Deutschland

Bundesamt warnt vor Panik bei Strom-Blackout in Großstädten

Lesezeit: 3 min
28.08.2013 02:10
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe warnt vor Strom-Blackouts in Deutschland. Wetterveränderungen und die schlechte Infrastruktur nach Privatisierungen hätten das deutschen Stromnetz anfällig gemacht Vor allem in Großstädten besteht dann bei langen Stromausfällen eine erhöhte Panikgefahr.
Bundesamt warnt vor Panik bei Strom-Blackout in Großstädten

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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Herr Geier, einige Energieunternehmen haben angekündigt, Kraftwerke in Deutschland zu schließen, und beispielsweise im vergangenen Jahr gab es in München für ein paar Stunden keinen Strom. Ist die Wahrscheinlichkeit der flächendeckenden Stromausfälle gestiegen?

Wolfram Geier: Die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen ist auch in Deutschland den letzten Jahren angestiegen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Warum?

Wolfram Geier: Die Gründe dafür sind mannigfach. Zum einen handelt es sich um ein sehr komplexes technisches System, das aufgrund seiner Komplexität und seiner hohen Vernetzung auch besonders verletzlich ist. Ein Beispiel ist das IT-gestützte Prozessmanagement und die Anfälligkeit von IT-Systemen, z. B. gegenüber Hacking. Ein anderes Beispiel ist der zunehmende Energiemix aus fossilen, regenerativen und nuklearen Energieträgern, der ein optimal abgestimmtes Zusammenspiel im Gesamtsystem der Stromerzeugung und des Stromverbrauches bedingt. Zum anderen scheinen Wetterextreme auch in Deutschland bzw. Mitteleuropa immer mehr zuzunehmen. Die extreme Winterwetterlage, die wir 2005 im Münsterland hatten, führte dort dann auch zum Bruch der Höchstspannungsleitungen im Übertragungsnetz. Die Folge war ein mehrtägiger Stromausfall, der fast 250.000 Menschen und sehr viele Zuchttiere in der Landwirtschaft betroffen hat. Und nicht zuletzt hat die Liberalisierung und weitere Ökonomisierung der Strommärkte dazu geführt, dass Netze manchmal gefährlich bis an ihre technischen Sicherheitsgrenzen ausgelastet werden, wozu der internationale Stromhandel  und die Transferleistungen ihren Teil dazu beitragen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Besteht tatsächlich die Gefahr eines Blackouts in Deutschland?

Wolfram Geier: Ja, ein Blackout in einzelnen Regionen Deutschlands kann jederzeit auftreten, so wie wir dies für Minuten und Stunden in den letzten Jahren schon öfters und für mehrere Tage im Münsterland immerhin einmal erlebt haben. Grundsätzlich ist auch ein überregionaler Blackout, z. B. aufgrund von kaskadierenden Effekten nicht auszuschließen. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn das hiesige Übertragungsnetz aufgrund von Stromverbrauch oder Transferleistungen bereits an seiner Belastungsgrenze angekommen ist und sich parallel dazu aufgrund von technischen Störungen, schweren Naturereignissen oder einem gezielten Hacking weitere schwerwiegende Probleme ergeben, die zu einem Zusammenbruch des Übertragungsnetzes führen. Aber auch menschliches Versagen oder Kommunikations- und Abstimmungsfehler können dazu führen, dass der Strom ausfällt. 2006 haben wir einen  Stromausfall erlebt, bei dem neben Teilen von Deutschland auch Teile zahlreicher anderer europäischer Länder betroffen waren, weil es im Zuge einer geplanten Abschaltung einer Höchstspannungsleitung über den norddeutschen Fluss Ems zu Kettenreaktionen und Netzzusammenbrüchen kam.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was begünstigt einen solchen Blackout?

Wolfram Geier: Wie bereits gesagt, erhöhen technische Komplexität, hohe Schwankungen in der Belastung der Netze, hoher Abstimmungs- und Regelungsbedarf in Verbindung mit Naturgefahren, menschlichem und/oder technischem Versagen oder böswillige Eingriffe in die Systeme durch Sabotage, Hacking etc. auch das Risiko eines größeren oder großen Blackouts.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was würde das für uns bedeuten, wer ist am ehesten gefährdet?

