzerstörung

Erklärbar wird das Interesse auch, weil in der Arktis große Rohstoffvorkommen vermutet werden - so dürften etwa die Gasvorkommen durch den Rückgang des Eises bald kommerziell ausbeutbar werden. Das weckt die Fantasien von Konzernen und Regierungen. Aber schon jetzt warnen Umweltexperten vor der Zerstörung der bisher unberührten Natur - etwa wegen einer Verschmutzung durch den Transportverkehr oder Arktik-Kreuzfahrten und den dadurch entstehenden Rußausstoß der Schiffe und Störgeräusche für bislang in völliger Ruhe lebende Säugetieren. Auch hier fehlen internationale Übereinkommen, die das weitere Vorgehen regeln.

In den Leitlinien der Bundesregierung wird der Abbau von Rohstoffen allerdings nicht ausgeschlossen. Stattdessen will man eine "ökologisch verträgliche Erschließung". Das hängt auch damit zusammen, dass Deutschland ebenfalls auf das Erdgas in der Arktis schielt - als Käufer. Schließlich beziehe man schon jetzt einen Großteil des eigenen Erdgas-Bedarfs aus den Arktisstaaten Norwegen und Russland, heißt es in den Leitlinien.


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