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Knorr-Bremse verkauft Verlustbringer - und zahlt noch drauf

Die Produkte, die Knorr-Bremse aus München herstellt, gelten weltweit als Inbegriff von deutscher Wertarbeit. Jetzt macht sich allerdings die abgekühlte Weltkonjunktur bemerkbar.
15.10.2019 16:19
Aktualisiert: 15.10.2019 16:28
Lesezeit: 3 min
Knorr-Bremse verkauft Verlustbringer - und zahlt noch drauf
Bremsscheiben, die das Unternehmen herstellt (Foto: dpa). Foto: Peter Kneffel

Eigentlich sieht es für Knorr-Bremse aus München, einem Primus in seiner Branche, ganz gut aus: Der Produzent hat in den vergangenen fünf Jahren fast durchweg seinen Umsatz und Gewinn gesteigert. Darüber hinaus legte das bayerische Unternehmen im Herbst des vergangenen Jahres einen vielbeachteten milliardenschweren Börsenstart hin, obwohl die Märkte damals massiv zurückgingen. Nach wie vor gilt Knorr-Bremse als ein wichtiges Aushängeschild des deutschen Mittelstandes.

Doch jetzt spürt der Produzent auf einmal Gegenwind, weil sich die internationale Konjunktur immer mehr abkühlt. In welche Richtung sich das Geschäft entwickelt, ist nicht klar. So hat Knorr-Bremse gerade sämtliche Aktivitäten des Geschäfts mit Energieversorgungssystemen verkauft – eine Sparte, die firmenintern „Powertech“ heißt.

Sich jetzt voll und ganz auf das Kerngeschäft mit dem Verkauf von Bremsen und Bremssystemen zu konzentrieren, lautet die neue Devise der Führungsriege. Der Käufer ist die Beteiligungsgesellschaft Radial Capital Partners (RCP), die ebenso aus der bayerischen Hauptstadt München stammt. Beide Partner unterschrieben den Kaufvertrag, der sofort umgesetzt werden sollte.

Hersteller zahlt noch drauf, um Verlustbringer loszuwerden

Das Interessante: Bei der Transaktion zahlt Knorr-Bremse sogar noch drauf. Wie der offiziellen Erklärung des Herstellers zu entnehmen ist, belastet der Verkauf die Bilanz im laufenden Jahr einmalig mit einem Verlust von 80 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr hat Knorr-Bremse nach Steuern einen Gewinn von etwa 593 Millionen Euro erwirtschaftet, während der Umsatz bei 6,6 Milliarden Euro gelegen hat.

Warum der Münchner Produzent letztlich noch Geld ausgibt, um die Sparte loszuwerden, lässt sich klar an der Bilanz ablesen: So hat „Powertech“ im vergangenen Jahr einen Umsatz von 90 Millionen Euro generiert und einen operativen Verlust von rund 19 Millionen Euro verzeichnet. Zuletzt war dieses Geschäftsfeld folglich nur ein Verlustbringer.

„Es hat sich herausgestellt, dass weniger Synergien zwischen dem Geschäftsbereich und den übrigen Aktivitäten von Knorr-Bremse zu erzielen sind als ursprünglich erwartet“, begründete Jürgen Wilder, Vorstandsmitglied, den Schritt des Managements. Der 49jährige verantwortet beim Hersteller die Sparte „Systeme für Schienenfahrzeuge“, die mit 51 Prozent etwas mehr als die Hälfte zum Gesamterlös beisteuert. Der Rest stammt aus den Verkäufen von LKW-Bremsen.

CFO Heuwing: „Positive Effekte des Verkaufs wohl schon 2020 zu sehen“

„Wir müssen zwar in diesem Jahr eine einmalige Sonderbelastung verarbeiten“, sagte CFO Ralph Heuwing und wies darauf hin, dass sich die Umsatzrentabilität stärken wird. „Die operative EBIT-Marge des fortgeführten Geschäfts wird jedoch durch diese Maßnahme um 50 Prozentpunkte gestärkt“, so der CFO. „Dies werden wir bereits im Jahr 2020 sehen“, erklärte der Manager.

Grundsätzlich sieht die Entwicklung derzeit zwar nicht so schlecht aus, weil die jüngste Bilanz fast nur Steigerungen aufweist. So hat der Hersteller bis Ende Juni seine Erlöse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 8,4 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro erhöht. Das operative Ergebnis (EBIT) kletterte um 12,9 Prozent auf 533,2 Millionen Euro. Ebenso steigerte sich der Auftragseingang um 1,8 Prozent auf knapp 3,6 Milliarden Euro.

Schwache Weltkonjunktur drückt im zweiten Quartal Auftragseingang

Doch ist am Auftragseingang zu sehen, dass nicht alles bei Knorr-Bremse zum Besten bestellt ist. Denn nach den ersten sechs Monaten hat sich das Volumen der Order nur leicht erhöht. Darüber hinaus verringerte es sich im zweiten Quartal sogar um 1,8 Prozent auf rund 1,7 Milliarden Euro. Damit hat die Weltkonjunktur, die sich derzeit abkühlt, ihren spürbaren Abdruck auf der Bilanz hinterlassen.

Dass nicht alles rund läuft, wird auch daran deutlich, dass der Produzent sein Produktionswerk für Lenkungssystem in Wülfrath bei Wuppertal bis 2020 schließen will. Ein Großauftrag für PKW-Lenksysteme sei unerwartet früh ausgelaufen, erklärte das Management bereits im Mai des laufenden Jahres.

Auch Analysten halten sich zurück

Dies spiegelt sich auch an der Entwicklung der Aktie wider, die in den vergangenen zwölf Monaten zwar an der Frankfurter Börse 4,5 Prozent auf Werte um 87,50 Euro zugelegt hat. Doch halten sich die Analysten mit Kaufempfehlungen sehr zurück. Der Fachdienst „finanzen.net“ hat zehn Fachleute befragt, von denen nur ein einziger den Daumen für das Papier nach oben hebt („Buy“). Sieben Fachleute haben eine Bewertung von „Hold“ abgegeben, während drei Experten raten, die Aktie zu verkaufen („Sell“).

Inmerhin bleibt das Management insgesamt optimistisch: Die Führungsriege bekräftigte Mitte September ihre Prognose für den Umsatz. So soll der Erlös im laufenden Jahr zwischen 6,875 und 7,075 Milliarden Euro ausfallen. Das wären im besten Falle sechs Prozent mehr als noch zwölf Monate zuvor. Im laufenden Jahr dürfte die Abkühlung der Weltkonjunktur wohl noch nicht nachhaltig zu sehen sein. Das ist ja auch etwas.

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