Deutschland

Innenminister Friedrich lobt US-Geheimdienste: „Immer wieder wichtige Hinweise“

Bundesinnenminister Hans Peter Friedrich hält die flächendeckende Überwachung der Bürger durch den US-Geheimdienst NSA für einen wertvollen Beitrag zur Sicherheit der Deutschen. Die Jagd auf Steuersünder wird unterdessen zum Volkssport: Die Namen aus der sogenannten Offshore-Leaks Datei sind nun im Internet für jedermann zugänglich. Die Behörden sind für weiterführende, zweckdienliche Hinweise dankbar.
16.06.2013 01:43
Lesezeit: 2 min

Nun ist es so weit. Jeder Bürger mit Internetanschluss kann in den Offshore-Leaks-Daten suchen, ob er Verdächtige findet. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) hat die Daten auf seiner Internetseite frei zugänglich gemacht.

Die so genannten Offshore-Leaks hatten vor Wochen für Begeisterung bei den Finanzministern der Welt gesorgt. Etliche Namen von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, wurden in diesem Zusammenhang genannt und als Steuersünder gebrandmarkt.

Tatsächlich stehen auch zahlreiche Namen in den Dateien, die mit Steuerhinterziehung überhaupt  nichts zu tun haben.

Für die Regierungen war die Veröffentlichung eine willkommene Hilfe, um sich schnell einen Überblick über vermeintliche Steuersünder zu beschaffen (mehr zu den Hintergründen - hier).

Der Trend zur Beweislast-Umkehr hält also an: Die Regierungen der hoch verschuldeten Staaten haben großes Interesse, den Bürgern das Gefühl zu geben, dass jeder stets haarscharf an der Kriminalität lebt - und dass der Staat das auch weiß.

Dazu wurden die meisten Bastionen der Privatheit geschleift: Das Bankgeheimnis gilt in der EU nicht mehr (hier). Und die Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA wird wohlwollend von einem Großteil der deutschen Regierung in Kauf genommen, wie Innenminister Friedrich ausdrücklich sagt: „Jeder, der wirklich Verantwortung für die Sicherheit für die Bürger in Deutschland und Europa hat, weiß, dass es die US-Geheimdienste sind, die uns immer wieder wichtige und richtige Hinweise gegeben haben“, sagte Friedrich der Welt am Sonntag. Bei dem in wenigen Tagen stattfindenden G-8-Treffen steht denn auch der Austausch von Bankdaten zur Bekämpfung von Steuerflucht auf der Agenda.

Es ist davon auszugehen, dass diese immense Datenbank des NSA, die auch von tausenden Unternehmen gefüttert wurde, nicht nur der Verhinderung von Terroranschlägen dient (mehr hier). Doch die Prism-Affäre und die Auswertung der Offshore-Leaks durch Journalisten reicht wohl nicht mehr. Durch die Zugänglichkeit der Offshore-Daten für jedermann wollen die Regierungen sich jetzt noch die Bürger zunutze machen.

Damit können private Steuerfahnder den unter der Schulden-Last ächzenden Regierungen durch zweckdienliche Hinweise weiterhelfen. Bis zum heutigen Tage weiß niemand, woher die Daten eigentlich stammen. Es gibt Vermutungen, dass staatliche Stellen die Daten weitergereicht haben könnten, um möglichst viele Bürger in Angst und Schrecken zu versetzen.

Die ICIJ selbst betont jedoch in ihrem Statement, dass sie nicht mit den Regierungen zusammenarbeite:

„Wir tun dies, weil sich das politische Klima in den letzten Monaten sehr verändert hat (…). Die Offshore-Leaks Database gibt ICIJ Gelegenheit, Journalisten und normale Bürger in jeder Ecke der Welt zu erreichen, insbesondere in Ländern, die am stärksten von Korruption und Hinterzimmer-Deals betroffen sind.

ICIJ glaubt, dass viele der besten Geschichten durch Crowdsourcing entdeckt werden können, wenn Leser die Datenbank erkunden. Das Publikum kann uns in dieser kritisch wichtigen Arbeit helfen, indem es uns weiter in die Offshore-Welt führt, die uns Dinge zeigt, die wichtig sein könnten.

Zur gleichen Zeit wird ICIJ weiterhin die Forderungen von Regierungen, dass sie alle unsere Offshore-Dateien erhalten, ablehnen. ICIJ ist ein unabhängiges Netzwerk von investigativen Reportern und nicht ein Arm der Regierung.

 Das kann man glauben.

Oder auch nicht.

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