Wolfram Geier: Ein großflächiger und lange anhaltender Stromausfall in Deutschland wäre eine richtige Katastrophe. Unser gesamtes öffentliches und privates Leben hängt mittlerweile von der zuverlässigen Verfügbarkeit von elektrischem Strom ab. Überall dort wo wir keine wirkungsvolle Notstromversorgung haben, brechen wichtige, zum Teil lebenswichtige Dienstleistungen mehr oder weniger schnell zusammen: die IT-Systeme, die Telekommunikation, Licht, Wärme oder Kühlung, die Trinkwasserver- und die Abwasserentsorgung, die Bargeldversorgung am Automaten, Kassenanlagen, elektrische Öffnungs- und Schließanlagen, Fahrstühle, Verkehrsleitsysteme, mobile Gesundheitsdienstleistungen, die medizinische, von elektrischen Geräten abhängige Versorgung in Pflegeheimen und zu Hause, industrielle Produktionsstrecken usw. Aber auch in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, die aufgrund von Vorschriften über eine Notstromversorgung verfügen, wird der Betrieb nur eingeschränkt möglich sein und ggf. dann zusammenbrechen, wenn kein Treibstoffnachschub für die Notstromaggregate geliefert werden kann. Hinzu kommt, dass die meisten Tankstellen über keine Notstromversorgung für ihre Pumpen verfügen. Das gesamte öffentliche Leben stünde dann vor einem Kollaps, gefährdet wären wir mehr oder weniger alle, wobei auch hier die so genannten Risikogruppen in der Bevölkerung, kranke, behinderte und alte Menschen sowie kleine Kinder besonders im Fokus stehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Besteht die Gefahr einer Panik?

Wolfram Geier: Panisches Verhalten von Menschen tritt eher selten auf, auch wenn man das in Katastrophen landläufig schnell vermuten würde.  Wenn es zu Panik kommt, dann meistens, wenn viele Menschen auf engstem Raum zusammen sind und ein Unglück geschieht, z. B. der Ausbruch eines Brandes, der Zusammenbruch eines Gebäudes etc. und viele Menschen unkontrolliert in Richtung eines „Ausgangs“ drängen. Denken Sie an die „Loveparade“ in Duisburg. Beim mehrtägigen Stromausfall im Münsterland 2005 war von Panik nichts zu merken. Im Gegenteil: In dieser ländlich geprägten Region herrschte nachbarschaftliches Helfen und Zusammenwirken vor. Problematisch könnte es in den großen Agglomerationsräumen, also in unseren Großstädten werden. Dies vor allem dann, wenn es durch den langeanhaltenden Stromausfall zu Versorgungsengpässen mit wichtigen Grundnahrungsmitteln kommt, ausbrechende Brände und Unfälle ihren Teil dazu beitragen, dass die Situation als unhaltbar bzw. unmittelbar lebensbedrohlich empfunden wird und Menschen in dieser Extremsituation unüberlegt handeln, ggf. sogar plündern. In solchen Fällen wäre die öffentliche Sicherheit und Ordnung massiv bedroht.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie kann man sich für einen solchen Fall rüsten?

Wolfram Geier: Der einzelne Mensch, aber auch Betriebe, öffentliche Einrichtungen und Verwaltungen können für den Notfall vorsorgen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat z. B. eine ganze Palette von Ratgebern und Leitfäden entwickelt, die zum einen helfen können, ein solches Ereignis zu vermeiden bzw. einzugrenzen und zum anderen Maßnahmen vorschlagen, wie man mit einer solchen Situation im Ereignisfall umgeht. Für Unternehmen und Verwaltungen wären beispielsweise unser „Risiko- und Krisenmanagement-Leitfaden“ sowie unsere Empfehlungen für den Aufbau und Betrieb einer Notstromversorgung von Interesse. Für die private Vorsorge der Bevölkerung gibt es einen sehr praktischen und anschaulichen Ratgeber „Für den Notfall vorgesorgt“, der wichtige Tipps zu den Themen Notvorräte, Verhalten und weitergehende Informationen enthält. Ergänzt wird dieses Angebot durch aktuelle Informationen und Verhaltenshinweise zu aktuellen Gefahrenlagen auf unserer Homepage. Alle unsere Produkte sind kostenlos zu beziehen bzw. über unsere Homepage herunterzuladen.


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