Politik

Süddeutsche Zeitung beteuert: Haben Steuerdaten nicht an Schäuble geliefert

Lesezeit: 3 min
11.05.2013 02:30
Auf mysteriöse Weise sind die Steuer-Daten aus den Offshore-Leaks in den Besitz von Finanzminister Wolfgang Schäuble gelangt. Die Süddeutsche Zeitung bestreitet, die Daten ans Finanzministerium weitergeleitet zu haben. Mit ihrer leserfreundlichen Aufbereitung hat die Zeitung den Steuerfahndern jedenfalls einen Teil der Arbeit abgenommen. Das ist eine bedenkliche Sache.
Süddeutsche Zeitung beteuert: Haben Steuerdaten nicht an Schäuble geliefert

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Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die von ihr veröffentlichten Steuer-Daten von angeblichen Steuerflüchtlingen nun auch bei den deutschen Steuerfahndern zur Bearbeitung eingelangt sind. Damit kann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit der Auswertung und Strafverfolgung beginnen.

Ein Redakteur der SZ sagte der Deutschen Wirtschafts Nachrichten, die Daten seien von den Behörden aus den USA, Großbritannien und Australien an die deutschen Wirtschaftsprüfer weitergegeben worden. Redakteur Bastian Brinkmann beteuerte: „Die Süddeutsche Zeitung hat keine Daten an die Behörden weitergegeben wird auch keine Daten weitergeben.“

Bis heute ist völlig ungeklärt, über welche Kanäle die Zeitungen die Datensätze bekommen haben. Es konnte bisher nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden, dass die Daten nicht von einer an der Steuereintreibung interessierten Behörde oder einer ihr angeschlossenen Vorfeld-Organisation stammen und die Medien somit als nützliche Idioten wohlmeinende Unterstützer einer globalen Strategie agiert haben.

Die global klammen Schuldenstaaten wollen nämlich nicht sparen, sondern sich noch mehr Geld von den Bürgern holen - sei es durch neue Steuern, Zwangs-Abgaben oder eine verstärkte Steuerfahndung.

Die betroffenen Medien haben Fragen nach der Quelle zu beginn der Enthüllungen abgebügelt und gesagt, dass sie selbstverständlich ihre Quellen schützen werden.

Nun sind die Daten aber doch auf den Schreibtisch von Wolfgang Schäuble gelangt.

 

Demnach waren die Informationen entweder nicht exklusiv - oder aber einige der Medien haben geplaudert.

Ein seltsames Spiel.

Die SZ schreibt, den Behörden in den USA, Großbritannien und Australien seien geheime Unterlagen aus Steueroasen in einem Umfang von 400 Gigabyte zugespielt worden. „Der Süddeutschen Zeitung lagen nur 240 Gigabyte vor“, sagte Brinkmann. Brinkmann hält es für möglich, dass die ausländischen Behörden die Daten direkt „von der Quelle“ erhalten haben könnten. Wie lange die Auswertung der Daten durch die Behörden noch andauern werde, sei ungewiss: „Die Bundesregierung hat aber mehr Kapazitäten, als die Süddeutsche Zeitung“, so Brinkmann.

Diese Einschätzung zeigt: Die SZ versteht sich in diesem Punkt als Hilfsorgan des Staates. Zumindest gibt es gemeinsame Interessen.

Staatsferne sieht anders aus. 

Dass die Länder untereinander die Daten austauschen dürften sei „ein langweiliger Hintergrund“, so Brinkmann. Es existiere ein Rahmenabkommen, dass den Ländern den Datenaustausch erlaube. Insgesamt handelt es sich bei den Daten auf der Festplatte um sogenannte Offshore-Leaks, also Daten von potenziellen Steuerhinterziehern mit Konten in Steueroasen.

Mehr als 120.000 Offshore-Firmen sind auf der Festplatte aufgelistet, die zuerst von dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) untersucht wurden. Der Scoop ist spektakulär, die Ergebnisse zweifelhaft (mehr zum besonders grotesken Fall des verstorbenen Playboys Gunther Sachs und der willkürlichen Veröffentlichung der Namen von gänzlich Unbeteiligten – hier).

