Politik

Widerstand gegen die schleichende Übernahme der UN durch die Konzerne

In einem offenen Brief an UN-Generalsekretär Guterres wird ein Ende des Abkommens mit dem Weltwirtschaftsforum gefordert, das die Übernahme der UN durch transnationale Unternehmen festschreiben würde.
30.10.2019 12:12
Aktualisiert: 30.10.2019 13:47
Lesezeit: 2 min
Widerstand gegen die schleichende Übernahme der UN durch die Konzerne
UN-Generalsekretär António Guterres (links). (Foto: dpa) Foto: Justin Lane

Kürzlich berichteten wir ausführlich über die verstärkte Kooperation zwischen den Vereinten Nationen und dem Weltwirtschaftsforum (WEF), nachdem diese am 13. Juni vereinbart hatten, künftig bei weltweiten Themen gemeinsam vorzugehen. Doch inzwischen hat sich Widerstand gegen diese drohende Weltherrschaft der Konzerne formiert, berichtet Norbert Häring auf seinem Blog.

Mehr als 240 Organisationen haben Ende September einen offenen Brief an UN-Generalsekretär António Guterres geschrieben, worin sie die Aufhebung des Partnerschaftsabkommens zwischen UN und WEF fordern. Denn in ihren Augen wird mit der Vereinbarung die Übernahme der UN durch transnationale Unternehmen festgeschrieben, da es diesen einen bevorzugten Zugang zum UN-System gewährt.

"Das UN-System steht bereits unter einer großen Bedrohung durch die US-Regierung und diejenigen, die eine demokratische multilaterale Welt in Frage stellen", heißt es in dem offenen Brief. Diese Übernahme der UN durch Konzerne stelle jedoch eine viel tiefere langfristige Bedrohung dar, auch weil sie die allgemeine Unterstützung für das UN-System aushöhlen werde.

Nach Ansicht der Unterzeichner steht das Partnerschaftsabkommen im Widerspruch zur UN-Charta und zu zwischenstaatlichen Entscheidungen in den Bereichen nachhaltige Entwicklung, Klima, Beseitigung von Armut und Hunger. Die Partnerschaft werde die UN dauerhaft mit transnationalen Unternehmen verbinden, welche die sozialen und ökologischen Krisen in der Welt verursacht oder verschärft hätten.

"Wir wissen, dass die Agrarwirtschaft die biologische Vielfalt sowie nachhaltige und gerechte Nahrungssysteme zerstört, dass Öl- und Gasunternehmen das Klima der Welt gefährden, dass die großen Pharmakonzerne den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten erschweren, dass Rohstoffunternehmen die Ökologie und die Bevölkerung der Länder nachhaltig schädigen und dass Waffenhersteller von lokalen und regionalen Kriegen sowie von der Unterdrückung sozialer Bewegungen profitieren. Alle diese Sektoren sind wichtige Akteure im Rahmen des Weltwirtschaftsforums."

Das Weltwirtschaftsforum ist nach eigenen Angaben "die internationale Organisation für öffentlich-private Kooperation" und "bringt die wichtigsten Führungskräfte aus Politik, Wirtschaft und anderen Bereichen der Gesellschaft zusammen, um globale, regionale und branchenspezifische Agenden zu gestalten". Den größten Einfluss in dem weltweit vernetzten Lobby-Verband haben die größten Konzerne der Welt, die auch das meiste Geld beisteuern. Beim jährlichen Treffen in Davos sind neben den zahlreichen Konzernchefs stets auch internationale Regierungschefs anwesend.

Konzern-Berater werden bei der UN ihre eigenen Ziele verfolgen

Die Bestimmungen in der strategischen Partnerschaft zwischen UN und WEF führen nach Ansicht der Unterzeichner des offenen Briefs dazu, dass die Unternehmen als Berater der UN-Chefs ihre eigenen Ziele verfolgen, wobei sie echte und im allgemeinen Interesse liegende Lösungen und transparente demokratische Verfahren untergraben.

