Politik

Frankreich: Gesichtserkennung soll an Schulen und in Behörden Einzug halten

Mehrere französische Städte wollen Schulen und Behörden mit Systemen zur automatischen Gesichtserkennung ausstatten. Das Innenministerium entwickelt zudem eine spezielle App zur Gesichtserkennung.
30.10.2019 10:48
Aktualisiert: 30.10.2019 10:53
Lesezeit: 1 min
Frankreich: Gesichtserkennung soll an Schulen und in Behörden Einzug halten
Christophe Castaner (M), Innenminister von Frankreich, und Laurent Nunez (l), Staatssekretär im Innenministerium, gehen während einer Zeremonie in Gedenken an die vier Opfer einer Messerattacke durch den Innenhof des Pariser Polizeipräsidiums. (Foto: dpa) Foto: Francois Mori

Big Brother hält Einzug in Frankreichs Schulen und Behörden: Das fürchten Datenschützer und schlagen deshalb Alarm, berichtet AFP. Es geht um Systeme zur automatischen Gesichtserkennung. Diese sollen an französischen Schulen und für Online-Dienste der Verwaltung genutzt werden. In der EU wäre dies eine Premiere.

Besonders umstritten sind die Pläne zur Gesichtserkennung an Schulen: Die konservativ regierte Region Provence-Alpes-Côte d'Azur (PACA) will die Technologie in den Mittelmeerstädten Nizza und Marseille testen. An Gymnasien soll es mit Kameras ausgestattete Eingangsportale geben, die sich nur dann öffnen, wenn das Gesicht eines Schülers elektronisch erkannt wurde.

Unbefugte und mögliche Gewalttäter sollen so schon am Schultor gestoppt werden. Ganz nebenbei soll damit auch Wachpersonal eingespart werden. Nach den Pariser Anschlägen vom November 2015 hatten französische Schulen ihre Kontrollen verschärft.

Doch die Pariser Datenschutzbehörde CNIL hat den Plänen einen Riegel vorgeschoben. Sie nennt eine Gesichtserkennung bei Schülern und Lehrern "unnötig und unverhältnismäßig". Herkömmliche Ausweise reichten für Kontrollen völlig aus, befanden die Datenschützer.

Der konservative Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, reagierte empört. Die Datenschutzbehörde stecke "offenbar noch im 20. Jahrhundert fest", kritisierte er auf Twitter. Er und die Region würden in Kürze neue Pläne für die Gesichtserkennung vorlegen.

Auch das französische Innenministerium treibt Pläne zur Nutzung der Technologie voran. Bereits im November könnte eine neue Smartphone-App namens "Alicem" an den Start gehen. Sie soll den Bürgern einen sicheren Zugang zum Internetangebot der Verwaltung ermöglichen.

Das Innenministerium preist die App als "Spitzenlösung" und als Sesam-öffne-dich für Online-Dienste, bei denen besonders strenge Personenkontrollen nötig sind - etwa bei der Ausstellung eines Passes oder Führerscheins oder bei Finanzämtern.

Um den Dienst zu nutzen, sollen Bürger ihren biometrischen Pass mit dem Smartphone scannen. Zudem müssen sie mit dem Handy ein Video ihres Gesichts drehen. Die Regierung gleicht beides dann mit einer Software zur Gesichtserkennung ab, bevor sie den Nutzern einen Zugangscode für die Online-Dienste schickt. "Selbst wenn es sich dabei nicht um eine Echtzeit-Gesichtserkennung mit Überwachungskameras handelt, wird damit die Gesichtserkennung als Identifikationsmittel zur Normalität", kritisiert der Datenschutz-Verband La Quadrature du Net.

Die Pläne sind bis in die französische Regierung umstritten: Digital-Staatssekretär Cédric O forderte eine neue Kontrollbehörde: "Der Staat muss sich vor sich selbst schützen", betonte er. "Die Technologie mag nützlich sein, um Terroristen um einer Menge zu identifizieren", sagte er. Sie berge aber auch massive Risiken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Politik
Politik Moskau: Lösung des Ukraine-Kriegs kommt voran
29.12.2025

Greifbare Ergebnisse hat das Treffen zwischen Trump und Selenskyj nicht gebracht. Der echte Verhandlungsprozess sei von anderen angestoßen...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
29.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Finanzen
Finanzen Strategische Aktienauswahl: Diese 4 Kriterien führen zu langfristigem Anlageerfolg
29.12.2025

Die richtige Aktienauswahl entscheidet langfristig über Erfolg oder Misserfolg an den Märkten. Doch welche grundlegenden Kriterien sind...

DWN
Technologie
Technologie MAN Engines modernisiert V12-Gasmotor: Technische Anpassung an globale Emissionsregeln
29.12.2025

Bewährte industrielle Antriebssysteme stehen angesichts globaler Emissionsvorgaben unter wachsendem Anpassungsdruck. Wie MAN Engines...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Ukraine-Wiederaufbau: Diese Unternehmen warten auf ein Ende des Krieges
28.12.2025

Die Märkte reagieren überraschend empfindlich auf jede Erwartung eines Waffenstillstands und verschieben Kapital von Rüstungswerten hin...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wie die wirtschaftliche Neuordnung gelingt
28.12.2025

Deutschland steht vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Neuordnung, in der Investitionen und geopolitische Risiken zugleich bewältigt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teamführung 2026: Was Führungskräfte jetzt wirklich brauchen
28.12.2025

Viele Führungskräfte starten 2026 mit neuen Vorsätzen – doch der Alltag frisst schnell jede Veränderung. Welche Self- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...