Der Bundesverband der deutschen Banken, der mehr als 200 private Geschäftsbanken repräsentiert, hat ein Positionspapier vorgelegt, in dem er die Einführung eines programmierbaren digitalen Euros vorstellt. Dieser sollte von Zentralbanken, Regierungen, Parlamente, Aufsichtsbehörden und Banken in die bestehenden Finanzsysteme integriert werden.
Was ist ein programmierbarer digitaler Euro?
"Mit digitalem Geld gehen wir tagtäglich um, es ist uns als Giralgeld in Form von Überweisung, Lastschrift, Scheck oder Kartenzahlung seit langem vertraut", heißt es in dem Papier. Doch nun gebe es mit Libra, Bitcoin, Alipay und M-Pesa neue Formen digitalen Geldes, die eine bedeutsame technologische Neuerung aufweisen würden, die sogenannten Smart Contracts. Dies seien Computerprotokolle, die vertragliche Bedingungen abbilden oder überprüfen und beispielsweise bei Auftragserfüllung automatisch Zahlungen auslösen.
"Es kann daher auch von programmierbarem Digitalgeld gesprochen werden. Die privaten Banken sind davon überzeugt, dass diese Form des Geldes in einer digitalisierten Wirtschaft rasch an Bedeutung gewinnen wird. Smart Contracts können aber nicht nur mit Kryptogeld verbunden werden, sondern auch mit kontenbasiertem Giralgeld. Es ist daher sinnvoll, zwischen programmierbarem und nicht-programmierbarem Digitalgeld zu unterscheiden. Libra ist programmierbares Digitalgeld auf Kryptobasis."
Privates Digitalgeld - ein systemisches Risiko?
Nach Ansicht des Bankenverbands haben private Kryptowährungen das Potenzial, "den Geldumlauf vom bestehenden Bankensystem zu entkoppeln". Damit bestünde ein hohes Risiko, dass durch sie ökonomische Konflikte verschärft würden.
"Bisher angewendete Korrekturinstrumente wie Wechselkurs- oder Zinsanpassungen würden an Wirksamkeit verlieren, wenn die neue Geldform auf hohe Akzeptanz stieße. Auch eher symptombekämpfende Maßnahmen (Bildung großer Währungsreserven, Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, Devisenmarktinterventionen) verlören ihre Anwendbarkeit. Eine globale digitale Währung, zumal von einem gewinnorientierten, börsennotierten Unternehmen bereitgestellt, ist deshalb nicht im Sinne einer stabilen Weltgemeinschaft."
"Ein Währungswettbewerb mit privaten Währungen gefährdet die staatliche Währungshoheit und darf daher nicht zugelassen werden. Die Erwartung, dass durch eine Regulierung dieser neuen Geldform neue systemische Risiken eingehegt und gleichzeitig ihre produktivitäts- und effizienzsteigernden Eigenschaften für das internationale Finanzsystem genutzt werden können, könnte trügerisch sein."
Stellung der Banken im Währungssystem wackelt
In der bestehenden globalen Geld- und Währungsordnung haben nur die Banken Zugang zu Zentralbankgeld, und daran sollte sich laut Bankenverband auch nichts ändern: "Um die möglichen Risiken von Stablecoins besser kontrollieren zu können, aber auch um ihre Erfolgsaussichten zu erhöhen, wurde vorgeschlagen, kryptobasierten privaten Geldformen den Zugang zu Zentralbankgeld zu gewähren. Damit würde allerdings gleichzeitig das Prinzip des privilegierten Zugangs für Banken aufgehoben. Mit der direkten allgemeinen Verfügbarkeit von digitalem Zentralbankgeld außerhalb des Bankensektors würden erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen Banken und privaten Geldanbietern entstehen. Dadurch könnte die Stabilität des internationalen Finanzsystems insgesamt gefährdet werden."