"So schwächt und beeinträchtigt beispielsweise die Übernahme der UN durch die Konzerne - oder die unangemessene Einmischung von Unternehmen in die UN - in den aktuellen Diskussionen über einen Vertrag zur Regulierung von Konzernaktivitäten ihre Stellung als multilaterales Regierungsorgan, Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen.

Die Zustimmung der UN zu diesem Partnerschaftsabkommen sei ein Schritt in Richtung der Bestrebungen des WEF, die globale Zusammenarbeit neu zu definieren, wobei zwischenstaatliche Rechtsrahmen und Institutionen zwar noch eingebettet sein werden, aber nicht mehr als die einzige und manchmal nicht einmal mehr als die wichtigste Komponente. Schon im Jahr 2010 zielte ein WEF-Bericht mit dem Titel "Global Redesign Initiative" darauf ab, die Rolle der Staaten bei globalen Entscheidungsprozessen zugunsten von NGOs und privaten Akteuren zu schwächen.

Wie wir berichtet haben waren sich die WEF-Autoren dabei durchaus bewusst, dass ihre Pläne einer globalen Neugestaltung der UN-Charta von 1945 zuwiderlaufen, welche ausdrücklich die Völker und ihre Regierungen als zentrale Akteure der Weltordnung anerkennt. In dem Bericht hieß es dazu: "Der auf Staaten basierende Kern des Systems muss an eine komplexere, von unten nach oben gerichtete Welt angepasst werden, in der nichtstaatliche Akteure zu einer wichtigeren Kraft geworden sind."

Die Unterzeichner des offenen Briefs fordern die Einführung wirksamer Mechanismen, um Interessenkonflikte verhindern. Private Organisationen, deren Aktivitäten im Widerspruch zu den Zielen der UN stehen, sollten nicht mit zwischenstaatlichen Gremien oder dem Sekretariat zusammenarbeiten. Zwar zeigen die Unterzeichner Verständnis dafür, dass UN-Generalsekretär Guterres im Kampf gegen den weltweit sich ausbreitenden Populismus und gegen die dringenden Geldsorgen seiner Organisation finanzkräftige Partner benötigt. Doch ihrer Ansicht nach würde ein Bündnis mit transnationalen Unternehmen das UN-System zerstören.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drei Anzeichen für ein brüchiges Arbeitsleben
07.07.2025

Neue Führung, neue Arbeitszeiten, neue Karriereträume: Wer im internationalen Wettbewerb mithalten will, muss verstehen, wie sich das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börse-Ausblick: Europa trotzt Trump – doch wie lange noch?
07.07.2025

Ein halbes Jahr voller Turbulenzen: Trump, Zölle, Währungskrise – die Börsen zeigen extreme Bewegungen. Welche Märkte profitieren,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Euro-Kurs wird zur Gefahr: Europas Exporte brechen ein
06.07.2025

Ein starker Euro, schwaches Wachstum, neue US-Zölle – Europas Wirtschaft gerät unter Druck. Die EZB warnt, doch die Lage droht zu...

DWN
Politik
Politik Neuregelung der Vaterschaft: Mehr Rechte für leibliche Väter
06.07.2025

Die Bundesregierung plant eine Reform, die leiblichen Vätern zu mehr rechtlicher Anerkennung verhelfen soll. Der Entwurf aus dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungstausch: Wie Sie Ihre Ferienwohnung herzaubern und worauf Sie achten müssen
06.07.2025

Der Wohnungstausch boomt – günstig, persönlich und spannend. Doch wie funktioniert das Ganze wirklich, und worauf muss man achten,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Jungmakler mit TikTok: Wie eine Generation den Versicherungsmarkt neu denkt
06.07.2025

TikTok-Reichweite, neue Rollenbilder, klare Erwartungen: Junge Makler treiben die Disruption im unabhängigen Versicherungsvertrieb voran....

DWN
Technologie
Technologie Wäschetrockner: Neues Energie-Label einfach erklärt
06.07.2025

Seit dem 1. Juli gelten für Wäschetrockner strengere Energiekennzeichnungen. Verbraucher sollen Geräte nun besser vergleichen können....