Die Menschheit könnte mittelfristig auf eine Krise katastrophalen Ausmaßes zusteuern: Ihr geht allmählich der Phosphor aus. Das chemische Element ist für die Herstellung von Düngemitteln unerläßlich, ein Ersatz-Stoff existiert nicht. Und: Die Vorräte sind endlich. Die Europäische Union klassifiziert Phosphor mittlerweile als „kritischen Rohstoff“. Bedingt durch das Wachstum der Weltbevölkerung steigt die Nachfrage jedes Jahr zwischen zwei und drei Prozent. Je nach Schätzung könnten die Reserven - von denen sich mehr als 70 Prozent in Marokko und der Westsahara befinden - in 50 bis 100 Jahren aufgebraucht sein.
Um der Katastrophe zuvorzukommen, gibt es zunehmend Versuche, Phosphor auf andere Weise zu gewinnen als durch den klassischen Abbau. Kathrin Rübberdt von der „DECHEMA - Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie“ (Frankfurt) sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Weitere Quellen für Phosphat und somit Alternativen zum klassischen Abbau von Phosphaterz sind Klärschlamm und Klärschlamm-Aschen, Gärreste (zum Beispiel aus Biogasanlagen) sowie tierische Nebenprodukte (zum Beispiel Knochen sowie Geflügel-, Rinder- und Schweinegülle). Zur Aufarbeitung werden Verfahren eingesetzt, bei welchen das Phosphat unter Einwirkung von Wärme oder durch die Zugabe von Chemikalien gewonnen wird.“
Auch Prof. Werner Wahmhoff (Osnabrück) sprach sich im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten dafür aus, Phosphor „im Kreislauf zu halten“. Die derzeit in Deutschland vorherrschende Praxis sei verschwenderisch: „Die Pflanzen nehmen den Phosphor auf; teilweise ist er auch im Fleisch vorhanden, wenn das Schlachtvieh phosphathaltiges Futter gegessen hat. Nach ihrem Konsum werden die pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittel von den Menschen wieder ausgeschieden und landen in der Kläranlage. Der Klärschlamm wird anschließend verbrannt - womit der Phosphor verschwunden ist.“ Daher sei es notwendig, den Phosphor aus dem Klärschlamm zurückzugewinnen.
Das Bundesumweltministerium hat eine dementsprechende „Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung“ erlassen, in der es heißt: „Die Pflicht zur Rückgewinnung von Phosphor greift in den Fällen, in denen der Klärschlamm einen Phosphorgehalt von 20 Gramm oder mehr je Kilogramm Trockenmasse aufweist.“ Die Verordnung gilt ab dem Jahr 2029. Von Wahmhoff wird sie ausdrücklich begrüßt: „Es handelt sich dabei um sehr gutes Beispiel für eine dauerhafte Kreislaufwirtschaft.“ Der Rückgewinnungs-Prozess sei technologisch ausgereift; es gehe dabei „erstaunlich wenig Phosphor verloren“.
Jörg Schaller von der Universität Bayreuth sagte im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass in Deutschland zu viel mit Phosphor gedüngt werde. Wahmhoff sieht das anders: „In den Ackerbaugebieten haben wir passende Phosphorgehalte.“ Was die Ackerböden von tropischen und subtropischen Ländern angeht: Dort sei der Phosphorgehalt häufig sogar zu gering. Mehr Düngung ist in diesen Ländern also notwendig - und bis dort brauchbare Kreislauf-Systeme implementiert sind, dürfte noch geraume Zeit vergehen.
Zumal nicht alle Wissenschaftler in Hinblick auf die Wiederverwertbarkeit so optimistisch sind wie Wahmhoff. Kathrin Rübberdt: „Über die alternativen Quellen für Phosphat kann nach jetzigem Stand nicht der gesamte Bedarf an Phosphat gedeckt werden.“ Es gebe „Berechnungen, nach welchen über die Rückgewinnung von Phosphat aus den genannten alternativen Quellen über 50 Prozent der Phosphate, die in Düngemittel gehen, ersetzt werden können“. Über 50 Prozent können ersetzt werden - das heißt, fast die Hälfte kann es nicht.
Eins steht fest: Das Phosphor-Dilemma ist noch lange nicht gelöst.