Doch die Banken sehen nicht nur sich selbst in Gefahr, auch der Einfluss der Geldpolitik würde nach Ansicht des Bankenverbands durch die Verbreitung von Stablecoins massiv eingeschränkt. Dies sind Kryptowährungen, die von einem privaten Anbieter mit einem Portfolio von Zentralbankwährungen oder anderen Finanzwerten gedeckt werden.
"Bei großer Akzeptanz aus dem Kreis der Nutzer sozialer Netzwerke könnte das Wertpapierportfolio, das zur Deckung einer global einsetzbaren Stablecoin erforderlich ist – kurzlaufende staatliche Wertpapiere, hinter denen stabile Währungen stehen –, schnell eine Größenordnung erreichen, die systemisch relevant wäre, weil sie die Knappheit dieser sogenannten sicheren Aktiva weiter verschärfen würde. Eine solche Verschärfung könnte für eine Geldpolitik, die auf „quantitative easing“ setzt, zum Problem werden. Außerdem würden die infolge der höheren Nachfrage sinkenden Zinsen die Geldpolitik beispielsweise der EZB tangieren."
"Insbesondere wenn die Absicherung durch einen Währungskorb erfolgt, könnten Umschichtungen innerhalb des Portfolios zu steigender Volatilität an den Kapitalmärkten führen. Von besonderer Herausforderung dürften dabei Zeiten sein, in denen entweder die „Reservewährungen“ oder aber auch die Stablecoin an Vertrauen verlieren und es in der Folge zu massiven Kapitalbewegungen in die eine oder andere Richtung kommen kann. Eine Veränderung in der Zusammensetzung des Währungskorbes kann außerdem zu abrupten Wechselkursänderungen führen."
Banken sehen programmierbares Digitalgeld als bedeutende Innovation
Digitales Geld in Form von programmierbarem Digitalgeld wird laut Bankenverband ein "Kernelement der digitalen Transformation sein" und vor allem im Zusammenhang mit Smart Contracts eine große Rolle spielen können.
"Smart Contracts auf der Basis der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) ermöglichen die korrekte und automatisierte Ausführung von Vertragsvereinbarungen. Mit der Erfüllung der Vereinbarungen sind häufig auch Bezahlvorgänge verbunden. Damit diese unabhängig von der Betragshöhe vollautomatisiert erfolgen können, ist Geld in programmierbarer Form erforderlich. Ein Einsatz von Smart Contracts in Verbindung mit Digitalem Geld könnte zum Beispiel die automatische Vergütung von Rechteinhabern digitaler Güter sichern. Auch im Internet of Things (IoT) werden immer mehr Geräte mit dem Internet verbunden, sodass Daten zwischen Maschine und Maschine (M2M) sowie zwischen Maschine und Person (M2P) generiert, ausgetauscht und verarbeitet werden können. Diese Interaktion kann mit Unterstützung von Smart Contracts auch vollautomatisiert erfolgen."
"Die Industrie in Deutschland unternimmt derzeit große Anstrengungen, um im digitalen Strukturwandel wettbewerbsfähig zu bleiben. Bei der Verknüpfung von IoT-Prozessen und Zahlungsvorgängen wird derzeit allerdings mit Insellösungen experimentiert. Ein wettbewerbsfähiges Zahlungssystem kann jedoch nur auf einem einheitlichen Standard und einer einheitlichen Währung, dem Euro, basieren. Die Banken in Deutschland und Europa können diese Entwicklung mit programmierbarem Digitalgeld erfolgreich unterstützen."
"Aufgrund des rasch fortschreitenden digitalen Strukturwandels und des Bedeutungsgewinns des IoT dürfte auch die Bedeutung programmierbarer Geldformen rasch zunehmen. Um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu erhalten, Kundenbedürfnisse zu befriedigen und Transaktionskosten zu senken, sollte die Einführung programmierbaren Digitalgeldes auf Eurobasis geprüft werden."
Welche Rolle wollen die Banken spielen?