Auch wenn die Süddeutsche nun versichert, mit der Weitergabe der Datensätze an die Behörden nichts zu tun zu haben: Die Entwicklung des Falls zeigt, wie problematisch die Aktion ist.

Die SZ hätte sich mit dem langweiligen Rahmenabkommen auseinandersetzen müssen. Die Veröffentlichung von möglicherweise Unbeteiligten ist weder mit der Unschuldsvermutung noch mit üblichen journalistischen Standards zu rechtfertigen. Denn man setzt Leute der Verfolgung durch den Staat aus, die sich unter Umständen gar nichts zuschulden haben kommen lassen.

Das ist ethisch nicht gedeckt - gerade von einer Zeitung wie der SZ, die sich moralisch immer auf einem hohen Ross Niveau präsentiert. Denn jeder Verdächtige wird von den Zeitungen aus gutem Grund wenigstens mit dem Attribut mutmaßlich versehen. Bei Sexualdelikten werden Verdächtigte sogar geschützt, indem die Medien nur ihre Anfangsbuchstaben verwenden.

Bürger, denen man Steuervergehen unterstellt, erscheinen dagegen völlig unbedacht mit ihren Klarnamen.

Steuern sind zu zahlen. Das will das Gesetz so, und das Gesetz soll nicht gebrochen werden. Daran kann kein Zweifel sein.

Wohl aber müssen Steuergesetze kritisiert werden dürfen. Und für die Einhaltung der Gesetze, einschließlich der Steuer-Eintreibung, ist der Staat zuständig.

Und zwar exklusiv.

Es gibt in Deutschland aus mehreren historischen Gründen eine gewisse Blockwarte-Mentalität: Die Untertanen verstehen sich nicht als freie Bürger, sondern als Hilfs-Sherrifs. Sie fühlen sich bemüssigt, dem Staat bei der Ausübung seiner obrigkeitlichen Rechte behilflich zu sein.

Im Fall der mutmaßlichen Steuerhinterzieher spielen manche Medien gerne die Hilfs-Sheriffs und rühmen sich dann des investigativen Journalismus. Nicht immer freilich sind die Urteile hart, die gefällt werden: Wenn der Betroffene Uli Hoeneß heißt, der sich nur gegen Kaution auf freiem Fuß befindet und mit einer Selbstanzeige zugegeben hat, Steuern hinterzogen zu haben, werden die Medien ganz mild: Die Lebensgefährtin des Focus Chefredakteurs Helmut Markwort (= Mitglied in einem hochrangigen Bayern-Gremium), Patrizia Riekel - eine bekannte Juristin und Steuer-Expertin - hat in der Bunten für "mildernde Umstände" für Hoeneß plädiert. Sie agiert also als Hilfs-Richterin, Hilfs-Strafverteidigerin, Hilfs-Staatsanwältin.

Mit ihrer leserfreundlichen Aufbereitung von Klarnamen hat sich die SZ gefährlich in die Nähe der Blockwarte-Mentalität begeben. Immerhin handelt es sich bei den deutschen Verdächtigen nicht um Diktatoren aus Weißrussland oder Uganda.

Auch für diejenigen, die sich stets auf der Seite des Guten wähnen, sollte indes ein einfacher Grundsatz gelten: Gebt dem Staat, was des Staates ist.

Damit ist nicht die Notwendigkeit der klammheimlichen Überreichung der Daten an Schäuble gemeint.

Damit ist gemeint, dass die Steuerfahndung und Bestrafung von Steuerpflichtigen eine mühsame, aber exklusive Aufgabe des Staats ist. Bürger und Medien sollten Distanz halten. Wenn sie Namen bekommen, müssen sie diese schützen.

Ohne Wenn und Aber, und ohne Augenzwinkern.

Auch wenn diese mühsam für den Staat ist: Niemand, auch nicht die Medien, sollte sich zum Handlager von Ermittlungen machen. Wenn die Zahl der Hilfs-Sheriffs in Steuerdelikten weiter zunimmt, werden Denunziation, Verleumdung und Spitzelei bald wieder beliebte Freizeit-Beschäftigungen in Deutschland.

Das hatten wir doch schon einmal.

Wir sollten es nicht wieder einführen.


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