Finanzen

Goldman-Banker verurteilt: Das System opfert einen Sündenbock

Die Finanzindustrie lebt davon, andere über den Tisch zu ziehen. Manipulation ist Teil des Systems. Wenn ein Betrug auffliegt, zahlen die Banken Millionen-Strafen. Sie machen jedoch Milliarden-Gewinne. Daher sind alle Strafen unerheblich. Die Schulden-Politiker haben das kriminelle System angefacht, weil sie selbst immer mehr Geld brauchen. Nun wurde in New York ein Sündenbock geschlachtet, damit alles so bleiben kann, wie es ist.
02.08.2013 03:31
Lesezeit: 4 min

Die Banken erleben turbulente Zeiten:

Am Donnerstag wurde in New York der Goldman Sachs Trader Fabrice Tourre wegen Anleger-Betrugs verurteilt (der ganze Fall spannend erzählt bei BusinessInsider).

Am Dienstag wurde JP Morgan zu einer Strafzahlung von 410 Millionen Dollar wegen Manipulationen am Energiemarkt verdonnert.

Die Deutsche Bank hat bereits 3 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet, weil sie in diversen Fällen damit rechnen muss, wegen Manipulationen Strafen zahlen zu müssen.

In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass die Banken gemeinsam den Aluminium-Markt manipuliert haben.

Anfang Juli kündigte die EU-Kommission Ermittlungen gegen 13 Banken an, weil sie den Derivate-Handel durch Preisabsprachen manipuliert haben sollen.

In Italien wird gegen verschiedene Banken wegen Betrügereien im Zusammenhang mit der Schieflage der ältesten Bank der Welt, der Monte dei Paschi di Siena, ermittelt.

Am Donnerstag hat die Bank of America bekannt gegeben, dass das Justizministerium plane, wegen Manipulationen gegen die Bank und gegen Merrill Lynch vorzugehen.

In Wien begann am Freitag vergangener Woche der Prozess gegen die BAWAG PSK, der die Stadt Linz vorwirft, sie mit einem windigen Geschäft um eine halbe Milliarde Euro gebracht zu haben.

Alle Fälle haben signifikante Gemeinsamkeiten: Betrug und Täuschung sind wesentliche Bestandteile der Geschäfte in der Finanzindustrie. Fliegt ein Betrug auf, folgt die Aufarbeitung einem simplen Schema: Im schlimmsten Fall zahlen die Banken eine symbolische Strafe. Im besten Fall wird das Verfahren gar nicht erst eröffnet.

Es gibt kein Recht.

Es gibt keine Gerechtigkeit.

Die Ursache für den organisierten, systematischen Betrug bei Finanz-Geschäften liegt darin, dass die Banken dafür sorgen, dass ihre Produkte unverständlich sind: Im Fall des verurteilten Goldman-Traders handelt es sich um ein Kunstprodukt mit dem Namen Abacus 2007-AC1. Niemand weiß, was das ist. Niemand versteht, worum es geht. Die Geschworenen beim Prozess in New York sollen während der Verhandlung mehrfach eingeschlafen sein, berichten Beobachter aus dem Gerichtssaal: Die Banker hatten sie mit komplexen Erklärungen betäubt.

Weil die Produkte so komplex sind, ist es meist schwer, einen konkreten Schaden nachzuweisen. Privatkläger wie der Börsenhändler Charles Schwarz und die Stadt Baltimore mussten im März zur Kenntnis nehmen, dass sie sich als Geschädigte des Libor-Skandals wohl eher nichts von den Banken holen können. Ein New Yorker Gericht wies die Klage ab, weil die Richterin Naomi Buchwald zu der Erkenntnis gelangte, dass man den Banken keine organisierte Kriminalität nachweisen könne.

Beim BAWAG-Prozess in Wien sagte der Finanzvorstand der Bank, Byron Haynes, dass die Stadt Linz nicht für sich beanspruchen könne, dass das Produkt zu kompliziert sei. Die Stadt sei ein „professioneller Marktteilnehmer“ und müsse daher wissen, was für Geschäfte sie mache.

Die Betrugs-Aktionen der Banken sind systemimmanent. Denn anders als ein Tischler, ein Zahnarzt oder ein Schriftsteller produzieren die Banken keine Produkte. Sie sind Wettbüros: Sie verführen die Leute zum Gambling. Weil die Leute verführbar sind und glauben, dass man am besten ohne Arbeit reich werden sollte, sind sie ein gefundenes Fressen für die Banken. Die Banken verkaufen ihren Kunden eben keine Produkte, bei denen man Mängel objektiv feststellen kann: Ein Tisch mit drei Beinen, eine schiefe Zahnkrone oder ein Plagiat statt eines originären Romans stellen objektive Fehlleistungen dar.

Abacus 2007-AC1 hat keine objektive Qualität. Diese „Produkte“ sind nichts anderes als Lottoscheine. Man kann gewinnen, muss aber nicht. Für sie gilt, was für die Ziehung der Lottozahlen gilt: Die Angaben erfolgen wie immer ohne Gewähr.

Das Spiel hat System. Die komplizierten Produkte werden an die ahnungslosen Profis verkauft.

