Finanzen

Eskalation zum Abschied: Draghi zieht Einlagenzinsen weiter in den negativen Bereich, kauft wieder Staatsanleihen

Lesezeit: 2 min
12.09.2019 13:21  Aktualisiert: 12.09.2019 13:46
Das EZB-Führungsgremium hat bei seinem letzten Zinsentscheid unter Präsident Mario Draghi die seit Jahren betriebene expansive Geldpolitik massiv verstärkt. Der Einlagenzins wurde dabei noch weiter in den negativen Bereich gesenkt. Zudem sollen wieder Staatsanleihen gekauft werden.
Eskalation zum Abschied: Draghi zieht Einlagenzinsen weiter in den negativen Bereich, kauft wieder Staatsanleihen
Foto: Arne Dedert

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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Strafzinsen für Banken angehoben und nimmt ihre umstrittenen Anleihenkäufe wieder auf. Der sogenannte Einlagensatz sei auf minus 0,5 Prozent von minus 0,4 Prozent gesenkt worden, teilten die Euro-Wächter am Donnerstag in Frankfurt mit. Ein Minuszeichen beim Einlagenzins bedeutet, dass die Institute Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken. Der Satz ist bereits seit 2014 negativ. Die DZ Bank schreibt dazu: "Der Einlagesatz ist wie erwartet auf minus 0,5% abgesenkt worden. Begleitet wird diese Maßnahme durch eine Art Freibetrag, für den ein höherer Satz gilt. Zweck dieser Staffelung ist es, die Belastungen der Banken durch den negativen Einlagenzins in Grenzen zu halten. Die Staffelung dürfte insbesondere für deutsche, französische und niederländische Banken eine Erleichterung bringen. Diese halten mit zusammen knapp 70% den größten Teil an den Überschussreserven bei der EZB. Die EZB muss jedoch darauf achten, dass die Geldmarktsätze durch dieses abgestufte System nicht in Bewegung nach oben geraten."

Sie kündigte zudem an, die im Dezember 2018 beendeten Anleihenkäufe erneut aufzunehmen. Sie will ab dem 1. November monatlich Papiere für 20 Milliarden Euro erwerben. Ein konkretes Enddatum wurde nicht genannt. Ende Dezember hatte die EZB ihr gewaltiges Kaufprogramm von Staats- und Unternehmensanleihen vorerst beendet. Seit Januar fließt kein frisches EZB-Geld mehr in diesem Rahmen, Gelder aus auslaufenden Wertpapieren werden jedoch reinvestiert. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB rund 2,6 Billionen Euro in Anleihen.

Den Schlüsselzins zur Versorgung der Institute mit Geld beließ die EZB dagegen bei 0,0 Prozent. Bereits seit März 2016 liegt er auf diesem Rekordtief.

Die EZB beschloss auch, die Konditionen ihrer geplanten neuen Langfristkredite für Banken - in der Fachwelt "TLTRO III" genannt - noch etwas vorteilhafter zu gestalten und die Laufzeit dieser Kredite auf drei von zwei Jahren zu verlängern. Die DZ Bank schreibt in einem Kommentar: "Die Konditionen für die neuen TLTROs sind in drei Punkten verbessert worden. Einerseits wird die Refinanzierung durch die Senkung des Einlagesatzes auf minus 0,5% nochmals günstiger; die erforderliche zusätzliche Kreditvergabe vorausgesetzt. Zweitens fällt der Zuschlag von 10 Basispunkten weg und drittens verlängert sich die Laufzeit von zwei auf drei Jahre."

Insbesondere die Wiederaufnahme der Anleihenkäufe - der wohl weitreichendsten Notfallmaßnahme, welche zur Überdeckung der Finanzkrise ab den Jahren 2008 ergriffen wurde - ist Beweis dafür , dass das gegenwärtige Finanzsystem nur noch aufgrund der massiven, permanenten und aus dem Nichts erzeugten Kapitalzufuhr durch die Notenbanken funktioniert. Die Aussicht, dass Europas Volkswirtschaften noch im laufenden Jahr in eine Rezession schlittern könnten, dürfte der Hauptgrund der massiven Verschärfung der Geldpolitik durch die EZB gewesen sein.

"Das ist Mario Draghis Abschiedsgeschenk an die Märkte", erklärte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. In der Summe sehe es ein wenig danach aus, als erwarte der EZB-Rat eine noch deutlichere Abschwächung der Konjunktur als bislang vorgesehen.

Kritik kam aus der Bankenbranche. "Das Hauptsignal der heutigen Entscheidungen ist ein fatales: Die Wirtschaft und gesamte Gesellschaft im Euro-Raum müssen sich auf eine noch längere und noch tiefere Negativzinswelt einrichten", sagte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis. Ähnlich äußerte sich der Verband der öffentlichen Banken: Auf dem Immobilienmarkt gebe es Preisblasen, und normale Bürger wüssten nicht mehr, wie sie für das Alter vorsorgen sollten. Über kurz oder lang werde jeder Bürger über höhere Bankgebühren die Folgen der Minus-Zinspolitik zu spüren bekommen, sagte der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach.

Für Draghi war dies bereits die vorletzte Zinssitzung. Ende Oktober läuft seine Amtszeit nach acht Jahren ab. Er dürfte dann der erste EZB-Präsident sein, in dessen Amtszeit die Notenbank kein einziges Mal ihre Zinsen angehoben hat.


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