Politik

Chaos in Syrien: Zehntausende Syrer wollen in die Türkei und nach Europa

Die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien in der syrischen Provinz Idlib haben eine neue Massenflucht ausgelöst. Zehntausende Syrer stehen an der Grenze zur Türkei. Ankara fühlt sich von der EU im Stich gelassen.
04.09.2019 14:40
Aktualisiert: 04.09.2019 14:44
Lesezeit: 2 min

Angesichts der erneuten Kämpfe zwischen der syrisch-russischen Koalition und diversen Söldner-Truppen und extremistischen Verbänden in der syrischen Provinz Idlib tummeln sich aktuell nach Angaben der türkischen Zeitung Internet Haber Hunderttausende von neuen Flüchtlingen an der türkisch-syrischen Grenze. In der Grenzstadt al Bab kommt es seit mehreren Tagen zu Protesten syrischer Flüchtlinge gegen Russland und Syrien. Zuvor hatten einige türkische Konten in den Sozialen Medien behauptet, dass sich die Proteste gegen die türkische Grenzpolizei richten würden, weil diese die Menschen nicht unkontrolliert passieren lassen möchte.

Der Gouverneur der Provinz Hatay, die sich direkt an der syrischen Grenze befindet, warnt vor einer Desinformationskampagne über die Sozialen Medien. „Wir beobachten, dass in den Sozialen Medien provokative Informationen geteilt werden. Die Proteste fanden auf syrischem Boden statt. Sie richteten sich gegen die Angriffe des Regimes“, so der Gouverneur über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Die Türkei ist mittlerweile überfordert mit der Flüchtlings-Situation, die in Verbindung mit dem Syrien-Konflikt steht. Der Schutz der türkischen Außengrenzen ist beim aktuellen Andrang nahezu unmöglich, zumal Schlepper immer wieder neue Routen finden. Sowohl die Grenze nach Syrien als auch die Grenze nach Griechenland ist halbdurchlässig.

Der Sender CNN Türk kritisiert, dass die reichen Golfstaaten sich immer noch dagegen wehren, Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Drastische Kritik wird auch am Flüchtlingsabkommen mit der EU geäußert. Kritisiert wird vor allem, dass die Aufgabe zur Unterbringung von Flüchtlingen ausgerechnet einem Land wie der Türkei, das sich in einer Wirtschaftskrise mit Währungsproblemen befindet, übertragen wird. In der Türkei befinden sich inzwischen etwa 3,5 Millionen Syrer.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu kritisiert angesichts der Situation in Idlib die Gleichgültigkeit der EU. Er warnte während einer Ansprache am Norwegian Institute for Foreign Affairs (NUPI) vor einer neuen großen Flüchtlingswelle von Idlib über die Türkei bis in die EU.

Die Zeitung Star zitiert den Außenminister: „Das Regime und seine Unterstützer planen, eine Massenflucht in Richtung Europa auszulösen, indem sie insbesondere die Wohnorte von Zivilisten bombardieren. Wenn das Regime seine aggressive Haltung beibehalten sollte, wird es zu einer humanitären Katastrophe kommen. Die internationale Gemeinschaft ist verstummt. Doch diese Problem hängt direkt mit der Sicherheit Europas zusammen. Ich möchte auch erwähnen, dass wir all diese Menschen nicht zwangsweise nach Syrien zurückschicken können. Wir haben in acht Jahren insgesamt 37 Milliarden US-Dollar für diese Menschen ausgegeben. Von der EU haben wir bisher weniger als eine Milliarde erhalten.“

Das US-Magazin Foreign Policy kritisiert, dass die EU die Situation der Menschen in Syrien, und insbesondere der Syrer in Idlib, ignoriert. Foreign Policy wörtlich: „Durch die Bestechung der Türkei, um syrische Flüchtlinge außer Sichtweite zu halten, ist es der Europäischen Union gelungen, das Leiden der Syrer außer Acht zu lassen. Der Westen scheint mehr vom Gespenst des Flüchtlings als vom Leid der Kinder heimgesucht zu werden. Um diese Apathie zu überwinden, müssen die Syrer den einzigen Hebel einsetzen, der ihnen zur Verfügung steht: die Drohung, erneut nach Europa zu fliehen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Medienkrieg: Warum Paramount Skydance das Netflix-Angebot sprengt
10.12.2025

Ein Übernahmekampf erschüttert die US-Medienbranche, weil Paramount Skydance das vermeintlich entschiedene Rennen um Warner Bros....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Volkswagen beendet Fahrzeugproduktion: Umbaupläne für Gläserne Manufaktur in Dresden
10.12.2025

Die VW-Fahrzeugproduktion in Dresden endet aus wirtschaftlichen Gründen nach mehr als 20 Jahren. Über die Zukunft des ehemaligen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jobabbau bei BASF und Co.: Deutsche Chemie-Industrie historisch schlecht ausgelastet
10.12.2025

Teure Energie, Wirtschaftskrise und Preisdruck: Die deutsche Chemiebranche steckt in der schwierigsten Krise seit 25 Jahren. Auch 2026...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...