Abacus 2007-AC1 landete in Düsseldorf, bei der deutschen IKB. Noch heute sagen die Amerikaner, wenn sie neuen Schrott auf den Markt werfen wollen, dass sie am liebsten jemanden aus Dusseldorf als Käufer hätten.

Das Hütchenspiel unter Profis ist eine Sache.

Wirklich kriminell wird das System jedoch, weil die Zentralbanken die Anleger in die Lotterie treiben. Durch die niedrigen Zinsen sollen die Sparer gezwungen werden, ihr Geld zu den Hütchenspielern zu tragen. Gewinner ist bei diesen Spielen immer die Bank. Die Betrogenen sind immer die Kunden: Die Finanzgeschäft der Banken funktionieren nicht nach dem Prinzip „Treu und Glauben“. Sie funktionieren nach dem Motto, dass es immer einen Idioten geben muss, der sich einreden lässt, dass der Schrott Gold ist und ein Stück Papier mehr wert ist als tausend Gold-Münzen.

In allen Betrugs-Fällen der Banken geht es im Grunde darum, dass die künstliche Schaffung von „Finanzprodukten“ mit dem geschenkten Geld der Zentralbanken ihrer Natur nach nichts anderes sei kann als ein Pyramidenspiel. Gespielt wird mit allem und jedem: Immobilien, Hypotheken, Rohstoffen, Unternehmen, Staaten.

Das System ist bereits so verfestigt, dass es fixe Rituale gibt, um bei den Anlegern die Illusion von Gerechtigkeit aufkommen zu lassen. Der Goldman-Trader Tourre wird als verirrter Einzeltäter abgeurteilt. Goldman sagte nach dem Urteil, die Bank werde weiter mit großer Transparenz nur das Beste für ihre Kunden tun.

Weil die Zentralbanken unkontrolliert Geld drucken, gibt es seit kurzem einen weiteren symbolischen Akt: Die „Strafzahlung“. Die Royal Bank of Scotland zahlte für die Libor-Manipulationen 612 Millionen Dollar Strafe an die Aufsichtsbehörde, die Schweizer UBS 1,5 Milliarden Dollar, Barclays 453 Millionen Dollar.

Goldman Sachs hat sich im Derivaten-Prozess von der US-Regierung mit 550 Millionen Dollar freigekauft.

Auffallend dabei: Die Geschädigten bekommen niemals Geld. Das Geld bleibt im System. Die Strafen sind Alibihandlungen. Sie sollen die Anleger in Sicherheit wiegen. Die Aufsichtsbehörden brüsten sich, wie nun die SEC im Fall Tourre, dass sie mit äußerster Härte vorgehen.

Die Banken bezahlen die Strafen, ohne mit der Wimper zu zucken. Denn sie machen mit dem geschenkten Geld Milliarden-Gewinne mit all ihren Hütchen-Spielen – so dass ihnen die „Strafen“ nicht im Geringsten ein Problem bereiten.

Eine gesellschaftliche Kontrolle dieses Irrsinns gibt es nicht. Denn die Regierungen brauchen jeden Cent aus dem Hütchenspiel. Sie haben auf globaler Basis ihre Völker in die Schuldenfalle gestürzt – und werden nun von den Banken erpresst. Die Politiker durchschauen die Geschäfte nicht. Manchmal blitzt noch eine Idee davon auf, wie es sein könnte: Wenn etwa bei einer Befragung durch den US-Kongress die Banker bloßgestellt werden.

Doch dies sind Schauprozesse.

Schuldner können niemals über ihre Gläubiger zu Gericht sitzen.

Sie müssen hoffen, dass die Gläubiger ihnen nicht den Hahn abdrehen.

Sie müssen zähneklappernd zulassen, wie immer mehr Geld gedruckt wird, um immer mehr Gutscheine für das Hütchenspiel ausgeben zu können.

Sie müssen hoffen, dass die künstlich hochgetriebene Börse noch möglichst lang Geld abwirft, damit die Pensionsfonds erst nach der nächsten Wahl implodieren.

Die Betrugs-Geschäfte der Finanz-Industrie sind längst rechtsfreier Raum.

Symbolische Urteile wie jenes gegen Fabrice Tourre von Goldman Sachs sollen den Schein aufrechterhalten, dass es im Finanzsystem noch einen Unterschied zwischen Gut und Böse gibt.

Den gibt es längst nicht mehr.

Der Betrug ist Teil des Geschäftsmodells der Banken. Sie wissen das, und sie können es nicht ändern. Ohne den Betrug würde das System zerfallen.

Das will keiner, weil alle von diesem System leben.

Der nun verurteilte Goldman-Broker hat, nachdem er Goldman freiwillig in allen Ehren verlassen hat, mit einem Wirtschafts-Studium an der Universität von Chicago begonnen. Goldman zahlte ihm während seines Gerichtsverfahrens ein sattes Jahresgehalt von über 700.000 Dollar, wie Reuters zu berichten wusste.

Er hat seine Rolle gut gespielt: Das System opferte ihn als Sündenbock, damit die Gesellschaft beruhigt ist.

Das System braucht ihn nicht mehr.

Die Spiel geht weiter.

Es hat alles seine Ordnung.

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