Deutschland

Telekom baut Sperre ein: Freiheit des Internets geht zu Ende

Die Deutsche Telekom schafft als erstes Unternehmen die „Flatrate“ ab. Mit automatischen Sperren werden Programme gestoppt, die nicht von der Telekom sind. Vodafone & Co. werden dem Beispiel folgen. Die meisten unabhängigen Websites werden damit extrem langsam. Der Staat wird dann mit einem kleinen Oligopol das Internet in Deutschland beherrschen. Genießen Sie die letzten Monate der Freiheit im Internet.
24.04.2013 04:09
Lesezeit: 3 min

Die beliebte „Flatrate“ ist bald Geschichte: Künftig werden die Kunden massiv mehr für die Internet-Nutzung bezahlen müssen. Die Deutsche Telekom wird künftig automatische Sperren bei zu viel Daten-Volumen – etwa bei Video-Streaming - einbauen. Die Telekom wird eigene Inhalte produzieren und diese werden schneller laden. Damit gibt es neben der GEZ spätestens ab 2016 einen Anbieter von staatlich kontrollierten Informations-Websites.

Die anderen Konzerne werden dem Beispiel der Telekom gewiss folgen. Auch sie werden die Sperren einbauen und ihre eigenen Inhalte bevorzugen. Wir erleben eine neue Ära der Kommerz-Inhalte wie Telekom-TV und ähnlichen schönen Dingen.

Wir nähern uns einer Zeit ganz neuer Medien-Formate.

Die Telekom-Tagesschau.

Die Vodafone-Sportschau.

Der E-Plus-Jauch.

Der 02-Presseclub.

Die Zeit des Internet als Plattform für freie und unabhängige Medien geht damit zu Ende. Unter dem sperrigen Begriff der sogenannten „Bandbreiten-Drossel“ wird die Deutsche Telekom zum 1. Mai keine der bisher bekannten Flatrates mehr anbieten. Wenn ein gewisses Datenvolumen überschritten ist, etwa durch zu viel Video-Streaming, dann sperrt („drosselt“) die Telekom die Bandbreite für den Nutzer. Ausnahme: Er nutzt gerade – Bingo! – Telekom-Dienste.

Zunächst wird sich die Telekom nur das Recht sichern, solche Sperren einzusetzen, behauptet das Unternehmen. Erst 2016 werde man „technisch“ in der Lage dazu sein.

Bei Kabel Deutschland gibt es eine solche Blockade jetzt schon im Kleingedruckten. Sie ist allerdings noch nicht aktiviert. Das Unternehmen sagte jedoch, dass man sich bei „nicht absehbarem Kundeverhalten“ eine Sperre vorbehalte.

Vodafone will eine solche Maßnahme vorerst nicht treffen, sondern wartet ab. Gelingt der Telekom der Durchbruch, wird sich auch der Konkurrent nicht lange bitten lassen, erwartet die IT-Website Golem.

Mit dieser Entwicklung wird sich die Internet-Nutzung dramatisch ändern. Faktisch wird das Internet auf die Horror-Geschwindigkeiten der neunziger Jahre zurückgeschraubt, befürchtet Markus Beckedahl vom Verein Digitale Gesellschaft.

In der Praxis wird es so aussehen: Wenn man Telekom-Kunde ist, kann man unbegrenzt jene Programme ansehen, die die Deutsche Telekom produziert. Schon jetzt hat die Deutsche Telekom viele Programm-Inhalte, eine Zeit lang versuchte sie sich als Sportanbieter. Einer der Vorstands-Chefs der Telekom, der Ex-Deutsche Banker Thomas Holtrup, wollte vor zehn Jahren schon die Telekom zu einem großen Medienhaus entwickeln. Medien, wie sie die Telekom anbietet, kennen keinerlei Trennung von Journalismus und PR. Die Telekom muss daher, damit die Kunden einen guten Eindruck von ihrem Programm haben, noch zulegen – etwa in gesellschaftlich wichtigen Bereichen wie „Promis, Stars, Sport, Lifestye“. Daher braucht das Unternehmen bis 2016.