In einem ersten Schritt sollten die bestehenden Systeme dahingehend erweitert werden, dass eine bessere Anknüpfbarkeit an digitale Prozesse und Smart Contracts möglich wird, heißt es in dem Positionspapier. Der im SEPA-Kontext geschaffene Instant-Payments-Standard könne hierfür die Grundlage bilden.
"Eine entsprechende Erweiterung könnte bereits einen wesentlichen Fortschritt für die Verzahnung des konventionellen Zahlungsverkehrs mit Smart Contracts und anderen digitalen Angeboten darstellen und so dazu führen, dass regelbasierte Transaktionen abgebildet und implementiert werden können. Die notwendigen Standardisierungsaktivitäten sollten durch privatwirtschaftliche Akteure mit Unterstützung des Eurosystems forciert werden."
"Aufbauend darauf sollte programmierbares Digitalgeld auf Kryptobasis geschaffen werden. Bereits heute bestehen Angebote einzelner Marktakteure, so auch von Banken, die eine nahtlose Integration von Smart Contracts und dem aus ihnen resultierenden Forderungsausgleich in einem System ermöglichen. Hierbei handelt es sich jedoch um proprietäre Lösungen einzelner Akteure. Daher ist eine europaweite Interoperabilität für einen kryptobasierten Euro erforderlich, um die für eine realwirtschaftliche Signifikanz benötigte Skalierbarkeit zu erreichen."
Banken fordern klare Regulierung
Im Zusammenhang mit der Einführung des digitalen Euros hat der Bankenverband noch eine Reihe von Hinweisen und Forderungen an Europas Gesetzgeber und Regulierungsbehörden, darunter die folgenden:
"Damit Rechtssicherheit entsteht, ist obendrein eine rechtliche Einordnung von programmierbarem Digitalgeld notwendig. Alle Innovatoren müssen sich an einem einheitlichen aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Rahmen messen lassen. Die Emission und Verwahrung von programmierbarem Digitalgeld sollte auch unter dem heute bestehenden Regelwerk einer Vollbanklizenz möglich sein."
"Der europäische Gesetzgeber muss im Wettbewerbsrecht Voraussetzungen schaffen, um pan-europäische Lösungen im Zahlungsverkehr möglich zu machen. Damit Banken neuen Wettbewerbern auf Augenhöhe begegnen können, muss die Wettbewerbspolitik die Veränderungen des internationalen Wettbewerbsumfelds berücksichtigen und einen neuen Rahmen schaffen, der auch Rechtssicherheit bei Kooperationen zwischen europäischen Marktteilnehmern schafft."
"Die Identität des Nutzers eines digitalen Euros – ob Mensch oder Maschine – muss eindeutig zuzuordnen sein. Hierfür ist ein europäischer Identitätsstandard notwendig, besser noch ein globaler Standard. Bei jeder Form von Digitalgeld sollten Kunden nach einem genauso strengen Standard identifiziert werden müssen, wie ihn Banken oder andere Verpflichtete nach den geltenden geldwäscherechtlichen Bestimmungen heute selbstverständlich zu berücksichtigen haben."
"Mit Blick auf das deutsche Steuerrecht muss hinsichtlich der Einkommensteuer geklärt werden, ob programmierbares Digitalgeld eine Währung oder ein Wirtschaftsgut darstellt. Für die umsatzsteuerliche Einordnung ist die konkrete Ausgestaltung von programmierbarem Digitalgeld zu klären. Bei der Führung von Wallets – insbesondere in Drittstaaten – muss der Steuervollzug gewährleistet sein."
"Einleger genießen bei Kreditinstituten durch die Einlagensicherung ein hohes Schutzniveau ihrer Einlagen. Dieses Schutzniveau sollte auch Maßstab für programmierbares Digitalgeld sein. In jedem Fall müssen Kunden durch die jeweiligen Anbieter klar und nachweisbar informiert werden, wenn ein Einlagenschutz nicht besteht."