Finanzen

Merkel: Banken-Rettung in Frankreich künftig mit deutschem Steuergeld

Lesezeit: 2 min
01.06.2013 02:51
In einem bilateralen Übereinkommen hat Deutschland mit Frankreich einen weitreichenden Beschluss gefasst: Der Euro-Rettungsschirm ESM wird künftig auch für Bankenrettungen zur Verfügung stehen. Zunächst über einen gefinkelten Umweg, später dann auch direkt. Damit werden die deutsche Steuerzahler bei Bedarf auch zur Rettung der französischen Banken herangezogen.
Merkel: Banken-Rettung in Frankreich künftig mit deutschem Steuergeld

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die Kanzlerin und der französische Präsident vereinbarten mit Blick auf den EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel gemeinsame Vorschläge für eine Vertiefung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. In einem neunseitigen Papier wurden die Ergebnisse der Gespräche danach bekanntgegeben. Es ist das erste Mal seit  Hollandes Amtsbeginn im vergangenen Jahr, dass die beiden Regierungschefs solche detaillierten Vorschläge für einen EU-Gipfel ausarbeiten.

Sie stellen sich darin gegen die Pläne der EU-Kommission und der EZB, die Zuständigkeit für Bankenrettungen in die Hände der EZB zu geben. Merkel und Hollande fordern: Banken-Bailouts in der Eurozone sollen zumindest vorläufig in der Zuständigkeit der nationalen Bankenbehörden bleiben.

Geht es nach Merkel und Hollande, wird dazu ein „gemeinsamer Ausschuss unter Beteiligung der nationalen Behörden“ eingeführt, berichtet die FT. Die Abwicklung von Banken durch ein solches Gremium wäre weniger weitreichend als ursprünglich im Rahmen der Bankenunion geplant. Die EZB wollte im Zuge der Einführung einer europaweiten Bankenaufsicht auch die Mechanismen zum Beschluss von Rettungsmaßnahmen zentralisieren.

Die Verlagerung der Banken-Bailouts auf den nationalen Level hat einen handfesten Hintergrund: Deutschland und Frankreich vereinbarten nämlich auch, den 500 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds ESM für die nationalen Regierungen zugänglich zu machen. Die EU-Staaten hätten damit künftig Zugriff  auf die ESM-Gelder, wenn sie nicht mehr in der Lage sind ihre Banken aus eigener Kraft zu sanieren.

Die „direke Rekapitalisierung“ – bei der die Rettungsgelder den Banken direkt zugewiesen werden – hingegen wollen Merkel und Hollande um mehrere Monate verschieben. Eigentlich sollte beim EU-Gipfel im Juni ein entsprechendes Rechtsrahmen geschaffen werden. Damit wäre der Zugriff auf deutsche Steuergelder zur Bankenrettung noch vor dem Sommer beschlossene Sache gewesen (hier).

Damit haben die beiden größten Euro-Länder eine weitreichende Entscheidung getroffen: Denn bisher waren Banken-Rettungen aus dem ESM ein absolutes Tabu für Deutschland. Merkel und Schäuble hatten von Anbeginn des ESM beteuert, dass die deutschen Steuergelder im ESM nicht zur Bankenrettung verwendet werden dürften.

Einen ersten Sündenfall gab es mit Spanien: Madrid erhielt 80 Milliarden, um seine Banken zu retten. Allerdings wurde das Geld an Spanien überwiesen, und nicht an die Banken direkt. Neu an der Spanien-Rettung: Anders als in den kleinen Ländern wurden die Men in Black (Troika) nicht nach Madrid entsandt, um mit der Rettung verbundene Spar-Maßnahmen zu kontrollieren.

Merkel will die direkte Banken-Rettung erst nach der Bundestags-Wahl weiter betreiben. Sie fürchtet, dass das Thema in Deutschland den einen oder anderen stören könnte. Mit der Zwischenschaltung des ESM ist dagegen ein dezenter erster Schritt gesetzt, gegen den es, so hofft die Kanzlerin, in Deutschland nicht allzu viel Widerstand geben dürfte.

Hollande wollte eigentlich auch ein eigenes Eurozonen-Budget und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Stattdessen soll jetzt ein „Spezialfonds“ kommen, den nur jene Länder in Anspruch nehmen können, die sich zu strengen Reformen bereit erklären. Diese Reformen wären Teil der geplanten „vertraglichen Vorkehrungen“ zwischen den nationalen Regierungen und Brüssel. Die Bundesregierung wollte diese Maßnahmen schon länger. Bisher gab es solche Verträge zur Umsetzung der Spar-Agenda nur mit den Bailout-Staaten.

Anmerkung zum Foto: Das Bild zeigt "Nessus und Déjanire", von Arnold Böcklin aus dem Jahr 1898. Das Bild ist Teil der umstrittenen Ausstellung "De l'Allemagne". Beobachter erkennen eine gewisse Ironie in der Tatsache, dass Merkel und Hollande ausgerechnet dieses Bild solange betrachten. Es ist symbolisch für das deutsch-französische Verhältnis.

Die Handlung der Geschichte: Herkules will seine Frau Déjanire für eine junge Geliebt verlassen. Déjanire hat von Nessus eine blutgetränkte Tunika bekommen, von der sie glaubt, sie habe magische Kräfte. Sie gibt die Tunika Herkules in der Hoffnung, er möge sich nicht von ihr abwenden. Was sie nicht weiß: Die Tunika ist vergiftet. Als Herkules die Tunika anzieht, stirbt er einen qualvollen Tod. Merkel Déjanire, die Hollande Herkules etwas Gutes tun will, schickt ihn mit der Banken-Rettung über den ESM Tunika direkt ins Verderben. 


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...