Der Gedanke ist klar: Wenn der Telekom-Kunde Inhalte von anderen Anbietern ansieht, wird nach einer gewissen Menge an Datenvolumen die Geschwindigkeit der Internet-Seiten, die man gerade besucht, dramatisch langsamer. Er wird daher über die Schnelligkeit der Seiten gezwungen, auf den Telekom-Programmen zu bleiben.

Die offizielle Argumentation: Die Telekom will nicht allein die Kosten für den Netzausbau tragen. Vor allem aber will sie Kunden von anderen Medien im Internet abziehen. Zuallererst geht diese Strategie gegen YouTube und Google. Denn die Amerikaner sind aus der Sicht der Telekom Schmarotzer, die die Netze zwar nutzen, aber nichts für deren Erhalt zahlen.

Aber natürlich wird eine automatische Sperre auch für alle anderen Nicht-Telekom-Seiten gravierende Folgen haben. Denn die Telekom ist technisch und wirtschaftlich in der Lage, allen Inhalten den Saft abzudrehen, die nicht von ihr produziert und gesendet werden. Gemeinsam mit der staatlichen KfW-Bankengruppe hält die Bundesrepublik 32 Prozent an der Telekom. Daher wird es, wenn es nach dem Willen der Telekom geht, künftig neben dem GEZ-Apparat der öffentlich-rechtlichen Sender, der 8 Milliarden Euro jährlich an Zwangsgebühren kassiert, im Internet einen zweiten Anbieter geben, bei dem ohne den Staat nichts läuft.

Ähnlich wie bei TV und Rundfunk werden die Konkurrenten durchaus ein paar Brosamen bekommen: Ohne die geringsten Ansprache – das wäre ja ein Kartell, und so etwas bilden die hochanständigen Telekoms nicht – werden auch die anderen Anbieter nachziehen. Sie werden dann Programme anbieten, die denen von SAT1 und RTL ähnlich sind.

Der hochverschuldete deutsche Staat wird gegen die Errichtung eines zweiten Staats-Medien-Betriebs nichts unternehmen, weil er als Anteilseigner in hohem Maße davon profitiert, wenn die Kunden signifikant höhere Gebühren zahlen müssen. Und diejenigen, die weniger zahlen, weil sie sich nur noch das Telekom-TV leisten können, werden wenigstens unter staatlicher Aufsicht bespielte Websites konsumieren – was für die Regierung auch ein Wert an sich ist.

Schon heute ist wegen des Preisverfalls mit den Internet-Zugängen kein großes Geschäft mehr zu machen. Die großen Anbieter werden daher einen knallharten Verdrängungs-Prozess starten.

Natürlich werden sich auch Telekom-kritische Seiten nicht zu wundern haben, wenn sie plötzlich unerträglich langsam werden. Das hat natürlich nicht das Geringste mit kritischen Meldungen über die Telekom zu tun – sondern mit „der Verkehrsentwicklung im Internet“, wie Heise die Telekom zitiert.

Faktisch leitet diese Entwicklung das Ende des Internet als freies, unabhängiges Trägermedium für viele kleine Anbieter ein. Die Idee der „Netzneutralität“ – dass also alle Websites unabhängig von ihrem Inhalt gleich schnell abrufbar sind – ist Geschichte.

Das Internet wird zum Spiegelbild dessen, was wir im Fernseh-Bereich kennen: Ein riesiger staatlicher Moloch, und ein paar Feigenblätter – für andere Konzerne.

Die Folgen für viele Informations-Medien, die im Zuge der Wild-West-Zeit des Internets entstanden sind, sind absehbar: Diese Websites werden verschwinden.

Die Weichen für die Zukunft des Internets sind gestellt.

Sie laufen in dieselbe Richtung, in die der alte Staat bereits läuft.

Wir müssen uns auf eine gigantische Kommerz- und Manipulationswelle einstellen.

Der Un-Geist der GEZ schickt sich an, das Internet in Besitz zu nehmen.

Es ist ein Putsch, bei dem die Vielfalt zerstört und die alten Machtpositionen von Staat und Staatsbetrieben neu errichtet werden.

Eben genau die schöne, neue Medienwelt, die wir uns schon immer wünschen mussten.

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